10. September 2024
Asylanten: Mal etwas raushauen!
Wer im Loch sitzt, sollte mit Graben aufhören
von Kurt Kowalsky
Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu
erwarten, ist die Definition von Wahnsinn. Ich weiß nicht, wer das so treffend
formuliert hat. Albert Einstein, wie im Netz kolportiert, war es aber wohl
nicht.
Und natürlich werden die Wählerinnen und die Frauen in den ostzonalen
Bundesländern das so nicht akzeptieren. Dass die diversen politischen Gauner
wahnsinnig sind, trifft vielleicht den rostigen Nagel auch nicht immer auf den
schiefen Kopf. Manche sind einfach strunzdumm. Denn wer im Loch sitzt und nicht
das Graben einstellt, muss ein Idiot sein. Ist in Politik und Verwaltung
natürlich auch nicht so einfach, weil jeder mit stoischer Sicherheit so lange
befördert wird, bis er die Stelle seiner eigenen Unfähigkeit erreicht hat. Je
tiefer sie im Loch sitzen, desto steiler wohl ihre vergangene politische
Karriere.
Wer schon einmal eine Grube im Garten ausgehoben hat, um seine Probleme mit dem
Ehepartner oder Nachbarn zu lösen, wird wissen, dass sich das nicht instantan
erledigt, sondern Zeit braucht. Und so kann man analog als Politiker seinen
Niedergang in der Wählergunst von einer demoskopischen Umfrage zur nächsten
über die Jahre hinweg beobachten.
Kurz bevor Friedrich Merz wohl die Medaille für hervorragende Leistungen im
Bergbau in Gold verliehen bekam, wird er sich nach dem letzten Terroranschlag
wahrscheinlich zuerst gefragt haben: „Was haue ich jetzt raus?“
Natürlich gilt immer noch: Je kleiner der Horizont, desto einfacher die
Lösungen. Da man jedoch die gesichert rechtsradikalen Wahlparolen der gesichert
Rechtsradikalen nicht abschreiben wollte, bekam man
Formulierungsschwierigkeiten. Also war man erst einmal
links-rechts-mittig-demokratisch über das „barbarische Attentat“ entsetzt und „mitten
ins Herz getroffen“. Dann erklärte man mitten im Wahlkampf, dass man keinen
Wahlkampf machen wolle, und bot dem Bundeskanzler an, ihm bei der Zersetzung
seiner Regierungskoalition behilflich zu sein.
Ob Scholz das verstanden hat, ist fraglich, denn der sitzt in einem noch
tieferen Loch. Jedenfalls druckste der Christdemokrat herum und relativierte
binnen weniger Stunden seine juristisch fragwürdigen Vorschläge, was das
rechtsunkundige Volk nicht merken würde. Es interessierte auch kaum jemand,
denn Hinz und Kunz in Sachsen und Thüringen hatten da ihre Wahlentscheidungen
schon getroffen und waren eher gelangweilt. Hätten die Parteiführer mal
verkündet, dass sie die politische Verfolgung Andersdenkender im Inland
einstellen würden, hätten alle aufgehorcht und man hätte die Problematik der
politischen Verfolgung an anderen Orten eventuell gemeinsam zutreffender
beleuchten können.
Die Wurzeln reichen tief. Gehen wir zurück ins Jahr 1990. Helmut Kohl (CDU) regierte mit der FDP und kungelte einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag mit den übrigen EU-Partnern aus: das „Dubliner Übereinkommen“. Danach musste im Kern eine asylsuchende Person, die ohne Visum in einen Vertragsstaat eingereist war, in dem Staat einen Asylantrag stellen, in dem sie nachweislich zuerst eingereist ist, es sei denn, sie hielt sich bereits seit mindestens sechs Monaten in einem anderen Vertragsstaat auf. Da wird sich Kohl aber kräftig auf die Oberschenkel geklopft haben, denn im Grunde konnten nur noch Personen in Deutschland einen Asylantrag stellen, die mit dem Fallschirm über dem Hoheitsgebiet abgesprungen waren.
Wie man bereits am Wort „nachweislich“ und am letzten Halbsatz erkennt, hat die Sache jedoch mehrere bürokratische und juristische Haken. Denn wenn der zur Wiederaufnahme verpflichtete Staat (zum Beispiel Griechenland oder Bulgarien) systematische Schwachstellen im Asylverfahren aufweist, dauert die Antwort auf das Rücknahmeersuchen recht lange, ist negativ oder sonst was und es darf nicht mehr zurückgeführt werden. Griechenland und vergleichbare Staaten tun dann wohl alles, ihre Schwachstellen nicht zu beheben und lehnen etwa 97 Prozent der deutschen Rücknahmegesuche ab. Aber nicht nur das: Etwa 14 Prozent der zurückverwiesenen Zuwanderer kommen wieder zurückgewandert. Das Abkommen, auf das die CDU damals so stolz war, hat noch nie funktioniert. Wenn Merz, tief im Loch sitzend, also verkündet, „Die Ordnung unseres Landes ist gefährdet ... Wir müssen das Recht haben zum Zurückweisen“, dann ist das die 25 Jahre alte halbwahre Leier, die entweder seinen Wahnsinn bestätigt oder zeigt, dass der Typ strunzdumm ist, oder es ist eben die übliche politische Gaunerei, welche die Löcher noch tiefer macht.
„Alles Recht in der Welt ist erstritten worden, jeder wichtige Rechtssatz hat erst denen, die sich ihm widersetzten, abgerungen werden müssen, und jedes Recht, sowohl das Recht eines Volkes wie das eines Einzelnen, setzt die stetige Bereitschaft zu seiner Behauptung voraus“, so Rudolf von Jhering bereits im 19. Jahrhundert. Ob Merz und Konsorten so weit zu denken vermögen, kann bezweifelt werden.
Muss man auch nicht, denkt man nach jedem Attentat nur daran, was für Kamellen man jetzt wieder „raushauen“ könnte. Doch die deutsche Sprache ist in ihren Adjektivierungsmöglichkeiten begrenzt. Und während „brutalst“ und „barbarisch“ und „entsetzlich“ schon rausgehauen wurden, graben sich die ideologisch weichgespülten ehemaligen Volksparteien immer tiefer ein.
Ein Attentat von einem islamistischen Zugereisten ist bei der Vergangenheit eher ein Grund, beschämt zu schweigen, als einen seit Jahrzehnten andauernden Missstand immer von Neuem zu thematisieren. Denn das jeweilige Thematisieren bestätigt, wie dargelegt, dass sich die politischen Gauner schon lange einen feuchten Kehricht um die berechtigten Interessen der Bevölkerung kümmerten. Dass sich die Verwaltung schon lange verselbständigt hat und wohl doch nur noch der Wahn die politischen Cliquen antreibt.
An anderer Stelle, in einem anderen Zusammenhang schrieb ich: „Man kann eine politische Gewaltphantasie nicht erschlagen, man kann nur ihre Kraft aufnehmen und zum eigenen Vorteil nutzen.“ Wie erwähnt, sollte man deshalb zuerst die politische Verfolgung Andersdenkender im Inland einstellen. Aber auch das ist vielleicht schon illusorisch.
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