02. August 2025

Im Visier, die Waffenkolumne Drohnen

Markstein für den Krieg im 21. Jahrhundert

von Andreas Tögel

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Bildquelle: Barillo_Images / Shutterstock Drohnen: Markstein für den Krieg im 21. Jahrhundert

Im Laufe der Zeit gab es immer wieder tiefgreifende Umwälzungen in der Kriegsführung, die durch die Verfügbarkeit neuer Waffen bedingt waren. Ich denke dabei an die Einführung von Feuerwaffen nach der Erfindung des Schwarzpulvers, die das Ende des Rittertums bedeutete. Später machte das Maschinengewehr die bis dahin die Schlachtfelder beherrschenden Kavallerietruppen obsolet. Auch die Einführung von Panzern und Kampfflugzeugen zur Zeit des Ersten Weltkriegs veränderte die Art der Kriegsführung dramatisch. Gelenkte und ungelenkte Raketen und Nuklearwaffen bestimmen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die strategischen Überlegungen von Politikern und Militärs.

Seit den frühen 2000er Jahren gewinnen unbemannte, zum Teil schwer bewaffnete ferngelenkte Drohnen wie die US-amerikanischen MQ-1 Predator oder die MQ-9-Reaper zunehmend an Bedeutung. Letztere können eine Zuladung von mehr als 1.500 Kilogramm als Außenlasten mitführen – beispielsweise in Form von AGM-114-Hellfire-Luft-Boden-Raketen zur Panzerabwehr oder lasergelenkte Bomben vom Typ GBU-Paveway II. Seit einiger Zeit kommen auch mit KI ausgestattete, autonom zielsuchende Flugkörper immer stärker zum Einsatz. Spätestens seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 kann die Bedeutung dieser Waffen nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Im Unterschied zu den aufwendigen, schweren und teuren Drohnen wie die Reaper, deren Steuerung und erfolgreicher Einsatz ein umfangreiches Training voraussetzt, handelt es sich bei den im Ukraine-Krieg verwendeten Flugkörpern vielfach um einfache handelsübliche Drohnen mit begrenzter Tragfähigkeit und Reichweite, die, wie sich bereits gezeigt hat, dennoch großen Schaden anrichten können. Eine Zuladungskapazität von zwei Kilo reicht aus, um den mit einer Hohlladung ausgestatteten Gefechtskopf einer russischen Panzerfaust von Typ RPG-7 zu tragen und damit einen Kampfpanzer zu zerstören, wenn er an einer schwach gepanzerten Stelle (etwa von oben) getroffen wird. 

Zahlreiche russische Panzer gehen auf das Konto solcher ebenso einfacher wie billiger Systeme, deren Einsatz keine große Expertise voraussetzt. Wenn ein Kampfmittel im Wert von einigen Hundert Euro ausreicht, um einen millionenteuren Kampfpanzer auszuschalten, hat das einen erheblichen Einfluss auf die Kriegsführung.

Die nach 18-monatiger Vorbereitungszeit am 1. Juni 2025 von der Ukraine tief in Feindesland durchgeführte „Operation Spinnennetz“ ist ein Meilenstein in der Geschichte der Drohnenkriegsführung. Ob im Laufe dieser Operation – wie von ukrainischer Seite behauptet – 41 oder, wie US-Quellen berichten, zehn Flugzeuge der russischen Nuklearbomberflotte zerstört wurden, spielt eine wesentlich kleinere Rolle als die Lehren, die aus diesem Husarenstück gezogen werden müssen, von dem an den Militärakademien noch in vielen Jahren die Rede sein 

wird. „Spinnennetz“ hat veranschaulicht, dass ab sofort kein strategisches Ziel mehr, gleich ob ziviler oder militärischer Natur, vor Drohnenattacken sicher ist. Um Flugplätze, Häfen, Bahnlinien oder Energieversorgungsanlagen vor derartigen Angriffen zu schützen, werden gewaltige Schutzmaßnahmen notwendig. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die zwischen 1942 und 1945 geführte alliierte Luftoffensive gegen Deutschland, die zu großen Luftabwehranstrengungen zwang. Jeder dafür abgestellte Mann, jedes Jagdflugzeug und jede Kanone fehlten an der Front.

Nicht nur die Russen sind nun genötigt, sich gegen derartige Kommandoaktionen zu wappnen, auch die Nato wird sich verstärkt mit Fragen der Drohnenabwehr auseinandersetzen müssen. Schließlich werden auch die Maschinen der US-Atombomberflotte nicht mehr produziert. Der Verlust einer oder mehrerer Maschinen durch einen aus nächster Nähe erfolgenden Drohnenangriff wäre in absehbarer Zeit nicht zu ersetzen. 

First-Person-View-Drohnen (FPV-Drohnen) eignen sich wie kein anderes Gerät zum asymmetrischen Kampf. Sie markieren einen erneuten Wendepunkt in der Kriegsführung. 

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 25. Juli erscheinenden Aug.-Sep.-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 255.


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