17. November 2024
Bürgerlicher Anarchismus: Politiker sind keine Gelegenheitsdiebe
Nein, Staaten agieren vielmehr sehr professionell im steten Raubgeschäft
von David Dürr
Gelegenheit macht Diebe, sagt man. Doch nebst Gelegenheitsdieben gibt es auch professionelle Diebe, die ihrem Handwerk mit Hingabe und Beharrlichkeit nachgehen, die echten Berufsstolz haben und sich in Standesorganisationen zusammen mit anderen Profis dafür einsetzen, die Qualität, die Reputation und den Nachwuchs der Diebstahlbranche zu befördern. Wie immer bei Berufsgilden werden damit auch Kartellzwecke verfolgt, etwa sich gegenseitig nicht ins Gehege zu geraten, und vor allem auch, den Kunden – will sagen: den Bestohlenen – nicht allzu sehr mit Rabatten und attraktiven Konditionen entgegenzukommen.
Eine besonders erfolgreiche Diebesgilde ist die EU.
Das zeigt sich zunächst bei den einzelnen Mitgliedern, also den EU-Staaten, die ihrem Diebeshandwerk mit einer Hingabe und Ernsthaftigkeit nachgehen, wie sie bei Gelegenheitsdieben nicht ansatzweise anzutreffen sind. So nehmen sie ihren Kunden – will sagen: den Steuerzahlern – nicht einfach deren Geld weg, sondern betreiben eine durchorganisierte Bürokratie zur lückenlosen Aufklärung darüber, bei wem wie viel geholt werden kann. Ihr bemerkenswerter Berufsstolz zeigt sich darin, dass sie ihr Diebeshandwerk nicht – wie Gelegenheitsdiebe – im Geheimen und bei Nacht verrichten, sondern bei Tageslicht in aller Öffentlichkeit, ja geradezu als offizielle Instanz der jeweils bestohlenen Landesbevölkerung.
Besonders interessant sind nun aber die Aktivitäten der internationalen Diebesgilde EU. Hier hat sich in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Dynamik entwickelt. Hatten sich früher die einzelnen Staaten bloß um ihre eigene Diebesbeute gekümmert und Steuerflüchtlinge aus anderen Ländern in Ruhe gelassen, so sind sie heute auf Weisung der EU verpflichtet, einander solche Steuerflüchtlinge zu melden; sozusagen als Akt der gegenseitigen Fairness unter ehrbaren Diebeskollegen.
Und nicht nur dies. Auch in ihrem jeweils eigenen Bereich – so das Anliegen der EU – sollen die Gildenmitglieder keinen Schlendrian aufkommen lassen. Sie weiß um die Versuchung ihrer Mitglieder, sich bei den Bestohlenen beliebt zu machen, indem sie ihnen weniger wegnehmen, als eigentlich geboten wäre. Und geboten ist nicht wenig, sondern viel. Stehlen und nichts anderes ist, was sich ziemt für einen pflichtbewussten Dieb. Dies ist seine heilige Pflicht.
Nun gab es da einen Dieb, der glaubte, sich über diese Pflicht hinwegsetzen zu können: Irland einigte sich mit Apple während einiger Jahre auf eine viel zu tiefe Diebstahlsquote, was der EU überhaupt nicht gefiel. Ihre harsche Aufforderung an Irland, das jahrelange Diebstahldefizit von immerhin rund 13 Milliarden Euro nachzustehlen, blieb zunächst erfolglos, weshalb die EU vor dem EU-Gericht klagte. Aber dessen erste Instanz erwies sich als ebenso pflichtvergessen wie Irland selbst und wies das Begehren der EU ab. Erst die oberste Gerichtsinstanz, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, hat nun dafür gesorgt, dass der heiligen Diebespflicht wieder Nachachtung verschafft wird. Es verurteilte Irland, Apple die 13 Milliarden nachzustehlen, und Apple, sich auch diesen Nachdiebstahl gefallen zu lassen.
Übrigens: Die Kosten dieses neutralen und unbefangenen EU-Gerichtshofs werden aus Steuereinnahmen der EU-Staaten finanziert.
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 18. Oktober erschienenen November-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 247.
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