17. Dezember 2025

RezensionQuinn Slobodian: Kapitalismus ohne Demokratie

Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen

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Dieses Buch will eine umfassende Widerlegung von Ideen vornehmen, die von Rechtsliberalen bis Anarchokapitalisten vertreten werden. Für deren Anhänger kann das Buch durchaus empfohlen werden. Manchem dürfte da erst bewusst werden, welche Ideen über „die Zerschlagung der Welt in Steueroasen, Privatstädte oder Mikronationen“ da schon vertreten und auch umgesetzt wurden. Die Kritik an diesen Ideen kann auch für deren Befürworter hilfreich sein, diese zu überdenken und vielleicht Modifikationen vorzunehmen oder sie besser zu begründen. Man kann dem Verfasser zugutehalten, weitgehend auf die Methodik des deutschen Verfassungsschutzes und von Kommunisten zu verzichten, Ideen nicht zu widerlegen, sondern ideologische Anklagepunkte zu sammeln. Als Kern der Kritik an libertären Vorstellungen kann der Vorwurf ausgemacht werden, Freiheit in einen Gegensatz zur Demokratie zu bringen. Die Vorstellung, dass Freiheit für die Demokratie gefährlich ist, weil dann eine demokratisch legitimierte Freiheitsabschaffung bewerkstelligt werden könnte, ist allerdings Kern des deutschen Verfassungsschutzes, so dass der potenzielle Gegensatz Freiheit zu Demokratie gerade BRDlern nicht so befremdlich erscheinen sollte. Demgegenüber, so kann man dem Verfasser entgegentreten, stellt die Schaffung von Mikrostaaten eine Beschränkung der Demokratie dar, die gar nicht auffällt, weil Mikrostaaten es sich gar nicht leisten können, die wirtschaftliche Freiheit zu beschränken, sondern aus naheliegenden Gründen ein Freihandelssystem befürworten müssen. Selbst wenn diese nicht demokratisch regiert werden, ist die Einschränkung der Freiheit geringer, als dies bei entsprechenden Großstaaten zu erwarten ist. Auch wenn die Kritik des Verfassers an Vorstellungen von Libertären bezüglich der Kleinstaaten Singapur, Hongkong und Liechtenstein teilweise berechtigt sein mag, sind die Grundannahmen über die freiheitssichernde und produktive Wirkung zumindest eines Vielstaatensystems damit nicht widerlegt.


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