26. November 2025
RezensionStefan Blankertz: Gegen den Strich gelesen
12 überraschend freiheitliche Denker
Eher nebenbei hat Stefan Blankertz eine Sammlung von Kurzaufsätzen zu großen Denkern der Ideengeschichte in der Edition Sandwirt veröffentlicht. Im Stil von Rezensionen wird das jeweilige Gesamtwerk von Hobbes, Pinker, Rousseau, Hegel, Marx, Adorno, Marcuse, von Aquin, Kropotkin, Bourdieu, Reich und Derrida kritisch hinterfragt. Die Herangehensweise ist immer gleich. Es wird die herrschende Sichtweise über den jeweiligen Denker hergenommen und mit den originalen Schriften verglichen. Exemplarisch greife ich Karl Marx heraus. Blankertz verblüfft mit dem Fazit, dass Marx kein Etatist gewesen sei und auch nicht als „Marxist“ gelten könne. In seinen Werken findet man wenige Hinweise darauf, dass der Staat die Menschheit retten werde. Stattdessen diese Zitate: „Schluss mit dem stehenden Heer, der Quelle für Besteuerung und Staatsschulden“ (Marx-Engels-Werk 17, Seite 544); „Abschaffung der unproduktiven, schädlichen Tätigkeit der Staatsparasiten, denen ein riesiger Anteil des Nationalprodukts für die Sättigung des Staatsungeheuers zum Opfer gebracht wird“ (MEW 17, Seite 546); „Abschaffung von Staatsschulden, Steuerwucht (die zum Ruin kleiner Bauern, Bürger und Handwerker wird) und Protektion“ (aus Das Kapital, MEW 23, Seite 782ff). Auch „dass es eine sozialistische Übergangsphase mit einer Staatshandelswirtschaft“ gebe, „davon findet sich bei Marx (fast) kein Wort. Viel wahrscheinlicher ist, dass er als Theoretiker davon überzeugt war, nur der Kapitalismus sei in der Lage, den Überfluss zu erzeugen, der zur Realisierung des Kommunismus notwendig ist.“ Neu für mich war Jacques Derrida, der als Philosoph der Postmoderne und Erfinder der Dekonstruktion gilt. Dessen Philosophie ist wider den Zeitgeist gerichtet. Ihr geht es um die Erhaltung von Vaterschaft, Gast- und Weiblichkeit sowie dem Wunder der Familie. Im Gegensatz zu den Verfechtern der Staatlichkeit, die immer mehr öffentliche Gewalt einsetzen wollen, um private familiäre Räume immer weiter einzuhegen.
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