21. November 2023
RezensionStefan Blankertz: Wider den Triumph repressiver Egalität
Zur Anatomie gekränkter Herrschaft
Stefan Blankertz neuestes Werk, eingeleitet mit einem Vorwort von Robert Grözinger, ist eine Antwort auf das Buch „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey. Das nämlich war der Versuch der Schaffung eines wissenschaftlichen Überbaus für den vom Verfassungsschutz neu eingerichteten Bereich „Delegitimierung des Staates“. Inhaltlich geht es darum, dass Amlinger und Nachtwey die These aufstellen, dass die libertären (also freiheitlichen) Impulse des neuen Protestmilieus in Wirklichkeit „autoritär“ seien. Blankertz: „Dies ist eine psychologisierende Stigmatisierung, die die betreffenden Menschen zu Objekten macht und ihnen abspricht, inhaltlich Sinnvolles aussagen zu können.“ Auch versuchen Amlinger und Nachtwey zu beweisen, dass der „aufgeblähte Staat“ nur ein verschwörungstheoretisches Hirngespinst sei. Der Autor nimmt die Thesen ernst: „Ich fürchte, dass der Begriff ‚autoritärer Libertarismus‘ das Zeug hat, allgemeine Zustimmung zu erheischen.“ Von einer Analyse des libertären Protestes über die Diskussion der Dialektik bei Adorno und die Frage der vermeintlichen sozialschädlichen Idee von der Gewaltlosigkeit sowie elf transmarxistische Thesen gegen Engels bis hin zur Analyse und Funktion der Demokratie liefert Blankertz eine fundierte, sicherlich aber nicht einfache Antwort. Faszinierend ist, dass Amlinger und Nachtwey als Autor lediglich Robert Nozick verwenden, dessen Hauptwerk „Anarchie, Staat und Utopie“ (1974) sich nach Blankertz aber gerade gegen die These ausspricht, dass die Gesellschaft ohne Staatgewalt auskommt. Breiten Raum nimmt die Frage nach dem Charakter des Staates ein. Amlinger und Nachtwey beharren darauf, dass der Staat „ein Instrument zur Durchsetzung sozialer Fortschritte“ sei, während Blankertz am Klassenstaat bismarckscher Prägung (Sozialstaat) festhält. Blankertz´ Analyse überzeugt, wenngleich der Stoff Vorkenntnisse der freiheitlichen Soziologie erfordert. Eine Fallstudie zu „Konsensleugnern“ am Beispiel der Corona-Pandemie rundet das Buch ab.
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