06. Juli 2025

EinBlick Der Zins und das Kredit-Kartenhaus

Eine neue Zinskontrollpolitik rückt näher

von Thorsten Polleit

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Bildquelle: KI: ChatGPT Ein Kredit-Kartenhaus

Die öffentlichen Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika haben jetzt auch noch ihre letzte Bestnote verloren. Am 16. Mai 2025 hat die Rating-Agentur Moody’s Inc. die Kreditbeurteilung von bisher Aaa auf Aa1 gesenkt. Die Gründe sind zum einen die anschwellenden Staatsausgaben, begleitet von Steuersenkungen und damit weiter hohen Staatsdefiziten. Zum anderen verweist die Rating-Agentur auf die steigenden Kreditkosten, die aus der anschwellenden Schuldenlast und der anziehenden Kapitalmarktzinsen rühren. Wenngleich Moody’s’ Urteilsänderung spät kommt, steht sie nicht allein da. Die beiden anderen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch hatten bei ihrer Kreditbeurteilung der USA bereits die Daumen gesenkt – erstere 2011, zweitere im August 2023. 

Man mag dennoch darüber spekulieren: Warum reagiert Moody’s gerade jetzt? Und warum weigert sich die US-Zentralbank beharrlich, die Leitzinsen zu senken? Will man der Trump-Administration Knüppel zwischen die Beine werfen, sie vielleicht sogar stürzen, indem die „Wall-Street-Mafia“ die Zinskosten ganz bewusst in die Höhe treibt und damit Unheil im Finanz- und Wirtschaftssystem anrichtet?

Kein Zweifel: Steigende Kreditkosten in den USA bringen die Schuldenpyramide ins Wanken, sie haben sogar das Potenzial, das Weltfinanz- und -wirtschaftssystem in allerschwerste Turbulenzen zu bringen. Im ersten Quartal 2025 betrugen die öffentlichen US-Schulden 36,2 Billionen US-Dollar. Das waren knapp 122 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Zinskosten beliefen sich auf gewaltige 1,1 Billionen US-Dollar – oder drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (beziehungsweise etwa 16 Prozent der gesamten Staatsausgaben). 

Wachsen nun die US-Schulden im Zeitablauf weiter stärker an, als die Wirtschaftsleistung zunimmt, schwillt die Verschuldungsquote an, die Schuldentragfähigkeit verschlechtert sich, die Investoren fordern höhere Zinsen. Die Zinsrechnung steigt, und wenn die Staatsausgaben nicht gekürzt oder Einnahmen erhöht werden, nimmt das Haushaltsdefizit zu, mehr Schulden werden aufgenommen. Wird diesem Prozess nicht Einhalt geboten, führt er, auch wenn er noch geraume Zeit andauern kann, in den Staatsbankrott. Das Problem ist beileibe nicht auf die USA beschränkt. 

Denn geraten die US-Staatsschulden in Misskredit, geraten auch die Staatsschulden anderer Länder unter Druck. Amerika hat schließlich die weltweite „Zinsführerschaft“ inne, steigende US-Zinsen ziehen die Anleiherenditen anderer Länder mit in die Höhe. Und hier sieht es schuldentechnisch gar nicht besser aus als in den USA. So hat zum Beispiel Italien eine Staatsschuldenquote von 135 Prozent des Volkseinkommens, Frankreich von 113 Prozent, Großbritannien von 96 Prozent, Japan gar von 237 Prozent – staatliche Pensionsverbindlichkeiten nicht einmal mitgerechnet, die über die europäischen Länder hinweg gesehen zusätzlich 200 bis 400 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen können.

Mit dem Renditeanstieg für Staatsanleihen klettern natürlich auch die Kosten für Konsumenten-, Hausbau- und Firmenkredite in die Höhe. Der Zugang zu Kredit wird absehbar schwieriger und teurer, und der ein oder andere Kreditnehmer, der auf Dauerschuldnerei in einem Umfeld niedriger Zinsen gesetzt hat, wird die Hand heben müssen. Also nicht nur der Staatskredit gerät in Probleme, auch die Privatwirtschaft gerät unter Druck. Vor allem entzaubern die steigenden Zinsen den Überkonsum und die Fehlinvestitionen, die zuvor durch niedrige(re) Zinsen entstanden sind. Kurzum: Auf den Boom folgt der Bust. Und knickt die Wirtschaftsleistung ein, kann es ganz rasch vorbei sein mit dem Restvertrauen in die Staatsschulden. Was dann? 

Wenn es politisch nicht mehr durchsetzbar ist, die Staatsausgaben zu kürzen, und wenn auch die Steuerspielräume ausgeschöpft sind, dann werden Regierte und Regierende erwägen, die Zins- und Tilgungszahlungen zu verringern oder zu strecken, vor allem aber werden sie im Anwerfen der elektronischen Notenpresse das vergleichsweise kleinste Übel erblicken, um sich der lästigen Schuldenlast zu entledigen; die leidvolle Geschichte der Staatsbankrotte und die mit ihnen einhergehenden Inflationswellen bieten reichhaltiges Anschauungsmaterial. 

Und damit die Zinsen dabei nicht unkontrolliert in die Höhe schnellen, werden die Zentralbanken sie wohl kontrollieren (müssen). Amerika hat diesbezüglich Erfahrung. Eine Zinskontrollpolitik gab es hier von 1942 bis 1954 und in Ansätzen im Zuge der Anleihekäufe durch die US-Federal Reserve während und nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009: Die Zentralbank fixiert ganz einfach die Kurz- und Langfristzinsen auf die Staatsschulden, indem sie Anleihen im Markt kauft. Und den Banken wird die Möglichkeit eingeräumt, sich direkt bei der Zentralbank zu niedrigen Zinsen zu refinanzieren. Gleichzeitig treibt die anschwellende Geldmenge die Güterpreisinflation in die Höhe, sodass die nominalen Kapitalmarktrenditen und Sollzinsen nach Abzug der Geldentwertungsrate negativ sind. Damit dabei die Geldmengenvermehrung nicht völlig überhandnimmt, wird das Bankkreditangebot rationiert: Die Zentralbank bestimmt, welche Bank wie viele Kredite vergibt, möglicherweise auch, welche Industrien Kredite erhalten und welche nicht. Willkommen in der Kommandowirtschaft, im Semi-Sozialismus! 

Will Präsident Trump den Tiefen Staat wirklich in die Knie zwingen und auch die „Great Reset“-Agenda der Globalisten zurückschlagen, wird er nicht umhinkommen, dem Staat das Geld zu entziehen und der US-Zentralbank das Handwerk zu legen, sie abzuschaffen. Ohne diese Schritte rutschen Amerika wie auch die gesamte westliche Welt unweigerlich immer weiter in Richtung Sozialismus ab. Die Idee, das Kreditkartenhaus durch immer niedrigere Zinsen vor dem Einsturz bewahren zu wollen, ist – frei nach Johann Wolfgang von Goethe – leider Teil der Kraft, die das Gute wünscht und das Böse schafft. 

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 20. Juni erscheinenden Juli-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 254.


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