23. Februar 2023
RezensionHerbert Genzmer: Liquid
Thriller (Subkutan)
Der Verlag Solibro aus Münster brachte im vergangenen Jahr den Thriller „Liquid“ von Herbert Genzmer heraus. Der Begriff „Thriller“ leitet sich ab vom englischen Wort „thrill“, was so viel bedeutet wie Nervenkitzel. Anders als beim Krimi, bei dem es hauptsächlich um die Aufklärung eines Verbrechens geht, gibt es beim Thriller eine existenzielle Bedrohung für die Protagonisten und die Gesellschaft insgesamt. Auf rund 400 Buchseiten nimmt diese Bedrohung eine konkrete Form an in Gestalt eines krakenhaft ausgreifenden Staates, der mit der Bargeldabschaffung das Informationsmonopol über seine Bürger zu erlangen sucht. Die literarische Orchestrierung dieses Sujets hat etwas von apokalyptischer Endzeitstimmung. Dabei ist die Bargeldabschaffung selbst kein Fragment einer fernen Zukunft. Im Gegenteil. Bargeld verliert in Skandinavien etwa seit Jahren stetig an Bedeutung und spielt im Alltag kaum noch eine Rolle. So titelte am 3. Januar 2023 der Nachrichtensender ntv: „Es gibt nichts zu stehlen: Kein einziger Banküberfall in Dänemark 2022.“ Die Kehrseite der Medaille: „Heute keine Kartenzahlung“ – mit diesen Worten begrüßten am 24. Mai 2022 Läden wie Edeka, dm oder Aldi ihre Kunden, nachdem ein Softwarefehler die Kartenlesegeräte lahmgelegt hatte. Die Folge: Vor allem junge Leute stürmten die naheliegenden
Bargeldautomaten. Der Reiz des Buches von Genzmer liegt nicht nur in seiner Spannung und seinem Albdruck erzeugenden, phantasievollen Handlungsverlauf, sondern auch darin, dass der aufgeklärte Leser nach Ende der Lektüre der etablierten politischen Kaste noch mehr kritische Distanz entgegenbringen dürfte. Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588–1679) hat mit seinem mythologischen Seeungeheuer Leviathan das personifizierte Abbild eines nach Allmacht strebenden Staates entworfen. Das Buch von Genzmer knüpft hier an und führt dem Leser den perfiden und bösartigen Leviathan des 21. Jahrhunderts vor Augen. Ein Schelm, wer (nicht) Böses dabei denkt.
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