16. Oktober 2024

RezensionPablo H. Vivanco: Liberale Öffentlichkeit, Kultur und säkularisiertes Judentum nach 1848

Heinrich Friedjung und die konstitutionelle Linke in der Habsburger Monarchie

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Vivanco, Pablo H.: Liberale Öffentlichkeit, Kultur und säkularisiertes Judentum nach 1848, 359 Seiten, 79,95 Euro, De Gruyter Oldenbourg

Unsere deutsche Geschichte kennen wir – das lange 19. Jahrhundert ist uns vertraut. Was aber ging ab 1848 bei unseren Nachbarn in Österreich vor sich? Die dortige Politik betrifft zumindest die Bayern und Sachsen als eine Art Innenpolitik. Vor diesem Hintergrund ist eine neue Studie zu lesen, die jetzt bei de Gruyter erschienen ist: „Liberale Öffentlichkeit, Kultur und säkularisiertes Judentum nach 1848“. Pablo Vivanco ist der Autor des druckfrischen Werkes. Er arbeitet feine Veränderungen im gesellschaftlichen Geschiebe der Donaumonarchie heraus, die – eine nach der anderen – im 20. Jahrhundert schließlich in die Katastrophe führen sollten. Den Wiener Liberalismus, ausgehend von einem wohlhabender werdenden Bürgertum, nennt Vivanco eine Erfolgsgeschichte. 1851 erst wurde Heinrich Friedjung geboren, und gerade 26-jährig veröffentlichte der Historiker und Journalist seine Schrift „Der Ausgleich mit Ungarn“. Den Finanzausgleich mit Budapest prangert er an, er sieht hier ein Versagen Österreichs. Das durch diesen Ausgleich erzielte – besser: abgeänderte – Bankenstatut prangt denn auch auf dem Titelbild des insgesamt schön gestalteten Bandes: als doppelköpfiger Drachen. Eine böse Karikatur auf den Doppeladler ist hier unschwer erkennbar. Friedjung stellte heraus, dass sich innerhalb der Doppelmonarchie nicht nur Risse, sondern wahre Abgründe in der Finanz-, Fiskal- und Haushaltspolitik aufgetan hatten. Der Grund für diese Zerreißprobe unter dem Doppeladler war, dass die beiden größten – und namensgebenden – Teile des Vielvölkerstaates wirtschaftlich extrem ungleich waren. Wenn aus Ungarn nach unbegrenztem Zugang zur Wiener Nationalbank gerufen wurde, ist völlig klar, was geschehen musste. Pablo H. Vivanco hat eine gewichtige Schrift geliefert, das Verlagshaus de Gruyter hat einen sehr adäquaten, fest eingebundenen Rahmen spendiert. Fachleute werden um diese Buchfassung einer gelungenen Promotionsschrift nicht herumkommen.


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