28. Juni 2025

Im Visier, die Waffenkolumne Nicht nur Gutes kommt von oben – was tun?

Über die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft

von Andreas Tögel

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Bildquelle: The Mariner 4291 / Shutterstock Chonburi, Thailand – 9. Juli 2020: Phalanx, das Nahbereichsverteidigungssystem (CIWS), eine Waffe zur Luftabwehr auf modernen Kriegsschiffen weltweit.

Im Ersten Weltkrieg erwies sich – abgesehen von den erstmals in einem großen Krieg eingesetzten Maschinengewehren – eine völlig neue Komponente für die infanteristische Kriegsführung als besonders bedeutend, nämlich die Bedrohung durch feindliche Kampfflugzeuge. Was für eine neue Herausforderung! Die Fliegerabwehr erfolgte zu Beginn nur mit Infanteriewaffen und modifizierten leichten Feldgeschützen auf improvisierten Lafetten, die ein in den Himmel gerichtetes Zielen und Feuern ermöglichten. 

Speziell für die Fliegerabwehr konzipierte Waffen kamen erst nach dem Ersten Weltkrieg auf. Bei deren Entwicklung ganz vorne mit dabei war die bis heute innovative deutsche Waffenschmiede Rheinmetall, der es – bedingt durch das Versailler Friedensdiktat – nicht erlaubt war, auf deutschem Boden Fliegerabwehrwaffen zu produzieren. Das Unternehmen wich folglich in die Schweiz aus, übernahm die Patronenfabrik Solothurn, stellte diese auf Waffenproduktion um und entwickelte die Solothurn-Flak MK-ST-5 im Kaliber 2 cm, die zur „Mutter“ der später von der deutschen Wehrmacht (in Luftwaffe und Heer) eingesetzten 2-cm-Flak 30 wurde. Aus zahlreichen technischen Verbesserungen des vollautomatischen Rückstoßladers mit einer theoretischen Feuerrate von 280 Schuss pro Minute resultierte schließlich die 2-cm-Flak 38, die bis Kriegsende von Heer, Luftwaffe und Marine in verschiedenen Varianten (beispielsweise in einer Vierlings-Lafette) eingesetzt wurde. 

Derart verhältnismäßig kleinkalibrige Waffen konnten, bedingt durch die begrenzte Reichweite der Geschosse, nur zur Abwehr tieffliegender Maschinen eingesetzt werden. Um auch in großer Höhe einfliegende Ziele bekämpfen zu können, waren schwerere Waffen erforderlich. Berühmt wurde etwa die 8,8-cm-Flak 36/37, die auch in der Panzerabwehr einen legendären Ruf erwarb. Den Gipfel der Entwicklung während des Zweiten Weltkriegs bildete die 1941 eingeführte 12,8-cm-Flak 40, die später in Doppellafetten auf den mit Flugabwehrradaranlagen ausgestatteten Hochbunkern in Berlin, Hamburg und Wien platziert wurde und die alliierten Bomberverbände dazu zwang, in großer Höhe anzufliegen, was ihre Treffgenauigkeit reduzierte.

Bemerkenswert ist die im Laufe des Krieges immer weiter zunehmende Menge an Munition, die nötig war, um einen Abschuss zu erzielen. Für die „Achtacht“ wurde ein Wert von 1.600, für die Flak 40 einer von 3.000 Granaten errechnet.

Erste Experimente mit Raketen für die Fliegerabwehr fanden bereits während des Zweiten Weltkrieges statt – etwa mit der deutschen „Wasserfall-Rakete“. Aber erst im Laufe der 1950er Jahre erreichten diese Waffen Truppenreife – beispielsweise die amerikanische Nike-Ajax oder die sowjetische S-25 Berkut – beide radargesteuert mit einer Reichweite von 48 Kilometern.

Während des Jon-Kippur-Krieges im Jahr 1973 verloren die israelischen Streitkräfte über 100 Kampfflugzeuge durch zwei von Syrien und Ägypten eingesetzte Raketen sowjetischer Bauart: die S-75 „Dvina“ (Nato-Code SA-2-Guideline) und die 2K12 „Kub“ (Nato-Code SA-6-Gainful). Dvina-Raketen waren auch für die Abschüsse der beiden US-Höhenaufklärungsflugzeuge vom Typ Lockheed U2 über Swerdlowsk (1960) und Kuba (1962) verantwortlich.

Der im Zuge des Ukraine-Krieges offenbar gewordenen Bedrohung durch Kampfdrohnen kann aktiv mit einer ganzen Reihe von bereits eingeführten Waffensystemen begegnet werden. Dazu eignen sich besonders Waffen mit hoher Feuerrate wie Gatling-Maschinengewehre im Kaliber 7,62-mm-M134-Minigun mit bis zu 6.000 Schuss pro Minute oder 2-cm-Revolverkanonen M61 GAU-4 Vulkan, die als „Phalanx CIWS“ auf vielen Kriegsschiffen westlicher Marinen installiert sind und dort der Nahbereichsverteidigung gegen Raketen dienen.

Schließlich: Auch Einrohrwaffen wie die Rheinmetall SK-Max im Kaliber 35 mm mit einer Feuerrate von bis zu 1.000 Schuss pro Minute eignen sich aufgrund eines fortschrittlichen Feuerleitradars und einer hochentwickelten Munitionsart mit Annäherungszünder (Ahead-Wolfram-Geschosse) zur Abwehr aller Arten von Flugkörpern.

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 20. Juni erscheinenden Juli-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 254.


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