15. September 2023

Kleiderordnung an Schulen Die schickliche Schulkleidung

Bundeselternrat belebt eine alte Debatte

von Klaus Peter Krause

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Bildquelle: imtmphoto / Shutterstock In vielen Ländern, wie hier in Japan, seit Langem selbstverständlich: Schuluniformen

Wer sich in Deutschland erdreistet, für Mädels und Jungs an Schulen Bekleidungsregeln zu verlangen, stößt hierzulande prompt auf Widerstand. Das merkt auch gerade die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte. Sie hat jüngst für Schulen eine Kleiderordnung gefordert. Ihr Verlangen zielt gegen lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung, die dort nicht mehr erlaubt sein soll. Um dem Übel abzuhelfen, gibt es die mildere Form von Bekleidungsempfehlungen und die der etwas strengeren einer Bekleidungsordnung. Die ganz strenge wäre – horribile dictu – die der Einheitsbekleidung, also der Schuluniform. Die allerdings hat Frau Gotte ausgespart. Gleichwohl ist das Echo aus Medien und Politik schnell und zahlreich zu vernehmen.

Wie ein Stich ins Wespennest

Man könnte meinen, hier mache sich etwas verspätet ein Sommerlochthema breit, um sitzungsfreie und daher politisch-nachrichtenarme Wochen des Bundestages (salopp „Parlamentsferien“ genannt, die aber amtlich keine sind) zu überbrücken. Aber der Bundestag hat seine Sitzungen gerade wieder aufgenommen. Deswegen wird man es als Aufregerthema einstufen dürfen, zumindest für grün eingefärbte Sozialisten aller Altparteien und für Medienschaffende des politischen Hauptstroms. Ihnen nämlich mögen die Kleidungsfreizügigkeiten an den Schulen mit der einen und anderen Verlotterung als passende Ergänzung zu ihrer Hingabe für Queer- und Gender-Verwahrlosungspolitik erscheinen – von einer latenten Uniformphobie ganz zu schweigen. Aber auch über diese Truppe hinaus wirkt die Reaktion wie ein Stich ins Wespennest. Die Wespen, pardon, die Journalisten, die Kritiker und üblichen Bemüßigten fielen denn auch über das Thema sofort her.

Schicke Schuluniformen im Straßenbild vieler Länder

Die Schulkleidungsdebatte ausgelöst hatten zuvor das Verbot des islamischen bodenlangen Gewandes Abaya an französischen Schulen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die einstige Uniformpflicht an den öffentlichen Schulen gibt es dort nicht mehr, und Privatschulen verzichten zumeist auf einheitliche Schulkleidung. Früher waren für die französische Schuljugend triste schwarze Kittel üblich. Heute dagegen sind hochschicke Schuluniformen möglich und im Straßenbild vieler Länder auch zu bewundern, darunter in England, Schottland, Australien, Irland, Italien, Spanien, Russland, USA, Mexiko, Brasilien, Japan und China.

Die schickliche Schulkleidung ist immer wieder mal Thema gewesen

Von Frankreich schwappte die Debatte nach Deutschland. Thema ist hier die Schulkleidung immer wieder mal gewesen, nicht gerade als Verlangen nach Schuluniformen, aber thematisch darüber, was als „Outfit“ in der Schule schicklich und angemessen ist und was nicht – teils nur an einzelnen Schulen, teils in breiterer Öffentlichkeit. Ich selbst muss bekennen, dass mir Schuluniformen sympathisch sind. Als Liberaler mit libertären Neigungen und Versuchungen sollte mir das vielleicht peinlich sein – muss es aber nicht. Denn für eine Uniformierung zu sein, ist auch ein Bestandteil der individuellen Freiheit, aber sie abzulehnen natürlich ebenso. Sollen Schuluniformen getragen werden müssen, bedürfen sie auf jeden Fall der demokratischen Abstimmung mit sehr breiten Mehrheiten. Sie müssen keineswegs flächendeckend für das gesamte Land gelten. Es kann sie auf regionaler und kommunaler Ebene oder auf einzelne Schulen beschränkt geben.

Was für Schuluniformen spricht

Als Vorteile der Schuluniform gelten: Wer unifomiert die Schulfarben und das Schullogo mit anderen gemeinsam trägt, fühlt sich miteinander verbunden. Schuluniformen stärken das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Klasse und der Schule. Sie fördern den Teamgeist. Sie prägen die einheitliche Identität einer Schulgemeinschaft als Alleinstellungsmerkmal. Sie verringern innerhalb der Schule soziale Ausgrenzung und die Ablenkung im Unterricht. Alle Schüler tragen die gleichen Sachen, was das soziale Gefälle abschwächt. Dann ist jedenfalls nicht an der Kleidung zu erkennen, wer aus wohlhabendem Elternhaus kommt und wer nicht. Das verringert auch das Mobbing untereinander wegen Preis und Marke der Klamotten, in denen man in der Klasse aufkreuzt. Wenn alle gleich angezogen sind, kann sich niemand innerhalb der Schule an einer bestimmten Mode orientieren, die als besonders „angesagt“ gilt. Allerdings gibt es durchaus andere Möglichkeiten, soziale Unterschiede kenntlich zu machen (das Smartphone, das Fahrrad, das Schuhwerk, die Frisur …). Einheitliche Schulkleidung kann also das Zurschaustellen von Wohlhabenheit nicht verhindern.

