19. Oktober 2025
EinBlick: Stablecoins als Inflationsmacher
Über einen neuen Stern am Kryptomarkt
von Thorsten Polleit

Stablecoins sind der Neueste Schrei. Zwar wurden die ersten bereits im Jahr 2014 ausgegeben, sie bekommen nun aber durch den US-amerikanischen „Genius Act“, der am 17. Juli 2025 verabschiedet wurde, wirklich Rückenwind.
Fragen wir zunächst: Was sind Stablecoins? Stablecoins sind handelbare, liquide „Token“, die einen hinterlegten, unterliegenden Vermögenswert repräsentieren, beziehungsweise die ein konstantes Austauschverhältnis zu dem ihnen zugrunde liegenden Vermögenswert in Aussicht stellen. Man kann sie deshalb als so etwas wie „Geldsubstitute“ bezeichnen.
Stablecoins lassen sich in verschiedene Typen unterteilen. Es gibt Stablecoins, die durch eine Fiat-Währung wie US-Dollar, Euro oder andere gedeckt beziehungsweise im Verhältnis eins zu eins an sie gekoppelt sind. Als Deckung dienen dabei Bankgiroguthaben und kurzlaufende Staatsanleihen in Fiat-Währungen. Beispiele sind Tether, USDCoin und TrueUSD. Kryptogesicherte Stablecoins sind durch Kryptowährungen wie Ethereum oder Bitcoin gedeckt, oft überbesichert, um Preisschwankungen auszugleichen. Ein Beispiel ist DAI (gesichert durch ETH oder andere Kryptos).
Bei algorithmischen Stablecoins werden Marktangebot und -nachfrage per Computerprogramm gesteuert, um ihren Preis in beispielsweise US-Dollar stabil zu halten. Beispiele sind TerraUSD (UST, vor dem Zusammenbruch) oder Ampleforth (AMPL). Rohstoffgesicherte Stablecoins sind mit Gold oder Silber hinterlegt. Beispiele dafür sind Tether Gold (XAUT) und Pax Gold (PAXG).
Stablecoins werden von privaten Firmen ausgegeben und auf öffentlichen oder privaten Blockchains gespeichert und gehandelt. Die Nachfrage nach Stablecoins hat verschiedene Gründe: Zahlungen abzuwickeln, Smart Contracts abzubilden, Kryptos zu handeln et cetera.
Wer nun aber meint, Stablecoins, die mit Fiatgeld gedeckt sind, seien „besseres Geld“, der muss sich wohl eines Besseren belehren lassen. Die Kaufkraft solcher Stablecoins steht und fällt mit dem Fiatgeld: Inflationieren die Zentralbanken US-Dollar, Euro und Co, entwerten auch die Stablecoins, die auf US-Dollar, Euro und Co basieren. Zudem stabilisieren sie das Fiatgeldsystem. Kaufen die Privaten Stablecoins, bleibt die Nachfrage nach dem unterliegenden Fiatgeld erhalten: Der Stablecoin-Nachfrager reduziert zwar seine Nachfrage nach Fiatgeld, der Stablecoin-Emittent erhöht sie jedoch in gleichem Umfang.
Es kommt allerdings noch schlimmer: Fiatgeldbasierte Stablecoins bergen ein gewaltiges „autonomes Inflationspotenzial“. Der Grund: In Amerika ist es erlaubt, dass Stablecoin-Emittenten die ausgegebenen Token mit kurzlaufenden Staatsanleihen decken. Das Ergebnis ist das Folgende: Der Stablecoin-Emittent kauft mit den Stablecoins, die er gegen US-Dollar verkauft hat, einjährige Anleihen, ausgegeben von der US-Regierung. Letztere gibt die erhaltenen Greenbacks aus – für Löhne, Sozialtransfers, Aufträge an Firmen et cetera. Dadurch steigt insgesamt der Zahlungsmittelbestand in der Volkswirtschaft: Nicht nur die US-Dollar sind jetzt für Nachfragezwecke verfügbar, sondern auch die neu erzeugten Stablecoins; in der Wirkung kommt das Ganze einem Ansteigen der Umlaufgeschwindigkeit für US-Dollar-Bankguthaben gleich, was in der Folge die Güterpreise verteuert.
