16. Oktober 2024

Gute, wahre und schöne Gemälde Paul Cadden

Zeitgenössischer sozialer Hyperrealismus aus Großbritannien

von André F. Lichtschlag

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Bildquelle: KI: Dall-E 3 Wie sich ChatGPT Paul Cadden bei der Arbeit vorstellt.

Der Schotte Paul Cadden malt auf hyperrealistische Art, aber „anders“ als andere bereits in der Wahl der Materialien. Cadden malt nicht mit Öl oder Acryl, er nutzt Bleistift, Kohle oder Wasserfarben. Fast immer konzentriert sich der 1964 in Glasgow geborene Künstler auf besonders ausdrucksstarke menschliche Gesichter und überzeichnet diese emotionalen Porträts noch. Am ehesten erinnern seine Werke an den Österreicher und Iren Gottfried Helnwein, wobei Cadden weniger verstörend und eher „sozialer“ oder sozialkritisch arbeitet. Und irgendwie schottischer.

Auf unsere Frage, was ihn bei seiner Arbeit besonders inspiriert, betont Cadden sein „tiefes Interesse an den komplizierten Details des Alltags und der menschlichen Erfahrung“. Er sei „getrieben von dem Wunsch, die Realität mit detaillierter Intensität einzufangen und die Schönheit im Gewöhnlichen und das Außergewöhnliche im Alltäglichen hervorzuheben“. Besonderes fesselten ihn „die Feinheiten von Licht, Textur und Ausdruck“ – und genau diese Nuancen versuche er, auf seine Zeichnungen, von einer Fotovorlage ausgehend, „zu übertragen, geleitet von der Idee, das Normale zu intensivieren“.

Auf die Frage, welche Künstler ihn besonders beeinflusst hätten, nennt uns Cadden keinen einzigen zeitgenössischen Hyperrealisten, vielmehr die beiden Mexikaner Diego Rivera und David Alfaro Siqueiros, den Sowjetrussen Alexander Deineka sowie den Italiener Renato Guttuso, die alle im weiteren Sinne einen politisch engagierten sozialistischen Realismus vertraten. Auch in Caddens Werken stehen britische Vertreter der Arbeiterklasse im Mittelpunkt des künstlerischen Interesses.

Caddens bevorzugt die Materialien Graphit und Kohle einerseits und Aquarellfarben andererseits – und diese stehen sich in ihren Eigenheiten eigentlich konträr gegenüber. Scharfe kontrastreiche Schwarz-Weiß-Trennungen hier, fließfähige Transparenz und farbliche Schichtung und Vermengung dort. Cadden liebt beide Herausforderungen und schafft so eine einzigartige Werkreihe, in der gegensätzliche Maltechniken wie durch ein Wunder miteinander harmonieren und eine einzige künstlerische „Handschrift“ erkennen lassen. 

Wir fragten den außergewöhnlichen Maler und Zeichner von der Insel noch, warum er sich so sehr auf die Ausdruckskraft menschlicher Gesichter und deren Mimik konzentriere. Diese, so erklärt er, zögen ihn so stark an, weil sie „eine große Bandbreite an Emotionen und Geschichten vermitteln können. Jede Falte, jeder Schatten und jede Linie erzählen eine Geschichte aus dem Leben einer Person, ihren Erfahrungen und ihrer Reise.“ Paul Cadden finde „Inspiration in gewöhnlichen Momenten und alltäglichen Menschen, die sonst vielleicht unbemerkt bleiben würden. Ob es sich um einen flüchtigen Ausdruck von Freude, Trauer oder Kontemplation handelt, es gilt stets, die Essenz dieser Momente und die Menschlichkeit in ihnen einzufangen.“

Nicht zuletzt ist Caddens Arbeit inspiriert von einer starken Faszination für Medien und die Art und Weise, wie sie das Publikum manipulieren. Die dadurch heute vielfach vorherrschende Entfremdung und zuweilen auch den weitverbreiteten Zynismus versucht Cadden durch „die Illusion neuer, glaubwürdigerer und lebensechterer Realitäten“ zu konterkarieren. Er definiert Kunst als das Eingießen persönlicher Subjektivität in ein Objekt in der Hoffnung, dass andere Personen Freude daran haben.

Werke von Paul Cadden sind erhältlich über die fabelhafte, auf Hyperrealismus spezialisierte Plus One Gallery in London.

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Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 27. September erschinenen Oktober-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 246.


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