31. Juli 2025
Zoll-Deal: USA reindustrialisieren – EU deindustrialisiert
Wer an Zufall glaubt, glaubt auch an Fairness
von Kevin Eßer

In Brüssel wurde gefeiert. Donald Trump und Ursula von der Leyen gaben sich als Architekten einer transatlantischen Renaissance. Hinter verschlossenen Türen ging es jedoch nicht um Partnerschaft, sondern um Verteilung. Und zwar nicht von Zöllen oder Kompetenzen, sondern von Macht. Was dabei verhandelt wurde, ist nichts weniger als ein tektonischer Umbau des globalen Gleichgewichts. Europa wird nicht neu ausgerichtet, sondern geopfert. Und der Preis dafür ist in der Öffentlichkeit nicht einmal Thema.
Während die USA mit Maga „Make America Great Again Again“ ihre industrielle Basis runderneuern, Kapital binden und Rohstoffketten sichern, überzieht die EU sich selbst mit Regulierungen, CO₂-Strafzonen und ideologischen Selbstverpflichtungen. Der „Inflation Reduction Act“ wirkt wie ein Staubsauger für Wertschöpfung. BASF, Volkswagen, Infineon und andere folgen der Schwerkraft des Dollars dorthin, wo Energie bezahlbar ist, Eigentum geschützt wird und Politik auf Strategie beruht. In Europa dagegen herrscht ein Vakuum: Energiekrise, Steuerdruck, bürokratische Erstickung. Die Deindustrialisierung ist kein Kollateralschaden. Sie ist längst System.
Trump hat es offen ausgesprochen. Deutsche Autobauer sollen amerikanisch werden. Das ist keine Polemik, sondern Strategie. Es geht nicht um Autos, sondern um Dominanz: wirtschaftlich, technologisch, geopolitisch. Der Angriffspunkt ist die Wertschöpfung, der Hebel das Kapital, das Ziel die Kontrolle über jene Sektoren, auf denen Macht in der multipolaren Welt basiert. Und Europa? Liegt auf dem OP-Tisch und applaudiert noch während der Operation.
Denn anstatt sich als Gegengewicht zu positionieren, ertränkt sich die EU in Klimaethos, Förderalchemie und symbolpolitischer Infantilität. Die industrielle Basis, einst Fundament der Freiheit, wird demontiert. Der Green Deal ersetzt keine Vision, sondern tarnt die Vollstreckung des Morgenthau-Plans mit Wohlfühlvokabular. Früher kam der Befehl von außen. Heute vollstreckt ihn das System selbst mit moralischem Lächeln und alternativloser Rhetorik. Brüssel ist keine Hauptstadt. Es ist das Headquarter der Selbstentmachtung.
Und man kann es den USA nicht einmal verübeln. Ihre Strategie ist legitim. Sie nutzen die Schwäche eines Akteurs, der einst ein Konkurrent war und heute nur noch ein Markt ist. Wer keine Souveränität einfordert, wird behandelt wie ein Objekt. Die USA handeln aus nationalem Interesse, die EU dagegen aus Selbsttäuschung. Und wenn es etwas gibt, das Washington verachtet, dann sind es Funktionäre, die Respekt einfordern, aber keinen ausstrahlen. Wer nicht verhandelt, sondern gehorcht, wird nicht ernst genommen.
Dabei gäbe es Wege – selbst jetzt noch. Europa könnte sich als souveräne Gemeinschaft neu aufstellen. Kein föderaler Wasserkopf, sondern eine strategisch koordinierte Allianz wirtschaftlich starker, freiheitsliebender Nationen. Mit Deutschland nicht als Zahlmeister, sondern als industrielles Rückgrat. Als Taktgeber für eine neue Ordnung europäischer Eigenständigkeit. Eine solche Formation müsste sich weder vor China ducken, noch vor den USA verneigen. Sie würde nicht bitten, sondern gestalten.
Dafür bräuchte es aber etwas, das in Brüssel längst als Gefahr gilt: Menschen, die Verantwortung tragen wollen; die nicht verwaltet werden, sondern handeln; die nicht normiert, sondern frei sind. Der heutige Staat traut dem Bürger nichts zu, weil er selbst nichts leisten kann. Er ersetzt Initiative durch Programme, Leistung durch Umverteilung und Eigentum durch Subvention. Und wer die Abhängigkeit einmal verinnerlicht hat, verteidigt sie wie ein Erbe. Europa wurde nicht entmachtet. Es hat sich aus moralischer Überheblichkeit und ökonomischer Feigheit in eine Komfortzone eingemauert.
Doch das Leben beginnt dort, wo der Staat endet. Wer die Freiheit ernst nimmt, erkennt im aktuellen Kurs kein Fortschrittsprojekt, sondern eines der Knechtung. Die europäische Gesellschaft ist nicht überfordert, sondern kleingehalten. Der Binnenmarkt wird nicht geschützt, sondern kastriert. Und die Demokratie wird nicht erweitert, sondern durch Technokratie ersetzt. Wer Freiheit will, muss bereit sein, sie zurückzuerobern. Gegen die Strukturen, nicht für sie.
Doch stattdessen kuscht man. Hält sich an Verträge, Regeln, Konferenzen. Die politische Klasse agiert wie die Ameisen aus dem Film „Antz“ oder „Das große Krabbeln“: ohne Souveränität, Stolz und Ziel. Der Einzelne zählt nicht. Das Gemeinwohl ist bis ins Absurde entgrenzt. Es gibt keinen Willen zur Macht. Es fehlt eine Verteidigung der Zivilisation. Es ist kein Bewusstsein für Rang und Rolle in der Geschichte vorhanden.
Europa wird nicht überrannt. Es wird von innen abgewickelt. Der Kapitaltransfer läuft seit gut neun Jahren und er beschleunigt sich, ebenso wie der Know-how-Abfluss. Die industrielle Basis wird entkernt, nicht durch Krieg, sondern durch Gesetze. Und der Konsument soll schweigen, solange der Strom noch fließt. Das mediale Narrativ bleibt stabil. Die Kulisse steht, doch hinter ihr ist nichts mehr echt. Keine Strategie. Kein Rückgrat. Keine Antwort auf die globale Neuordnung.
Die USA positionieren sich an der Spitze der neuen Weltordnung. Die EU gibt sich der Illusion hin, sie sei in freundschaftlicher Beziehung. In Wahrheit ist sie Lieferant, Absatzmarkt, Milchkuh. Der Deal ist längst gemacht. Und Europa hat nicht verhandelt, sondern geliefert.
Wer das nicht sieht, hat sich abgefunden. Wer es sieht, muss handeln. Denn Geschichte selektiert nicht nach Absicht, sondern nach Durchsetzungsvermögen.
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