16. September 2025

ef 256 Editorial

von André F. Lichtschlag

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Artikel aus ef 256, Oktober 2025.

Weltweit werden Mainstream-Medien zunehmend auf libertäre Ideen aufmerksam und berichten fasziniert. Das ist neu. Ungewohnt. Etablierte Politiker auf allen Kontinenten warnen aufgeschreckt und nebulös vor der plötzlich aufgetauchten libertären Gefahr. Der Grund? Das Gespenst aus Argentinien: Javier Milei und seine von ihm postulierte Politik des Kettensägen-Massakers an Staat und Bürokratie. 

Und nun, da manche Gegner ob dieser Herausforderung gar in eine Art Schockstarre gefallen sind? Wird Javier Milei kritisiert. Heftig sogar. Von Libertären, ha! Die sagen, es sei alles nur ein greller Schein und tatsächlich sei der selbsternannte Anarchokapitalist Milei im Amt allenfalls vergleichbar mit den Reformern Ronald Reagan und Margaret Thatcher.

Der Streit erreicht Deutschland. Das Ludwig von Mises Institut wird im Oktober den erstmals ausgerufenen „Gedächtnispreis zu Ehren von Ludwig von Mises“ an den argentinischen Präsidenten verleihen. Weshalb drei der fünf Beiräte des Instituts ihren Posten niederlegten. 

Es liegt mir fern, hier für eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen. Dafür schätze ich die Beteiligten allesamt viel zu sehr. Die Diskussion über Milei müssen und werden aber auch wir in eigentümlich frei führen, so wie wir das bereits seit zwei Jahren immer wieder tun, mit einigen Vorschusslorbeeren, mit Lob hier, Tadel dort, möglichst ausgewogen, sodass sich der geschätzte Leser selbst ein Urteil bilden mag. In diesem Heft lassen wir den Milei-Kritiker Andreas Tank zu Wort kommen. Die Diskussion wird fortgeführt. 

Für mich ist und war Milei immer zuerst und vor allem ein Rockstar, eine „Rampensau“ im besten Sinne. Er hat uns allen gezeigt, wie man erfolgreich für radikale libertäre Ideen werben und insbesondere die Jugend für die Freiheit begeistern kann. Dafür hat der wilde Mann mit Mähne und Koteletten alle libertären Preise verdient. Der Politiker Milei dagegen kann auf lange Sicht nur scheitern, denn wir Libertären wissen mit Lord Acton längst: Macht korrumpiert. Am Ende immer. Politischer Erfolg oder Misserfolg der mileischen Reformen über die kurze und mittlere Distanz: Das ist die Frage, über die nun die Gelehrten debattieren.

Neu ist der Zwist nicht, denn genau darüber stritten Libertäre bereits zu den Amtszeiten von Ronald Reagan und Margaret Thatcher wie die Kesselflicker. Ach ja, ein Teil der Kritik betrifft Mileis außenpolitische Positionierung zu den Kriegen in Nahost und der Ukraine. Zur Erinnerung: Wer schon im Frieden dem Staat misstraut, wird nicht plötzlich mitmarschieren, wenn das „politische Mittel“ im Krieg völlig Amok läuft. Libertäre Außenpolitik ist deshalb per se nicht-interventionistisch, wie nicht allein Murray Rothbard uns lehrte. Milei agiert auf diesem Feld also alles andere als libertär. Aber wie war das noch im britischen Falkland-Krieg und bei der US-Invasion in Grenada unter Thatcher und Reagan? Können Politiker überhaupt widerspruchsfrei agieren? Egal, wie man deren kurzund mittelfristige Erfolge bewertet (dieses Urteil ist wie gesagt höchst umstritten): Langfristig haben schon Ronald der Cowboy und die Eiserne Lady den ihnen in den Ämtern nachfolgenden Sozialisten die Straßen gekehrt und die Wege bereitet.

Wofür wir aber bis heute Reagan und Thatcher dankbar sein dürfen, das sind die Bonmots, modern: die Memes, ihre Wahlkampfslogans oder libertären Kalendersprüche, wie man damals sagte. Ronald Reagan etwa: „Der Staat ist nicht die Lösung, sondern das Problem!“ Oder Margaret Thatcher: „So etwas wie Gesellschaft gibt es gar nicht.“ Und genau dieser bis heute motivierende Zitate- und Parolen-Fundus ist auch das, wofür wir Javier Milei ganz sicher noch lange danken dürfen: „Es lebe die Freiheit, verdammt!“ 

Eines ist sicher: Die Libertäre Bewegung wächst. Weltweit. Wir sollten diese große Chance nutzen und Haarspaltereien nach innen, wenn irgend möglich, vermeiden. Besser gilt es, die anschwellenden Kräfte im libertären Miteinander weiter zu stärken. Markt statt Staat! Und Markt, das ist die Summe des freiwilligen Austauschs untereinander. Die libertären Festivals dieses Sommers, auf die wir in diesem Heft noch einmal zurückblicken, sind Sinnbild für diesen Austausch, dieses Miteinander, diese energetische Stärkung in Win-win-Konstellationen. Es gibt Tausende weiterer Beispiele im Kleinen wie im Großen, ernsthaftere, produktivere, innovativere, prägendere. Wir werden darauf zurückkommen.

Ich wünsche Ihnen, verehrte Leser, wie immer viel Lesefreude und Erkenntnisgewinn mit dieser Ausgabe. Sehen wir uns eigentlich im Januar auf Usedom (siehe Anzeige auf Seite 60)? Ich würde mich riesig freuen! Bis dahin wird noch einiges Wasser den Rhein hinunterfließen. Einstweilen gilt: Kein Fußbreit den neosozialistischen Ausbeutern aller Kontinente. Mehr Freiheit!

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Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 20. September erscheinenden Oktober-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 256.


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