24. November 2025
ef 258: Editorial
Die Welt ist unübersichtlich geworden. Geopolitische Auseinandersetzungen vermengen sich zunehmend mit wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Künstliche Intelligenz, Arbeit, Energie, Militär, Rohstoffe, Schulden, Crypto, Währungen – alles spielt mit allem zusammen, hängt voneinander ab und ist ohne das andere kaum mehr erklärbar. Die Spannungen in Osteuropa, im Nahen Osten, in Asien und Südamerika nehmen eher zu als ab. Wer blickt da noch durch?
Klar ist nur, dass die Zeit des Welthegemons USA und seiner Weltleitwährung US-Dollar so langsam abläuft. Der rohstoffreiche „globale Süden“ begehrt auf, die Brics und vorneweg deren Führungsmacht China werden immer forscher. Gold haben sie fast alle in den letzten Jahren im Akkord gekauft und gebunkert – am Ende auch aus Notwehr, nach der dummdreisten westlichen Beschlagnahme der russischen Dollar-Reserven.
Eine edelmetallgedeckte Brics-Handelswährung könnte 2026, spätestens 2027, kommen. Schon heute wird Erdöl aus Saudi-Arabien an China in chinesischen Yuan abgerechnet. Wussten Sie, dass 75 Prozent des echten physischen Goldhandels der Welt über die Börse in Shanghai abgewickelt wird? Dass die Chinesen dieses Gold penibel registrieren, unter anderem in Blockchains – als Grundlage wofür? Dass China Drittländern bei Zahlung in Yuan verspricht, dieser sei de facto längst goldgedeckt, sehr bald auch explizit mit konkreten lokalen Garantien? Wer wollte da noch Dollar halten nach der Erfahrung Russlands?
Keine Weltmacht dankt so einfach still und leise ab. Die zweite Amtszeit von Donald Trump und dessen erratische Zollpolitik sind insofern Symptom. Ist Russland, ist Saudi-Arabien, ist Indien noch aus dem Bündnis mit China herauszureißen? Argentinien jedenfalls konnte kurz vor dem Beitritt zu den Brics-Staaten dank „Joker Milei“ gerade noch „gewendet“ werden. An Venezuela mit seinen riesigen Ölvorkommen ist man bekanntlich dran, mit anderen Mitteln. Noch vor zwei Jahren sah es so aus, dass Südamerika unter der Führung der Brics-Staaten Brasilien und Argentinien hätte zum Bollwerk gegen die USA und den Dollar werden können. Apropos Milei, zuletzt wieder großer Wahlsieger in Argentinien, libertärer Vorzeige-Reformer und Weltstar-Entertainer. Milei hat die argentinische Zentralbank ja dann doch nicht geschlossen. Stattdessen hat er zuletzt den Peso und die argentinischen Staatsschulden retten lassen. Durch wen? Durch Donald Trump mittels eines „verborgenen Topfes“, eine Art CIA-Fonds, gedeckt am langen Ende vom amerikanischen Steuerzahler. Sie haben vom 20 Milliarden US-Dollar-Bailout Argentiniens im Oktober 2025 kaum etwas mitbekommen? In China hat man das sehr wohl registriert.
Und wer hat profitiert, cui bono? Natürlich die üblichen Verdächtigen und alten Bekannten aus der amerikanischen Finanzwelt, die milliardenschwere argentinische Schulden halten, die jetzt netterweise doch weiter lukrativ bedient werden. Offiziell hat Trump, der gute Freund, Milei rausgehauen. Ein Schelm, wer es anders interpretiert.
Rettet nun ausgerechnet der libertäre Milei die brave Bedienung von Staatsschulden, damit die Dollar-Hegemonie, damit das Papiergeldsystem? Ein Treppenwitz, nicht der erste der Weltgeschichte. Und da haben wir die Geheimwaffe der USA im Wirtschaftskonflikt, Rohstoffkampf und Währungskrieg noch gar nicht erwähnt.
Trump und seine Freunde, die Tech-Multis in den USA, forcieren KI (und benötigen Energie) in ungesehenen Dimensionen. Und flirten mit Bitcoin. Mehr als 300.000 Bitcoin hat der amerikanische Staat bereits gebunkert, nicht bei Tage gekauft, sondern bei Nacht beschlagnahmt, Tendenz steigend. Trump selbst sprach auf Bitcoin-Konferenzen davon, die USA „zum Krypto-Hub der Welt“ zu machen. Womöglich mit einem (auch) Bitcoin-gedeckten Dollar im Endkampf gegen einen (auch) goldgedeckten Yuan oder eine (teilweise) goldgedeckte BricsWelthandelswährung? Verrückt? Ja. Möglich?
Nehmen wir das US-Unternehmen MicroStrategy (jetzt einfach Strategy): Es bunkert bereits circa 650.000 Bitcoin, finanziert mit Eigen- und immer mehr riskantem, gehebeltem Fremdkapital. Ach ja: Kürzlich stieg der US-Staat bei den Kollegen von Intel nach einer „staatlichen Rettung“ mit einem Zehn-Prozent-Anteil ein, auch das kaum bemerkt von der westlichen Presse. Neokorporatismus auf Amerikanisch. Oder besser Wirtschaftsfaschismus? Jedenfalls: Warum nicht auch bei Strategy bei nächstbester Gelegenheit vulgo finanziellen Schieflage? Zur Erinnerung: Die Gesamtmenge aller jetzigen und zukünftigen Bitcoin ist begrenzt auf 21 Millionen. Wer hätte gedacht, dass die beliebten libertären Gelehrtenscharmützel um Gold oder Bitcoin als das wahre, echte Geld einmal auf die Ebene realer geopolitischer Epochenumbrüche gehoben werden?
Doch das alles, verehrte Leser, nur nebenbei. Ich wünsche Ihnen auch mit diesem Heft viel Lesefreude und Erkenntnisgewinn und vor allem ein gesegnetes Weihnachtsfest und viel Gestaltungskraft, Gesundheit und Glückauf für das neue Jahr. Sehen wir uns im Januar auf Usedom zur ef-Jahreskonferenz (siehe Anzeige auf Seite 60)? Ich würde mich riesig freuen! Noch sind Restplätze frei. Und vergessen Sie bitte nicht: Kein Fußbreit den neosozialistischen Ausbeutern aller untergehenden alten und aufstrebenden neuen Weltreiche. Mehr Freiheit!
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 28. November erscheinenden Dezember-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 258.
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