18. September 2023
Waidmannsheil!: Wenn die Wildsau aus dem Unterholz kommt
… und die alten Töne grunzt
von Kurt Kowalsky

Jäger und Jägerinnen beiderlei Geschlechts werden es nachempfinden können: Die Wildschweinjagd erfolgt meist beim Ansitz, auf der Pirsch oder im Rahmen von Bewegungsjagden. Und kommt dann die Wildsau aus dem Unterholz und verkündet, die Jagd sei beendet, können die Jagenden ihr ganzes Equipment einpacken und nach Hause trotten.
Wenn Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, diese Geschichte etwas abstrus vorkommt, kann ich das verstehen. Ich muss zugeben, dass ich von der Jagd auch keine Ahnung habe. Hätte ich kein Geld, aber Hunger, würde ich eher Kartoffeln klauen, als im Wald zwischen den ganzen Räubern eine Sau erlegen zu wollen.
Zurück zum Unterholz. Die derzeit amtierende Bundesregierung, repräsentiert durch die Herren Scholz, Habeck und Lindner, hat seit Dezember 2021 über 100 Gesetze auf den Weg gebracht und verabschieden lassen, weitere eingebracht und nichts ausgelassen, das Land, von dem sie laut Amtseid Schaden abwenden sollte, zu gefährden, zu verunsichern, die Konkurrenzfähigkeit der Industrie zu mindern und die Betroffenen zu verhetzen, zu belehren, zu verhöhnen und auszulachen.
Während der kleine Unternehmer still bankrottgeht, sich der gewöhnliche Hausbesitzer verschuldet, der Mieter wohl oder übel die Erhöhungen der Nebenkosten trägt, sich der Sozialschmarotzer fragt, ob er für seinen getunten und geleasten Sportwagen noch das Benzin bezahlen kann, sind die großen Wirtschaftsbosse zu der Erkenntnis gekommen, dass sie wohl ihre Produktion ins Ausland verlagern müssen, wollen sie wenigstens einen Teil ihres Kapitals retten.
Wer nicht ins Ausland flüchten kann, wird – wie in Berlin – von Enteignung bedroht. Die durchweg gepflegten Mietwohnungen der privaten Wohnungsbaukonzerne waren dem verhetzten links-grünen Plebs schon lange ein Dorn im Auge. Ihr Ziel ist der Wohnungsbau nach stalinistischem Vorbild: die Wände so dünn wie Schranktüren, die Fenster aus gelbem Plastik und die Treppenhäuser vollgepisst. Und so wundert es nicht, dass zuletzt die Bauanträge in Berlin um 14 Prozent zurückgegangen sind.
Zuerst leise, dann immer vernehmlicher hörte man bald
die Jagdhornsignale. Besonders im Osten des Landes, in dem die Menschen schon
30 Jahre auf das ihnen versprochene Blühen der Landschaften warten, wurde
das Jagdhorn unverzichtbar, besonders bei Gesellschaftsjagden, da es weithin zu
hören ist, auch dort, wo Mobiltelefone keinen Empfang haben.
Und dann gab es doch tatsächlich einen großen Knall. Das die Horde anführende
Wildschwein trat aus dem Unterholz und verkündete die Jagd für beendet.
Erklärten nun die Wildsauen, mal etwas auf den Feldern wachsen zu lassen, nicht alles sofort wieder unterzupflügen, die Leute nicht mehr zu bedrohen und anzugreifen? Natürlich nicht! Aus dem Unterholz grunzten die alten Töne, die jeder ältere Naturfreund seit Dekaden alle zwei Jahre in schöner Regelmäßigkeit hört: gemeinsame Kraftanstrengung! Ein paar Milliarden für die eigene Klientel! Das Grüßen des alten Hutes auf neuer Stange! Und last, but not least: Bürokratieabbau.
Nach ersten statistischen Berechnungen haben 75 Prozent der noch nicht bankrotten Handwerker einen Lachanfall bekommen, und drei Prozent sollen daran verstorben sein. 95 Prozent aller Bauunternehmer erlitten ein Schleudertrauma, und im Waldfriedhof in Rhöndorf soll sich in der Nacht das Ehrengrab von Altbundeskanzler Adenauer geöffnet haben, und der Alte (gestorben 1967) spukt seitdem über die Gräber und belästigt mit dem Ruf „Das war mein Vorschlag“ die Friedhofsbesucher.
Dass das politische Gesindel lügt, wenn es das Maul aufmacht, hat sich seit 1918 herumgesprochen. Hätte sich Olaf Scholz erdreistet zu versprechen, er wolle die Gravitationskonstante verbiegen, hätte ich keinen Artikel geschrieben. Doch zu versprechen, die Bürokratie in diesem Land abzubauen, ist eine derart unverfrorene, dreiste Lüge, dass es einem den Boden unter den Füßen wegzieht.
Nach dem Philosophen Leibniz leben wir in den besten
aller Welten, weil auch Gott gegen die Kausalität machtlos sei.
In einem Land in dem 1.773 Bundesgesetze mit 50.738 Paragraphen und
2.795 Bundesrechtsverordnungen mit 42.590 Paragraphen gelten, ein
Land, das seine Autonomie an eine überstaatliche Organisation veräußert hat, die
umgehend mit 34.000 Rechtsakten, Richtlinien und Verordnungen auch die letzte
kommunale Regung erstickt, baut auch kein allmächtiger Gott die Bürokratie ab.
Sie ist elementar wie der Schimmel im Mauerwerk der durchschnittlichen
Sozialbauwohnung. Auch wenn das Volk morgen hungern müsste, keiner dieser
Mitesser und Schmarotzer, keiner ihrer Zuträger und Helfershelfer würde nur ein
Lot von den ihm so liebgewonnenen Formularen abweichen.
Aber das wäre alles halb so schlimm. Tüchtige Menschen können sich auch daran gewöhnen, in einem Wust von Papier zu arbeiten und irgendwann die verquere Logik der Anforderungen zu verstehen und sich entsprechend einzurichten. Nur an die Willkür kann man sich nicht gewöhnen. An den Umstand, dass ungelernte, charakterlich fragwürdige Figuren durch das Heben ihrer faulen Hand quasi im Wochentakt ständig mit neuen schikanösen Vorschriften und Verordnungen kommen, kann man sich nicht gewöhnen. Es zerstört das elementare Vertrauen des geregelten Zusammenlebens.
Ein Glück für uns und den Erdkreis, dass Bundeskanzler Scholz an den Oppositionsführer Friedrich Merz appellierte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Merz ist diese grundehrliche Wildsau, die vor 20 Jahren damit Wahlkampf machte, dass es möglich sein müsse, die Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen zu können. Auch Merkel, dann Bundeskanzlerin, setzte sich für eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts ein. Da hat ja Scholz die richtigen Partner gefunden. Ehrlich!
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