27. Januar 2024
Turbulente Zeiten: Der Staat hat fertig
Gute Meldungen finden sich erst ab Seite drei
In diesen stürmischen Zeiten ist die Stimmung bei vielen sehr volatil, schwappt zuweilen wie Ebbe und Flut zweimal täglich auf und nieder ob der Fülle der zum einen vermeintlich schlechten und zum anderen rar gesäten guten Nachrichten. Man sollte sich von den teilweise gefälschten und immer selektierten Bildern sowie von erlogenen Zahlen der Propaganda der sozialistischen Einheitsparteien nicht beirren lassen. Die guten Meldungen druckt die Zeitung gerne auf den hinteren Seiten. Beispielsweise stolperte ich kürzlich über einen Artikel in Springers „Welt am Sonntag“, der mir für mehrere Tage ein Lächeln ins Gesicht zauberte. „Die Flut an Steuererklärungen bremst die Finanzämter aus“, triggerte mich die Titelzeile und im Text ging es weiter mit: „Deutschlands Finanzämter kommen mit der Bearbeitung der Steuerbescheide nicht hinterher“ und „Die Politik zwingt seit Jahren immer mehr Leute in die Steuerpflicht, gleichzeitig geht die Digitalisierung in der Finanzverwaltung nur schleppend voran“, sagte der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft.
Im Durchschnitt brauchen die Finanzämter nunmehr 57 Tage, um eine Steuererklärung zu bearbeiten. Als Gründe werden die sogenannte Pandemie, die sogenannte Grundsteuerreform und die schleppende Digitalisierung vorgebracht. Digitalisierung? Ach ja, das ist ja diese Zauberei, die uns in wenigen Jahren unendlich viel Freizeit bescheren wird. Der öffentlich-rechtliche Hofnarr Richard David Precht phantasiert ihretwegen schon seit geraumer Zeit von Massenarbeitslosigkeit, die uns allesamt böse heimsuchen wird. Wenn wir nun schnell noch ein paar Programmierer aus Bangalore einbürgern, müssten die bürokratischen Mühlen wieder wie geschmiert laufen, oder?
Nein, glücklicherweise nicht. Was wir hier live und in Farbe beobachten, ist nichts anderes als ein Symptom der sich immer schneller potenzierende Dysfunktionalität des Staatsapparates. Jedes Jahr kommen Berge von neuen Gesetzen, Verfügungen, Verordnungen und so weiter dazu. Kein Mensch und selbst der emsigste Sachbearbeiter (der ja in diesem System ohnehin als „Duschnutte“ verhöhnt und ausgebremst wird) kann sie mehr verstehen. Es ist unmöglich, aus der Vogelperspektive abzusehen, wie sich die einzelnen Tropfen im Meer der Bestimmungen untereinander aufheben und widersprechen. Auf der anderen Seite erfolgt die Krankschreibung bei Unlust, „Überlastung“ oder „Laus über der Leber“ heute per Anruf. Weil auch das sogenannte Gesundheitswesen in großen Teilen die Grenzen der Funktionalität bereits überschritten hat, bleiben lästige Simulanten und Hypochonder besser gleich zu Hause. Das haben sie in den letzten Jahren perfektioniert.
Aber es ist nicht nur die Finanzverwaltung, die gefühlt nicht mehr arbeitet. Ein Grund für die Proteste der Landwirte ist die Unfähigkeit des Staates, namentlich der Landesregierungen, die EU-Agrarprämien fristgerecht auszuzahlen. Die Berechnung sei zu kompliziert, heißt es. Auf Deutsch: zu anspruchsvoll für die vielen grünen Namenstänzer, die sich in den Landwirtschaftsministerien mittlerweile eingenistet haben. Ein Bekannter von mir wartet seit neun Monaten, dass sein Bauantrag, den er für einen simplen Anbau stellen musste, bearbeitet wird. Mit zunehmender Größe des Staates, mit der Akkumulation von Aufgaben, die allein eine arrogante Anmaßung und Bevormundung der Bürger widerspiegelt, wächst die Beschäftigung – ich mag hier nicht von Arbeit sprechen – mit sich selbst im Quadrat.
Es liegt in der Natur von Staaten, dass sie wachsen. Ihre Protagonisten streben stetig nach mehr Macht, und sie stillen ihren Durst, indem sie entweder ihren territorialen Einflussbereich, zum Beispiel das Staatsgebiet, erweitern oder ihr eigenes Volk, in einer Demokratie der Souverän, durch Bevormundung entmachten.
Ludwig von Mises prägte das Bild der Interventionsspirale, die sich naturgemäß immer schneller dreht, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, dass der Staat in das freie Handeln der Bevölkerung eingreift. Je mehr negative Auswirkungen aufgrund staatlicher Eingriffe durch weitere staatliche Eingriffe „geheilt“ werden, desto mehr negative Auswirkungen dieser neuen Interventionen, (die den alten Missstand beheben sollten) werden wiederum zu heilen sein. Mises’ Interventionsspirale hat einen Schatten. Einer DNA-Doppelhelix gleich hat diese Spirale zwei Stränge, denn die Dysfunktionalität läuft parallel zur Intervention. Je schneller sich die Interventionen drehen, desto schneller schraubt sich auch die Dysfunktionalität wie ein Korkenzieher in das Fleisch des Staatsapparates. Der Odem von Fäulnis und Verwesung entweicht, dann tritt des Staates Lebenssaft aus und versickert: Die guten, engagierten und wertschöpfenden Menschen verlassen das Land. Andere rufen ihren Arzt an und bekommen dann beispielsweise Sehnenscheidenentzündung oder Long Covid.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann das jedem Staatsgebilde inhärente Krebsgeschwür, die Dysfunktionalität, den Staat zu Tode gewuchert hat. Wir beobachten bereits das Absterben einzelner Zellen und Körperteile, wenn die Staatsmacht sich beispielsweise aus Problemgebieten wie Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marxloh zurückzieht. Aber auch wenn der Rechtsstaat erodiert, wie es in den letzten Jahren für jeden sichtbar wurde, ist es eine stückweise Verwesung des Staatswesens.
Wir können diese Prozesse – jeder für sich in kleinem Maße oder, wenn wir uns verbinden, merkbarer – beschleunigen. Und jeder ist dazu eingeladen, auf seine Weise Sand ins Getriebe zu streuen und dem Willen seines starken Armes zu folgen, bis endlich alle Staatsräder stillstehen.
Falls Sie davon gelegentlich ermüden, sich ausgelaugt und kraftlos fühlen, Sie der Blues schwarz eintrübt und Sie denken, die anderen sind viel, viel, viel mehr, suchen Sie in der Zeitung nach den guten Nachrichten auf Seite drei und fortfolgenden.
Oder googeln sie das Wort „dysfunktional“. Für den Libertären eröffnet sich sogleich ein riesiges Spektrum an sehr guten Nachrichten.
Link zum zitierten Fröhlichmacher
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Kommentare
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