17. November 2022

RezensionWilhelm Hopf: Libertas. Jahrbuch für Meinungsfreiheit 1

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Das Jahrbuch versammelt eine reiche Vielzahl von Stellungnahmen und Beschreibungen zur Lage der Meinungsfreiheit in unserem Kulturkreis. Neben Zeitgenossen wie Wolfgang Kubicki und Heribert Prantl oder Noam Chomsky und Michael Esfeld kommen Klassiker wie Immanuel Kant und Karl R. Popper zu Wort. Verlag und Herausgeber provozieren den Leser, das Werk zu ergreifen und zu lesen, indem sie auf dem Titelblatt gleich Stalin und Goebbels erscheinen lassen. Der umrissene Zeitrahmen des Werkes und seine thematische Vielfalt stellen sich auf nur rund 400 Seiten so bunt und umfänglich dar, dass es schwerfällt, einzelne Aspekte auf knappem Gebiet herauszugreifen. Ulrich Schödlbauer berichtet, wie Jürgen Habermas einen zunächst angenommenen Buchpreis im Nachhinein wieder ablehnte. Walter Krämer schlägt den Bogen zur Geldpolitik und Günter Gaus wird mit seinen Worten zitiert, warum er Rudi Dutschke interviewte. Den eigenwilligen Weg von einer staatlichen zu einer „privat-öffentlichen“ Zensur fremder Meinungsäußerungen thematisiert Hans-Peter Rodenberg. Blickt man – angeregt durch die Zusammenstellung Wilhelm Hopfs – durch die Jahrhunderte des Streitens und Kämpfens um die Meinung, so wird bald schmerzlich bewusst, in wie langsamen Schritten die Menschheit begreift, welche technischen Vorteile sich daraus ergeben, die moralisch hochstehende Tugend zu leben, andere Menschen das aussprechen zu lassen, was sie für richtig halten, und sei es auch noch so falsch und abwegig. Eine „richtige“ Meinung bedarf zu ihrem Schutz keiner Verfassungsgesetze. Den Schutz des Gesetzes bedürfen nur störende Äußerungen oder solche, von denen die Mehrheit noch nicht weiß, dass sie inhaltlich zutreffend sind. Immer wieder ist allen Diskursteilnehmern nahezubringen: Den wirklichen Schutz braucht nicht die Meinung des anderen, sondern entscheidend ist die Meinungsäußerung. Denn das Hervortreten des Denkens macht es erst zum Gegenstand des sozialen Diskurses.


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