11. September 2024

Sommergenuss(?) Ach ja, Strandleben

Seine schönen Seiten und seine hässlichen

von Klaus Peter Krause

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Bildquelle: farinasfoto / Shutterstoc Nicht jedermanns Geschmack: Tätowierungen

Perfekt: Blauer Himmel, blaues Meer, rauschender Wellenschlag, warme Sonne, feiner warmer Sand, dann Urlaub haben, sich in der Sonne räkeln und sich ins erfrischende Meer stürzen. Herrlich.

Nicht perfekt: Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Umgeben sind Sie am Strand von vielen alten Menschen. Offenkundig Rentner und Pensionäre. Gut. Aber die sind unästhetisch dick. Und die sind tätowiert. Und die laufen auch noch nackt herum, vor allem an „ostdeutschen“ Stränden. Frauen und Männer. Und Sie haben den Eindruck: Je hässlicher, umso mehr ziehen die sich aus. Nicht so herrlich.

Warum lassen sich plötzlich alle tätowieren?

Man versteht ja so vieles nicht: Warum lassen sich plötzlich alle tätowieren? Warum auch solche, die schon alt sind und ihren ohnehin schon verfallenden Körper mit diesen Hautgravuren noch zusätzlich verhässlichen? Und warum ziehen sie sich obendrein aus und bieten sich dar zum Anblick, dem man gerne ausweichen würde? Warum gerade die Alten? Warum nicht die Jungen, die wohl gerne wohlgefälliger betrachtet würden? Warum geben sich Mitmenschen vor allem im Alter dem Nudismus hin? Und warum ausgerechnet, so der Eindruck, mit zunehmender körperlicher Unförmigkeit? Warum müssen sie das ihren Mitmenschen antun? Die Jungen und Hübschen dagegen erscheinen im Strandleben durchweg gesittet bekleidet, mag bei Frauen und Mädchen der Bikini auch noch so knapp ausfallen. Sie wenigsten ziehen die Blicke an, statt sie abzustoßen.

Warum Ahnden von Lärmbelästigung, aber nicht von Anblicksbelästigung?

Das Ordnungswidrigkeitengesetz kennt den Begriff der Lärmbelästigung. Seine Vorschrift gegen unzulässigen Lärm in Paragraph 117 Absatz 1 OWiG lautet: „Ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.“ Diese Vorschrift schützt vor Lärmbelästigung, nicht vor Anblicksbelästigung, jedenfalls nicht am Strand. Es schützt die Ohren, nicht die Augen. Schutzlos sind die Augen den ästhetischen Attacken am Strand ausgeliefert.

Beikommen ließe sich der Ansichtsbelästigung als Pendant zur Lärmbelästigung allenfalls mit Paragraph 118 OWiG: „Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.“ Aber diese abstrakte Formulierung bietet doch einen breiten Interpretationsspielraum. Ist es grob ungehörig, was sich da am Strand dem Auge darbietet? Gefährdet es die Allgemeinheit gar? Wohl eher nicht. Und die Ansichten darüber, ob es die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, werden ebenfalls auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringen sein. Und denken wir daran: Es hat Zeiten gegeben, da wären junge Frauen mit heute üblichen knappesten Bikini wegen Unsittlichkeit festgenommen worden. Diese Zeiten sind gottlob vorbei. Solche Anblicke missen wollen wir doch nicht mehr. Sie sind Hingucker, nicht Weggucker.

Ach, wie so einfach ist doch die Lösung: In dubio pro libertate. Lassen wir also als unser höchstes Gut der Freiheit ihren Lauf. Noch haben wir sie doch. Die rät eindeutig zu: weggucken.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors.


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