Die Volumina, um die es hier geht, sind gewaltig. Schon heute beträgt die Kapitalisierung des Stablecoin-Marktes etwa 280 Milliarden US-Dollar. Allein in den Vereinigten Staaten können etwa 16,5 Billionen US-Dollar (das sind etwa 75 Prozent der US-Geldmenge M2) potenziell in Stablecoins verwandelt werden, und das entspräche etwa der Hälfte der ausstehenden US-Staatsschuld in Höhe von etwa 37 Billionen US-Dollar. Als ganz grobe Daumenregel gilt: Eine Verdopplung der Geldmenge halbiert die Kaufkraft des Geldes. Das Inflationspotenzial, das aus Stablecoins erwächst, ist also durchaus riesig.
Das alles mag erklären, warum die US-Politik, die Banken- und Finanzindustrie so bereitwillig den Markt für Stablecoins befördern: Soweit Stablecoins mit Fiatgeld gedeckt werden, wirken sie so wie ein Verschiebebahnhof, der zusätzlichen Stauraum schafft für die Flut der kurzlaufenden Staatsschulden, und sie sorgen für Güterpreisinflation.
Doch es gibt auch Stablecoins, die hoffen lassen: und zwar Stablecoins, die mit Gold, Silber oder Bitcoin gedeckt sind. Denn daraus kann tatsächlich gutes Geld werden, das auch dem Fiatgeld das Wasser ernstlich abgräbt. Die Voraussetzungen dafür sind: Der Stablecoin-Emittent hält eine 100-prozentige Deckung im betreffenden Medium vor und ermöglicht jederzeit eine vollumfängliche Eintauschbarkeit des Token in Gold, Silber oder Bitcoin. Die Folge: Die Halter eines mit zum Beispiel Gold gedeckten Stablecoins können dem Fiatgeld einfach(er) ausweichen, gleichzeitig hat ihr Stablecoin – sollte sich der Trend verbreiten – eine hohe Marktliquidität und vergleichsweise niedrige Transaktionskosten. Zudem nimmt die Fiatgeldnachfrage ab, trifft das Fiatgeldsystem sprichwörtlich an seiner Achillesferse: Schwindet die Nachfrage nach Fiatgeld, nimmt in der Folge seine Kaufkraft ab, es verliert an Attraktivität, und das vermindert die Fiatgeldnachfrage zusätzlich und so weiter.
Man erkennt: Stablecoins setzen, soweit sie als Zahlungsmittel für Käufe akzeptiert werden und breite Verwendung finden, die Kaufkraft der Fiatwährungen herab, sie wirken in der ein oder anderen Weise inflationär. Das wiederum ist eine wichtige Botschaft für alle, die sich Gedanken um ihr Geld, ihre Ersparnisse machen. Die Kaufkraftverringerung des Geldes ist und bleibt ein zentrales Instrument, mit dem Regierungen, Zentralbanken und Behörden das Geld entwerten, um die Entzauberung des überschuldeten Regimes zu verhindern. Das Aufkommen von Stablecoins ist für sie eine Art glücklicher Umstand, ein besonders tückischer Schachzug, wenn man so will, weil die Inflationswirkung der Stablecoins sehr wahrscheinlich von der breiten Öffentlichkeit nur schwer oder gar nicht verstanden, schon gar nicht vorhergesehen wird. Und gerade eine solche „Überraschungsinflation“ – wenn also die tatsächliche Inflation die bisher erwartete Inflation übertrifft – kommt der breiten Bevölkerung besonders teuer zu stehen.
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 20. September erscheinenden Oktober-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 256.
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