23. Februar 2023
RezensionAnthony de Jasay: Der indische Seiltrick
Und die soziale Gerechtigkeit
Anthony de Jasay (1925–2019) war ein ungarischer Ökonom und Philosoph, der nach einem Oxford-Studium auch als Bankangestellter und Anlageberater in Europa und den USA gearbeitet hat. Das vorliegende Buch enthält eine Sammlung verschiedener Essays, die von Burkhard Sievert übersetzt wurden. Sievert ist auch Herausgeber. Hauptinhalt des Buchs ist die Moraltheorie, wobei sich de Jasay eng an Hume anlehnt. Im Mittelpunkt der Texte stehen Fragen der Gleichheit versus Ungleichheit und der „sozialen Gerechtigkeit“, wobei hier vertieft wird und der Autor auf die „materielle“, „distributive“, „austeilende“ oder auch die „verteilende“ Gerechtigkeit eingeht. Hauptkritik ist, dass die Verteilung nicht von der Produktion getrennt betrachtet werden könne, Produktion und Verteilung fänden vielmehr gleichzeitig statt und seien voneinander abhängig. Es verbleibe kein „Rest“, der umverteilt werden könne. Der Begriff „soziale Gerechtigkeit“ wird kritisch hinterfragt, da er ja impliziert, dass die aktuelle Verteilung „sozial ungerecht“ sei. Was aber ist sozial ungerecht? Dafür gibt es keine allgemein verbindlichen Regeln, weshalb ein Zustand der „sozialen Gerechtigkeit“ niemals erreicht werden könne. Breiten Raum nehmen im Buch auch Diskussionen zu den „Vertragstheorien“ von Locke, Rousseau und Rawls ein. Weitere Fragethemen sind: Wer bewacht die Wächter? Können Chancen gleich sein? Welche Legitimität haben Mehrheitsentscheidungen (die athenische Demokratie bevorzugte das Los)? Woher bekommen Gesetze ihre Autorität?
Faszinierend: Die Ausführungen zum Flötenproblem nach Amartya Sen: Wem gehört die Flöte – der Herstellerin, der Flötistin oder dem armen Jungen, der sich kein anderes Spielzeug leisten kann? Durchzogen werden alle Essays von der Kritik am sprachlich verunreinigten politischen Denken. „Es bedarf eiserner Disziplin, um die Angelegenheiten von Wahrheit und Falschheit von den Angelegenheiten des Glaubens zu trennen, und Wunschdenken ist natürlich oft die Quelle des Glaubens.“
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