30. September 2024

Österreich hat gewählt Triumphiert am Ende der größte Verlierer?

Rufe nach „Brandmauer“ gegen die Freiheitliche Partei

von Andreas Tögel

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Bildquelle: Michael Lucan / Wikimedia Klarer Wahlsieger: FPÖ mit Parteichef Herbert Kickl

Kanzler Nehammer hat mit seiner Österreichischen Volkspartei (ÖVP), mit der er nach der letzten Wahl eine Koalition mit den Grünen gebildet hat, von denen er sich widerstandslos am Gängelband hat herumführen lassen, von den Wählern eine schallende Ohrfeige erhalten. Mehr als zehn Prozentpunkte Verlust – das ist beachtlich. 

Vorausgeschickt sei, dass die in der Folge genannten Wahlergebnisse auf den Hochrechnungen basieren, die um 19 Uhr des Wahltags verfügbar waren. Das amtliche Endergebnis wird vermutlich erst am 30. September vorliegen.

Eindeutiger Wahlgewinner, so viel ist jedenfalls sicher, ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die mit 29,1 Prozent Stimmenanteil erstmals bei einer Wahl zum Nationalrat Platz eins in der Wählergunst belegt. Auf Platz zwei landet die ÖVP mit 26,2 Prozent, die Sozialisten (SPÖ) fahren mit ihrem neuen Anführer Andi Babler mit 20,4 Prozent das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte ein, die Möchte-gern-Liberalen Neos landen mit 8,8 Prozent auf Platz vier und die Grünen kommen nach erheblichen Verlusten nur noch auf 8,6 Prozent.

Die kandidierenden Kleinparteien (die Bierpartei, die Kommunisten und die Liste Petrovic) schaffen die Vier-Prozent-Hürde nicht und kommen daher nicht ins Parlament.

So grotesk es auf den ersten Blick erscheinen mag, könnte es Karl Nehammer sogar gelingen, das Debakel seiner Partei am Ende noch in einen Sieg zu verwandeln – und im Kanzleramt zu verbleiben. Rechnerisch ergäbe eine Koalition mit der FPÖ eine bequeme Mehrheit. Allerdings hat sich der Kanzler vor der Wahl klar gegen eine Zusammenarbeit mit dem Chef der FPÖ, Herbert Kickl, ausgesprochen. Für die FPÖ steht indes fest, dass eine Koalition mit ihr nur unter Kickl infrage kommt. Eine blau-schwarze Regierungszusammenarbeit (wie es sie bereits gab!) scheint daher unmöglich zu sein.

Eine rechnerische Möglichkeit für die Bildung einer Zweierkoalition könnte sich auch für FPÖ und SPÖ bieten (das wird vom tatsächlichen Endergebnis abhängen). Da aber auch der Chef der SPÖ immer wieder betont hat, mit den Freiheitlichen nicht zusammenarbeiten zu wollen, kann man diese Variante wohl ebenfalls vergessen.

Somit bleiben nur noch Dreierkoalitionen übrig, die in jedem Fall eine Beteiligung der ÖVP zur Voraussetzung haben, da ohne sie keine Mehrheit zustande zu bringen ist. Eine Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos dürfte aus inhaltlichen Gründen nahezu ausgeschlossen sein – so sehr sich die Chefin der Letzteren, Beate Meinl-Reisinger, auch ein Ministeramt wünschen mag. Ob die ÖVP, die durch ihre Verbrüderung mit den Grünen in der aktuellen Koalition beim konservativen Teil ihrer Klientel massiv an Vertrauen verloren hat, erneut – diesmal noch dazu zusammen mit den Genossen unter deren oberpeinlichen Vorsitzenden Babler – eine Regierungszusammenarbeit anstrebt, scheint mehr als fraglich.

Fazit: Nach Feststellung der endgültigen Kräfteverhältnisse im Parlament stehen in den kommenden Wochen (oder gar Monaten?) vermutlich zähe Verhandlungen und Ränkespiele zwecks Bildung einer stabilen Regierung an.

Mit Spannung wird gleich zu Beginn erwartet, wen der von einer Allparteienkoalition gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer ins Amt gehievte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der in seiner Amtszeit immer wieder durch seine unübersehbare Parteilichkeit aufgefallen ist, mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Bislang war es ungeschriebenes Gesetz, dass der Chef der stärksten Partei den Regierungsauftrag erhält. Diesmal könnte erstmals in der Zweiten Republik von dieser Regel abgewichen werden, wie Van der Bellen bereits lange vor der Wahl hat durchblicken lassen.   

Für Unterhaltung ist jedenfalls gesorgt – zumindest für diejenigen, die an Veitstänzen im Zirkus der parlamentarischen Demokratie immer noch Gefallen finden.


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