03. Dezember 2015
Europäische Einlagensicherung: Wenn falsch, dann richtig
Am Ende haftet der deutsche Steuerzahler
von Gérard Bökenkamp

Zwischen Deutschland und der EU-Kommission gibt es Streit. Es
geht um die europäische Einlagensicherung. Die EU-Kommission plant bis 2024 ein
einheitliches System, das die Guthaben in den Geldinstituten im Euro-Raum
gemeinschaftlich absichern soll. Für die EU-Kommission ist das nach der
gemeinsamen Bankenaufsicht und dem Abwicklungsmechanismus die dritte Säule der
sogenannten Bankenunion. Zwischen 2017 und 2020 soll die europäische Einlagensicherung
nur dann einspringen, wenn die nationale Einlagensicherung versagt. Ab dem Jahr
2020 sollen dann die nationalen und die europäischen Einlagensicherungen
gemeinsam die Einlagen garantieren, der Anteil der europäischen
Einlagensicherung soll dann von Jahr zu Jahr anwachsen. Ab dem Jahr 2024 soll
dann der EU-Topf alleine für die Einlagensicherung zuständig sein und über ein
Kapital von 43 Milliarden Euro verfügen.
Die europäische Richtlinie von 1994
Die Geschichte der europäischen Einlagensicherung reicht in die 90er Jahre
zurück. Im Jahr 1994 wurden in einer Richtlinie der EU Mindestanforderungen
an die nationalen Einlagensicherungen eingeführt. Diese Mindestanforderungen
wurden mit der Niederlassungsfreiheit für Kreditinstitute innerhalb der EU
begründet. In der Begründung heißt es: „Die Beibehaltung von Systemen, die den
Einlegern eine über der harmonisierten Mindestdeckung liegende Sicherung
anbieten, kann in ein und demselben Hoheitsgebiet zu unterschiedlich hohen
Entschädigungen und zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für inländische
Institute einerseits und Zweigstellen von Instituten aus einem anderen
Mitgliedsstaat andererseits führen.“
Die Harmonisierungsideologie beherrscht die europäische Bankenregulierung
Die EU-Kommission gab von Anfang an der Harmonisierung den Vorrang vor dem Wettbewerb. Einen Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten und zwischen den nationalen Systemen darum, wer für die Sparer das größte Maß an Sicherheit anbietet, sollte es nach dem Willen der Kommission nicht geben: „Die Höhe und der Umfang der Deckung, die von Sicherungssystemen angeboten werden, sollten nicht zu einem Instrument des Wettbewerbs werden.“
Diese Richtlinie hat offenbar nicht dazu beigetragen, das europäische Finanzsystem zu stabilisieren, sondern vielmehr zu falschen Anreizen geführt. Das hindert die EU-Kommission aber nicht daran, an ihrer Harmonisierungsideologie festzuhalten und mehr vom Falschen umzusetzen. Die letzte Richtlinie der EU-Kommission vom Sommer 2014, die bis zum Sommer 2015 umgesetzt werden sollte, ging noch stärker in Richtung Vereinheitlichung. Diese Richtlinie „stellt weitergehende harmonisierte Anforderungen an die nationalen Einlagensicherungssysteme“ (Bundesfinanzministerium).
Historische Beispiele für erfolgreichen Wettbewerb um Einlagensicherheit
Genau in dieser Philosophie sind viele Fehlentwicklungen begründet, die seitdem im Finanzsystem entstanden sind. Wie Studien über Freebanking-Systeme zeigen, ist es gerade der freie Wettbewerb darum, das Sicherheitsbedürfnis der Kunden zu befriedigen, das zu höheren Reserven und weniger spekulationsfreudigen Banken führt.
Ein gut untersuchtes Beispiel ist etwa Schweden. Von den 1830er Jahren bis nach der Jahrhundertwende besaß Schweden ein Freebanking-System. Das heißt, der Staat garantierte die Einlagen der Kunden überhaupt nicht. Das Bewusstsein für das Risiko des Verlustes von Einlagen bei den Kunden führte dazu, dass Banken Reserven von über zehn Prozent und bis zu 20 Prozent hielten. Ein Anteil, der nach heutigen Maßstäben geradezu astronomisch hoch ist. Große Bankenkrisen hat es in dieser Phase nicht gegeben. Bankenpleiten haben interessanterweise in dem Maße zugenommen, in dem die Illusion geschaffen wurde, es könne sie nicht geben. Das spricht dafür, dass wenigstens ein Wettbewerb zwischen nationalen Sicherungssystemen zugelassen werden sollte.
Mehr Moral Hazard und die Schwächung funktionierender Systeme
Dass europäische Regelsysteme den Wettbewerb nicht ersetzen können, zeigt
der Umstand, dass von den 28 Mitgliedsstaaten bis zum Juli 2015 nicht einmal
die Hälfte die bereits beschlossenen Maßnahmen wie vorgesehen umgesetzt haben.
Es ist absehbar, dass bei der Einführung einer europäischen Einlagensicherung
zwar deutsche Kreditinstitute und wohl auch der Steuerzahler mit haften werden,
aber die Auflagen, die die Fälligkeit dieser Haftung verhindern sollen, in der
EU wieder einmal nicht eingehalten werden. Wie Hans F. Bellstedt in seinem
Beitrag für Open Europe Berlin festgestellt hat, nimmt die europäische Einlagensicherung
den Druck zu grundlegenden Reformen und Anpassungen und unterminiert das
bestehende funktionierende Einlagensicherungssystem in Deutschland.
Am Ende haftet der deutsche Sparer und Steuerzahler
Die entscheidende Frage stellt Raoul Ruparel von Open Europe UK in seiner Analyse der Kommissionsvorlage: „Who is backing all this?“, „Durch wen wird das Ganze gedeckt?“ Mit den bis 2024 vorgesehenen Rücklagen der Einlagensicherung von 49 Milliarden Euro wird sich bei faulen Krediten von 900 Milliarden Euro im europäischen Bankensystem im Falle einer wirklichen Bankenkrise in einem großen EU-Staat nicht viel ausrichten lassen. Das wäre der berühmte Tropfen auf de heißen Stein. Die entscheidende Frage lautet, wer würde im Notfall einspringen, wenn diese Mittel nicht ausreichen?
Eine Antwort darauf gibt Wolfgang Münchau in seinem Beitrag auf Spiegel Online: „Die Bankenunion ist ebenfalls ein verdeckter Ausgleichsmechanismus. Die deutsche Kritik an der geplanten gemeinsamen Versicherung für Spareinlagen ist oberflächlich korrekt. Natürlich wird der überschüssige deutsche Sparer die defizitären südeuropäischen Banken und ihre Rettung mitfinanzieren.“ Das bedeutet, dass letztendlich der deutsche Steuerzahler am Ende als Garant für die Spareinlagen in Deutschland und Europa herhalten muss.
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog von Open Europe Berlin.
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