18. Oktober 2025
Der Einkommensinvestor: iShares MSCI Brazil ETF
Warum Boom-Märkte oft Verluste und Krisenländer Gewinne bringen
von Luis Pazos

Am 4. März 1957 wurde der S&P-500-Index zum ersten Mal veröffentlicht. Ein Blick zurück zeigt ein erstaunliches Phänomen: Hätten Anleger seitdem nicht den Index selbst gekauft, sondern einfach alle damals enthaltenen 500 Unternehmen behalten – mit all ihren späteren Abspaltungen, Insolvenzen und Fusionen –, hätten sie besser abgeschnitten. Anders gesagt: Die ursprüngliche Zusammensetzung war langfristig rentabler als die fortlaufend aktualisierte. Der Befund ist verblüffend: Für die jeweils neu aufgenommenen Aktien zahlten Investoren systematisch zu viel, während viele der aussortierten Titel überlegene Renditen erzielten.
Einer der Ersten, der dieses Muster ausführlich beschrieb, war der US-Ökonom Jeremy Siegel. In seinem 2005 erschienenen Buch „The Future for Investors“ prägte er dafür den Begriff der „Wachstumsfalle“ („growth trap“). Sie beschreibt die Neigung von Anlegern, gerade jene Unternehmen zu überteuerten Kursen zu kaufen, die Innovationen treiben, in den Medien präsent sind und Wachstumsdynamik versprechen. Doch genau das ist der Fallstrick.
Die Mechanik ist simpel. Gefragte Modeaktien locken Massen von Anlegern an, die sich von der Angst leiten lassen, etwas zu verpassen („Fear of Missing Out“, FoMO). Sie wollen unbedingt dabei sein und zahlen deshalb Preise, die den künftigen Gewinn schon vorwegnehmen. Der Ertrag des Wachstums fällt dann nicht den Aktionären zu, sondern den Gründern, den Venture-Kapitalgebern oder schlicht den Konsumenten, die bessere Produkte erhalten.
Das vielleicht eindrücklichste Beispiel ist der Vergleich zwischen Brasilien und China von 1992 bis 2003. In Brasilien herrschten in dieser Zeit politische Krisen, Hyperinflation von zum Teil über 6.000 Prozent pro Jahr, Rezession, Energieprobleme und endlose Korruptionsskandale. China dagegen glänzte mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 9,3 Prozent, einer wirtschaftlichen Öffnung, Rekorden bei Börsengängen und ausländischen Investitionen. Auf den ersten Blick hätte jeder Investor auf China gesetzt. Doch an den Börsen kam es anders: Während brasilianische Aktien im Schnitt über 15 Prozent Rendite pro Jahr abwarfen, verloren Anleger in China jährlich rund zehn Prozent – ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Die Erklärung: In Brasilien waren die Erwartungen der Anleger niedrig. Aktienkurse blieben gedrückt, Dividendenrenditen dagegen hoch. Wer diese Dividenden konsequent reinvestierte, vervielfachte seinen Bestand. In China hingegen waren die Erwartungen überzogen. Die hohen Wachstumszahlen waren längst eingepreist, die Realität konnten sie nicht übertreffen – die Folge waren fallende Kurse. Damit wird klar: Für Investoren zählt nicht allein, wie schnell ein Land oder ein Unternehmen wächst, sondern ob die tatsächliche Entwicklung die Erwartungen übertrifft oder verfehlt.
Was bedeutet das für die Gegenwart? Zwei Jahrzehnte später lässt sich eine Parallele ziehen. In Europa ist derzeit die Rüstungsbranche das neue „China“. Titel wie Rheinmetall stehen hoch im Kurs, und die Angst, den Boom zu verpassen, treibt neue Anleger in Scharen an die Börse. Doch wer jetzt erst aufspringt, läuft Gefahr, in die Wachstumsfalle zu tappen: stark steigende Erwartungen, die sich künftig kaum noch übertreffen lassen. Wer zu spät kommt, zahlt den Preis.
Brasilien wiederum hat nach seinem Höhenflug im Zuge des Brics-Hypes und der Fußball-WM eine lange Durststrecke hinter sich. In Euro gerechnet war die Performance vieler Jahre ernüchternd – ein Nullsummenspiel. Inzwischen jedoch sind die Erwartungen wieder niedrig. Moderate Wachstumszahlen, steigende Inflation, zunehmende Korruption und politische Unsicherheit schrecken viele Anleger ab. Paradoxerweise könnten genau diese gedämpften Erwartungen der Nährboden für überdurchschnittliche Renditen sein – so wie schon Anfang der 2000er Jahre.
Wer auf das Land am Zuckerhut setzen möchte, kann dies über den iShares MSCI Brazil ETF tun. Der börsengehandelte Fonds bündelt 44 Aktien und deckt damit die brasilianische Unternehmenslandschaft breit ab. Unter den größten Positionen finden sich Petrobras, Nu Holdings, Itaú Unibanco und Vale. Anleger profitieren zudem von einer regelmäßigen Ausschüttung: Viermal im Jahr werden Dividenden gezahlt, die aktuelle Dividendenrendite beträgt rund 5,4 Prozent jährlich. Die Wertpapierkennnummer lautet A0HGWA, die ISIN IE00B0M63516.
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 20. September erscheinenden Oktober-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 256.
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