24. September 2024
Konferenz der Property and Freedom Society 2024: Im Zeichen des Jubilars Hans-Hermann Hoppe
Eine rundum gelungene Veranstaltung im türkischen Bodrum
von Andreas Tögel
Die 19. Konferenz der von Hans-Hermann Hoppe ins Leben gerufenen „Property And Freedom Society“ (PFS) in Bodrum stand heuer im Zeichen des von ihm kürzlich begangenen 75. Geburtstages. Dass er dieses Jahr 75 Konferenzteilnehmer begrüßen durfte, ist vermutlich reiner Zufall.
Stephan Kinsella und Guido Hülsmann haben zum Anlass seines Jubiläums einen Sammelband mit dem Titel „A Life in Liberty – Liber Amicorum in Honor of Hans-Hermann Hoppe“ (siehe untenstehenden Link) herausgegeben, zu dem 41 seiner Freunde, Gesinnungsgenossen, Weggefährten und Kollegen Beiträge geschrieben haben. Im Rahmen einer zur Überraschung des Jubilars organisierten Abendveranstaltung, wurde ihm feierlich ein Exemplar der knapp 400 Seiten starken schriftlichen Hommage überreicht.
Auch heuer hat es der Hausherr wieder geschafft, interessante Persönlichkeiten als Referenten zu gewinnen, die ein breites Spektrum von Themen abdeckten. Anders, als man es vielleicht erwarten könnte, bildeten Fragen der Ökonomie keinen Schwerpunkt.
Zwei der Referate befassten sich mit einem für die libertäre Gemeinschaft derzeit überaus spannenden Thema, und zwar mit der neun Monate zurückliegenden Wahl des „Anarchokapitalisten“ Javier Milei zum Staatspräsidenten Argentiniens. Was war von dem charismatischen Mann mit der Kettensäge zu erwarten und was hat er bisher geschafft?
Der Schweizer Jurist David Dürr beleuchtete unter dem Titel „Was, wenn ich aufwachte und mich als Präsident Argentiniens wiederfände?“ die Aspekte eines Gemeinwesens, wie es von ihm selbst als radikalem Kritiker der Staatsidee organisiert werden würde. Anstatt der derzeit üblichen Top-down-Entscheidungsprozesse, die oft genug gegen den Willen der Wählermehrheit erfolgen, würde dem Bürger die volle Souveränität zurückgegeben. Freiwilligkeit anstatt Zwang, bei Abschaffung aller staatlichen Monopole. Stattdessen frei wählbare, konkurrierende Angebote aller derzeit vom Staat angemaßten Leistungen lautete dabei das Credo. Die Institutionen (Sicherheitsdienste, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen) würden nicht zerschlagen, sondern wettbewerblich privatrechtlich organisiert.
Der in Brasilien lebende Ökonom Antony Müller analysierte die „Bilanz der ersten neun Monate Javier Mileis Amtszeit“, die als „durchwachsen“ zu charakterisieren sind. Positiv hervorzuheben sind die deutliche Reduktion der Inflation (die allerdings immer noch bei über 200 Prozent (!) liegt), die Abschaffung einer Reihe von Preiskontrollen und Subsidien, die Verkürzung der Zentralbankbilanz, die Reduktion der Zahl von Staatsangestellten um etwa 30.000 und die Schaffung eines, wenn auch kleinen Budgetüberschusses seit Januar 2024.
Auf der Negativseite sind ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, der keineswegs gewonnene Kampf gegen die Inflation, eine weiterhin schwächelnde Wirtschaft, ein schwächer werdender Peso und die immer noch wachsende Auslandsverschuldung.
Nach den offiziellen Regierungsprognosen für 2025 sollen die Inflation bis zum Jahresende auf 18 Prozent sinken und das BIP um fünf Prozent wachsen. Bemerkenswert ist, dass die Zustimmung zur Politik Mileis – trotz schmerzhaft einschneidender Maßnahmen – im Steigen begriffen ist, und zwar besonders unter jungen Menschen.
Die Schlacht für ein libertäres Argentinien hat der neue Präsident also keineswegs schon gewonnen, zumal er mit vielen Sachzwängen konfrontiert ist, wie Philipp Bagus (dessen neues Buch mit dem Titel „Die Ära Milei“ dieser Tage erscheinen wird) in der nachfolgenden Diskussion feststellte. Zugeständnisse an die Armee (kollektive Beförderungen, Beschaffung neuer Waffensysteme aus den USA) erachtet der Präsident offenbar als nötig, um nicht schon zu Beginn seiner Amtszeit – also noch ehe alle Früchte seiner Politik für die Mehrheit der Argentinier erntereif sind – einem Coup zum Opfer zu fallen.
Hans-Hermann Hoppe kritisierte den Bruch von Mileis Versprechen, die Zentralbank abzuschaffen, ebenso scharf wie dessen Annäherung an die Nato („Wo ist Argentinien und wo ist der Nordatlantik?“), dessen Anbiederung an die USA und seine Solidaritätsbekundungen für die „verbrecherische Politik“ Benjamin Netanjahus in Gaza.
