17. Mai 2025
Nachruf auf Michael Kastner: Deutscher Libertärer der ersten Stunde
Zuletzt hatte er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen
von Stefan Blankertz

Schockiert erfuhr ich, dass Michael Kastner im März gestorben ist. Er wurde nur 62 Jahre alt. Den Lesern von eigentümlich frei der ersten Stunde wird Michael noch in Erinnerung sein als Autor der bitter-bösen Satire-Kolumne „KASTNER“. In der ersten dieser Kolumnen, eigentümlich frei war frisch zum Monatsmagazin geworden, 4. Jahrgang, Ausgabe, April 2001, schrieb er: „Programmierer kennen das Problem: NullPointerExceptions. So heißt eine Fehlerart in Java. In anderen Programmiersprachen gibt es analoge Fehler, die fast immer zum Crash der Anwendung oder gar zum Absturz des Systems führen. Dieses Programmverhalten tritt dann auf, wenn eine Variable beziehungsweise eine Stelle im Rechnerspeicher zwar einen Namen hat, aber nicht mit einem Wert belegt ist. Das heißt, sie wurde nicht initialisiert. Wenn so etwas passiert, dann weiß der Fachmann: Aha, hier hat der Programmierer geschlampt; das ist ein Bug! Im deutschen Liberalismus gibt es ein ziemlich ähnlich gelagertes Problem: die FDP – sie crasht regelmäßig.“ Das war 2001. 2001! Sage niemand heute, wir hätten es nicht gewusst, vor einem Vierteljahrhundert schon.
Ich lernte Michael Mitte der 1990er Jahre kennen, als ich das Gefühl hatte, der einzige deutsche Libertäre und Anarchokapitalist zu sein. Es war schier unglaublich, mit jemandem zu sprechen, der genau die gleichen Dinge für richtig hielt wie ich. In der Folgezeit organisierte er verschiedene Tagungen. André Lichtschlag sagte mir, dass er auf einer dieser Tagungen 1997 den Entschluss fasste, eigentümlich frei zu gründen, zunächst als Vierteljahresschrift. 1998 organisierte Michael Kastner zusammen mit Reinhard Stiebler und Guido Hülsmann die World Convention der legendären International Society for Individual Liberty in Berlin, und damit präsentierte sich zum ersten Mal eine deutsche libertäre Bewegung der Weltöffentlichkeit. Als André in diesem Aufwind 2001 den Schritt wagte, aus eigentümlich frei ein professionelles Monatsmagazin zu machen, zählte Michael zu den Kolumnisten. Im gleichen Jahr regte er mich dazu an, das „Libertäre Manifest“ zu verfassen, über dessen Aufbau und Inhalt wir lange miteinander diskutierten. Nachdem das Manifest in der eigentümlich frei erschienen war, organisierte er eine öffentliche Präsentation.
In den Folgejahren baute Michael „buchausgabe.de“ auf, einen Vertrieb liberaler, libertärer, marktwirtschaftlicher und anarchistischer Bücher, den er als Nischenanbieter eines speziellen Themenbereichs neben Amazon zu etablieren verstand. In den letzten Jahren zog er sich jedoch von allen politischen Aktivitäten zurück. Rest in peace, Michael.
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 24. April erschienenen Mai-Ausgabe, eigentümlich frei Nr. 252.
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