09. Januar 2025
Medienaufschrei: Der entsetzte deutsche Mainstream
Was, bitte, ist populistisch?
Was da politisch im nahen Österreich geschieht, gefällt dem deutschen Mainstream in Politik und Medien natürlich gaaar nicht. Nicht bloß Missgestimmtheit durchweht ihn, sondern blankes Entsetzen. Es geschieht ihm recht. Frohgestimmt ist mit ihren Anhängern nur die mit der FPÖ gleichgesinnte AfD. Der FPÖ-Obmann Herbert Kickl, also der FPÖ-Parteivorsitzende, wird nun doch Österreichs neuer Bundeskanzler werden. Ogottogott. Im politischen Leitartikel meiner links-grün-orientierten und ebenso orientierenden Regionalzeitung „Lübecker Nachrichten“ lese ich als Alarm: „Bitte einmal aufwachen! Wenn Kickl als Kanzler vereidigt wird, dann hat die demokratische Mitte in Österreich ihre jahrelange Abwehrschlacht gegen eine inzwischen radikalisierte rechtspopulistische Partei verloren.“
Wer verloren und wer gewonnen hat
Falsch, sie hat gewonnen, denn Kickl mit seiner Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ist die demokratische Mitte, nämlich die der Bürger und Wähler. Was der Regionalblattkommentar als „die demokratische Mitte in Österreich“ bezeichnet, ist nämlich in dessen manipulierenden, verfälschenden Wahrnehmung die links-grüne, die verkappt sozialistische Bewegung des Landes, also weder „Mitte“ noch „demokratisch“. Und eben die hat verloren, sogar verdient verloren. Auch hat sich nicht die FPÖ „radikalisiert“, sondern getan haben das ihre Gegner. Und wenn die Links-Grünen die FPÖ als „rechtspopulistisch“ brandmarken, dann sind sie selbst einzustufen als links-grün-populistisch.
Was, bitte, ist populistisch?
Apropos populistisch: Populisten im Sinn von „dem Volk zugewandt“ oder ihm „aufs Maul schauen“ – was nicht bedeutet, ihm nach dem Mund zu reden – müssen Politiker sogar sein. Ihre Politik soll dem Volk nützen, nicht ihnen selbst. Sie sind dem Volkswohl verpflichtet. Dafür müssen sie wissen oder herausfinden, was des Volkes Begehr ist – vom Volk nämlich wollen sie doch gewählt werden. Sie handeln dann als „Volkes Stimme“. So gesehen, ist Populismus nichts Verwerfliches, sondern Erwünschtes. Es ist volksnahe Politik. Eine Partei, die sie betreibt und dafür eine starke Zustimmung oder die Mehrheit bekommt, ist eine Partei des Volkes, eine Volkspartei. Das ist mit ihrer relativen Mehrheit auch die FPÖ. Im dargelegten Sinn trifft die Bezeichnung „populistisch“ auf sie zu. Sie kommt einer Ordensverleihung gleich.
Populistisch sind stets nur die anderen
Streiten dagegen mag man darüber, ob „rechtspopulistisch“ auf sie zutrifft. Treffender, weil präziser, wäre es, sie konservativ-liberal oder liberal-konservativ zu nennen. Sie ist auf konservative Weise liberal und auf liberale Weise konservativ – konservativ im Sinne von bewahren, was sich bewährt hat. Eine Bertelsmann-Studie von 2017 übrigens definiert Populismus als „Anti-Establishment-Haltung“. Dem Establishment ist Populismus natürlich völlig fremd, populistisch sind stets nur die anderen, die Gegner. So wird populistisch zum Schimpfwort. Lesen Sie hierzu meinen damaligen Beitrag „Das also ist Populismus“ auf meinem Blog.
Die „böse“ EU-Vierer-Bande Orbán, Meloni, Fico und Kickl
Diesen Populismus meint der Kommentar meines Regionalblattes natürlich nicht und versteigt sich missvergnügt mit ihm zu folgender verleumdender Einordung: „Mit Viktor Orbán in Ungarn, Giorgia Meloni in Italien und Robert Fico in der Slowakei wird Österreich also Mitglied eines wachsenden Clubs von Ländern innerhalb der Europäischen Union, die ihre Wahlsiege mit nationalistischen, antieuropäischen, fremdenfeindlichen, teilweise russlandfreundlichen Positionen eingefahren haben. Jedes weitere Land, das auf den Zusammenhalt der EU pfeift, ist ein Sargnagel für die Gemeinschaft und damit langfristig auch eine Gefährdung für Frieden und Wohlstand auf dem Kontinent.“
Was für eine Verdrehung der Tatsachen
Nationalistisch? Antieuropäisch? Fremdenfeindlich? Alles das sind diese vier Länder mit Orbán, Meloni, Fico und Kickl an der Spitze gerade nicht, es ist gelogen. Für sein Land eintreten ist kein Nationalismus. Sich für ein entbürokratisiertes „Europa der Vaterländer“ einsetzen ist nicht antieuropäisch. Gegen einen geplanten Bevölkerungsaustausch samt fremder und islamistischer Kultur vorgehen ist nicht fremdenfeindlich. Und das diffamierend gemeinte „russlandfreundlich“ ist nichts anderes als ein diplomatischer, sachlich geprägter Umgang im jeweiligen nationalen Interesse, wie er auch mit allen anderen Ländern geschieht und geschehen muss. Russland gegenüber bedarf es dazu, die Vorgeschichte des Ukraine-Kriegs zu berücksichtigen.
Ja, auf Sand gebaut ist die Brandmauer in der Tat
Im besagten Kommentar ist nicht alles schief und falsch. Was stimmt, ist seine Überschrift: „Die Brandmauer ist auf Sand gebaut“. Aber er meint es warnend, befürchtend. In Österreich ist sie gefallen. Was wird nun bloß aus Deutschland, wenn sie gegenüber der AfD auch hierzulande fällt? Man riecht den Angstschweiß. In einigen Kommunalparlamenten immerhin besteht sie schon nicht mehr. Gleich neben dem dubiosen Kommentar breitet mein Regionalblatt vierspaltig auch ein paar zusätzliche Informationen aus. Die Überschrift: „Wie lange hält die Brandmauer zur AfD?“. Der Beitrag zitiert den CSU-Vorsitzenden Markus Söder: „Ich habe keine Lust, niemals, dass wir am Ende Steigbügelhalter werden für irgendwelche Populisten.“ Er reitet nur sein eigenes Populistenpferd.
Die Frohgestimmtheit der AfD ist verständlich
Auf Bundes- und Landesebene wolle die CDU/CSU-Union, liest man in dem Bericht, „eisern“ an der Verweigerung gegenüber der AfD festhalten. „Aber ist das“, fragen seine drei Autoren, „die ganze Wahrheit?“ Ist sie natürlich nicht. Und dann berichten sie über die Abweichler in den Kommunen wie zum Beispiel in Schwerin und Greifswald. Sie finden aber auch einen Politologen namens Wolfgang Schroeder (Berlin), der die Beispiele minimalisiert und abwimmelt und sagt, die Brandmauer sei auch auf kommunaler Ebene stabil. Wer’s glaubt, wird selig. Auch Friedrich Merz wird sich mit seinen bisherigen Verdikten gegen die AfD korrigieren müssen. Oder abtreten. Söder ist im (stillen) Korrigieren und Krötenschlucken ohnehin geübt. Die Frohgestimmtheit der AfD angesichts der Vorgänge in Österreich ist verständlich.
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors.
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