Ein Glanzlicht bildete der Vortrag von Jayant Bhandari, ein indischstämmiger Ökonom, Globetrotter und Investor, der das Thema „Indien verstehen“ gewählt hatte. Bei wohl keiner anderen Gelegenheit als bei einer PFS-Konferenz kann man einen derart auf erfrischende Weise politisch unkorrekten Beitrag hören. In seiner halbstündigen Philippika ließ der aus Bhopal stammende Mann kein gutes Haar an seinen Landleuten und deren Kultur. „Jeder hasst jeden, Korruption ist faktisch Staatsräson, ohne Bestechung geht gar nichts, Vertragserfüllung gilt, wie gesittetes Benehmen, als Schwäche und trägt einem nichts als Geringschätzung und Verachtung ein, überall Dreck und Gestank“ waren nur einige der Bestandteile seiner Brandrede. Die von den Briten nach Indien getragene Zivilisation sei inzwischen so gut wie wieder verschwunden – jetzt gelte dort erneut das Gesetz des Dschungels.
Selbst einigen eher hartgesottenen Teilnehmern der PFS blieb bei manchen Passagen des Vortrags die Luft weg, da doch im Westen vielfach des romantisierte Bild Indiens als freundliches Hippieparadies gezeichnet wird.
Bhandari lebt seit vielen Jahren in Singapur und besucht sein früheres Heimatland nur noch selten. In einem Gespräch mit seiner ihn begleitenden, aus Südchina stammenden Ehefrau wurden mir sämtliche der von ihm vorgetragenen Kritikpunkte bestätigt – ja, mehr noch: „Es ist in Wahrheit sogar noch schlimmer als geschildert.“ Fazit: Indien scheint als Urlaubsdestination oder gar als Lebensmittelpunkt für Auswanderungswillige nicht unbedingt die allererste Wahl zu sein.
Der kürzlich von Wien nach Zug in der Schweiz emigrierte Rektor des Scholarium, Rahim Taghizadegan, sprach zum Thema „Die Schweiz und ihre Bewohner verstehen“. Er erkennt in dem kleinen Alpenland zwar die gleichen negativen Entwicklungen wie im Rest Europas, meint aber, dass diese aus vielerlei Gründen langsamer ablaufen. Genau deshalb hat er – nicht zuletzt im Hinblick auf seine zwei kleinen Kinder – die Entscheidung getroffen, Österreich zu verlassen.
Der italienische Rechtsanwalt Alessandro Fussilo warf unter dem Titel „Liberalismus, Anarchismus, und Faschismus“ einen Blick auf die moderne Geschichte Italiens – ein Land, das über ebenso wenig liberale Tradition verfügt wie Deutschland oder Österreich.
Der in Madrid lebende Ökonom Philipp Bagus setzte sich in seinem Vortrag kritisch mit den rigorosen Corona-Lockdowns auseinander.
Der vormalige Chef des US-Mises-Instituts, Jeff Deist, sprach zu einer „Neuen Annäherung an Hans-Hermann Hoppes Kritik an einer Politik der offenen Grenzen“, die offensichtlich Konflikten aller Art den Weg ebnet.
Der Historiker und Autor Sean Gabb hatte diesmal zwei Auftritte: Einmal zum spannenden Thema „Der Fall der römischen Republik und was wir daraus für die Gegenwart lernen können“ und – hochaktuell – „Was ist los in Großbritannien?“. Nach dem von einem Afrikaner verübten Mord an drei Kindern und den daraufhin losgebrochenen Protesten hatte das Regime des linken Premierministers Keir Starmer nichts Besseres zu tun, als nicht etwa Messerstechern und Mördern, sondern den Demonstranten den Krieg zu erklären. Anstatt die körperliche Unversehrtheit unbescholtener Bürger zu schützen, konzentriert die Polizei ihre Aktivitäten auf das Durchforsten des Internets nach „ausländerfeindlichen“ Kommentaren und „Hassreden“. Gabb sieht die Gefahr eines Bürgerkrieges heraufziehen, ohne jedoch Aussagen zum Zeitpunkt dessen Beginns oder zu dessen möglichem Ergebnis treffen zu wollen.
Der Ökonom und „Mr. Bitcoin“, Saifedean Ammous, beschäftigte sich mit der Frage: „Können die Zinsen auf den Wert null fallen?“ Dabei ging er der Geschichte der religiös begründeten Verbote des „Zinswuchers“ und deren negativen Folgen auf den Grund.
Guido Hülsmann äußerte seine „Kritik an der Zwangsdemokratie“. Er stellte fest, dass die unheilvolle Allianz zwischen Herrscher (Regierung in der Demokratie) und akademischem Personal (das von den Steuergeldern lebt, das den produktiv Tätigen von der Regierung abgenommen wird) dazu führt, dass von dieser Seite keine Kritik am Status quo des demokratischen Wohlfahrtsstaates zu erwarten ist. Korrupte Akademiker singen unisono das Hohelied auf jene Zwangsdemokratie, die nur den Herrschenden und ihren Symbionten, nicht aber Bürgern und Steuerzahlern Nutzen stiftet.
Abschließend beschäftigte sich Thorsten Polleit mit „Immanuel Kants Aufklärung – eine der schärfsten Waffen für den Kampf der Libertären“ und forderte zu einer Rückkehr zum „selbständigen Denken“ und zu einer Abkehr vom „betreuten Denken“ auf.
Kurzum – sowohl Hans-Hermann Hoppe als auch die Konferenzeilnehmer konnten sich wieder über eine absolut gelungene Veranstaltung freuen!
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