24. Juli 2025

RezensionKarl Hess: Gemeindetechnologie

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Die mit Abstand meisten Bücher im libertären Spektrum sind theoretischer Natur, und graue Theorie neigt nur allzu oft dazu, fruchtlose Diskussionen zu starten, wovon am Ende des Tages nichts besser wird. Welcher Libertäre hat noch nicht Stunden damit zugebracht, einem Etatisten nahezulegen, warum der Staat bestenfalls ineffizient und im schlechtesten Fall eine Räuberbande ist? Wenn Menschen aber reale libertäre Beispiele im echten Leben finden, beginnen sie ganz plötzlich zuzuhören und Interesse zu bekunden. Das war mein Anreiz, „Gemeindetechnologie“ von Karl Hess zu übersetzen. Karl Hess war so unregierbar, dass er sich in allen Schulen von Washington, D.C., angemeldet hat und es den Behörden so unmöglich gemacht hat, nachzuvollziehen, auf welche Schule er tatsächlich gehört, bevor er mit 15 Jahren die Schule dann ganz abbrach. Mit einer Kopie der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die er an das amerikanische Finanzamt schickte, erklärte er, dass er nie wieder Steuern zahlen werde. Aber sein wohl beeindruckendstes Werk war die Verwandlung des Viertels Adams-Morgan, ursprünglich ein Slum in unmittelbarer Nähe des Weißen Hauses, in ein schickes Hipster-Viertel. Wo zunächst hauptsächlich Hippies und Junkies lebten, trommelte Karl Hess mit seiner Frau und einigen Freunden eine Gemeindeversammlung zusammen. Und während ihre ursprünglichen Erfolge, das Viertel zu säubern, einfach nur, indem sie die Straße fegten, noch eher einfacher Natur waren, betrieben sie im Laufe der Zeit „agoristische Unternehmen“. Mit ausgebauten Waschmaschinenpumpen züchteten sie in Kellern Regenbogenforellen, und mit eigens dafür gefertigten Hochbeet-Anlagen produzierten sie auf Hochhausdächern Gemüse, das sie auf dem lokalen Markt gewinnbringend verkauften. Karl Hess beschreibt Aufbau, Verlauf und Untergang des Projekts im Detail. Ein Buch, das einen Praxisleitfaden dafür bietet, wie man unter dem Radar staatlicher Regularien eine starke Gegenwirtschaft entwickelt und Menschen zum Mitmachen bewegt.


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Dossier: ef 255

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Andreas Tank

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