27. Juni 2023

RezensionAndrea Komlosy: Zeitenwende

Corona, Big Data und die kybernetische Zukunft

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Die Wiener Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Andrea Komlosy unternimmt mit ihrem Buch „Zeitenwende“ vom August 2022 den Versuch, die historische Dimension der Corona-Krise nicht als Pandemie oder als Verschwörungsereignis einzuordnen, sondern sie strukturgeschichtlich zu begreifen. Leitbild ihrer Betrachtung ist dabei das Marx’sche Diktum vom Menschen, der sein eigenes Handeln stets nur an Vorgefundenem anknüpfen könne. Im gleichsam theoretischen ersten Abschnitt ihres Werkes differenziert Komlosy zunächst erläuternd zwischen Konjunktur-, Hegemonial- und Evolutionszyklen, um dann im zweiten Abschnitt die tatsächlichen Ereignisse der Corona-Jahre periodenbildend unter die definierten Kategorien zu subsumieren. Zur Erläuterung, warum nur Männer wie Raymond Kurzweil, Yuval Harari, Jeremy Rifkin oder Pierre Lévy sozialistische Utopien mit Cyberoptimismen vermählen, notiert Komlosy: Frauen werden im Kapitalismus wie auch im Realsozialismus „auf die Rolle der Reproduktion, Sorge und Pflege festgelegt“. Dies scheint jene Wirtschaftssysteme vom Leben in Höhlen zu unterscheiden, wo sie – dem generellen Binnen-I des Buches folgend – noch „JägerInnen und SammlerInnen“ sein durften. Dass die Pandemiebekämpfung die großen Philanthropen der Welt plan- und übungsgemäß bereichert hat, hält Komlosy für „in der Tat verblüffend“. Anne Bergmann und Ulrike Guérot zitierend, bezieht Andrea Komlosy dann allerdings deutlich Stellung gegen eine kritiklos technikgläubige Zukunftsverheißung: Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung müsse vom Einzelnen getragen werden. Und das Internet solle als Chance für mehr Basisdemokratie wirken. Bei aller Kritik im klimaschützenden Detail und unter Hintanstellung der für jedwedes Lesen anstrengend-persistierenden Innen-Stolperfallen ist das Buch eine informative Quelle zur historischen Orientierung. Und auch die Autorin bekräftigt: Die Corona-Disruption hat nicht nur gespalten, sondern auch neue Freundschaften gestiftet.


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