Weitere Vorteile von Schuluniformen

Sie sparen morgens beim Ankleiden Zeit, weil die Kinder nicht jeden Tag aufs Neue überlegen müssen, was sie anziehen. Sie unterbinden für die Mütter auch die Diskussion mit ihrem Nachwuchs, wenn sie dessen Kleidung für unangemessen oder für nicht wettergemäß halten. Die Schulkinder, vor allem die Mädchen, müssen sich keine Gedanken mehr über die Kleidung machen, sondern können sich auf andere Themen konzentrieren. Schuluniformen sind in der Regel qualitativ hochwertig und halten somit länger. Sie werden nicht nach kurzer Zeit wieder aussortiert, weil die Mode gewechselt hat. Das kommt dem Nachhaltigkeitsprinzip zugute. Und wie gesagt: Schuluniformen sind schick.

Was gegen Schuluniformen spricht

Auf der Hand liegen vor allem die Nachteile von Schuluniformen. Einheitliche Garderobe greift in die individuelle Freiheit ein, sich für die Schule nach eigenem Geschmack und Selbstdarstellungswunsch zu kleiden. Mädchen wie Jungen begreifen den Zwang zur Schuluniform als Eingriff in ihre Grundrechte. Viele wollen durch ihre Kleidung den eigenen Charakter, die eigene Bedeutung hervorkehren. Die Möglichkeit, durch unterschiedliche Kleidung ihre Individualität auszuprobieren und darzustellen, geht verloren und damit auch ein Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Vor allem Teenager drücken ihre Stimmung und Einstellungen oft über Mode aus. In ihrer Entwicklung ist das Ausprobieren unterschiedlicher, selbst gewählter Bekleidung ein wichtiger Teil. Ist ihnen die Uniform unbequem oder aus ihrer Sicht unmodisch, werden sie zu einer Kleidung gezwungen, in der sie sich nicht wohlfühlen, was sie seelisch belasten kann. Sind die Uniformen nach Schulen verschieden, kann deren öffentliche Erkennbarkeit zu gegenseitigen Behelligungen und Konfrontationen auf dem Schulweg führen. Außerdem bedeutet die Schuluniform – zumal mit einer Ersatzuniform, wenn die erste in die Wäsche muss – eine zusätzliche finanzielle Belastung, die nicht jede Familie stemmen kann. Dann wird der Ruf nach staatlicher Subventionierung kommen. Bedürftigkeitsprüfung und zusätzliche Bürokratie sind die absehbare Folge. Zusätzlichen Aufwand an Zeit werden auch das Waschen und Bügeln der Uniform mit sich bringen.

Flotte Schülermützen anstelle von Schuluniform – vor 90 Jahren

Es gibt noch weitere Vor- und Nachteile, die genannten sind nur ein Ausschnitt. Das eine oder andere davon mag sich relativieren oder widerlegen lassen. Entscheidend ist letztlich, wie von solchen Für- und Widerargumenten unbeeindruckt die Schuljugend und die Eltern die Uniformierung wahrnehmen. Altertümlich wird es den wohl allermeisten von ihnen auf jeden Fall vorkommen. Ich selbst mag Altertümliches. Ich mag es, wenn sich Schuljugend durch einheitliche Kleidung auszeichnet und als solche erkennbar macht. Ich würde es mögen, wenn sie auf die Uniform stolz wäre und sie gern trüge. Ich gewichte die Vorteile stärker als die Nachteile und bedaure, dass es in Deutschland nicht mehr gibt, was es hier zwischen den 1870er und 1930er Jahren einmal gegeben hat: die Schülermützen. Sie waren und wären anstelle einer ganzen Uniformkleidung ein milder und flott aussehender Ersatz. Doch weiß ich, dass die heutige Schuljugend in Deutschland von beidem weit entfernt ist und sich in der Gesellschaft auf breiten Rückhalt stützen kann. Daher sieht es hierzulande nach einer Mehrheit für eine Schuluniform oder eine Schülermütze nicht gerade aus. So sei es dann auch.

Ein komplexes Thema auch ohne Uniformierung

Aber Schulbekleidung ist auch ohne Uniformierung ein komplexes Thema. Was Bundeselternrats-Vorsitzende Gotte fordert, klingt schlicht und lautet, dass die Schulen einen Konsens über eine Kleiderordnung beschließen und dann auch in ihre Hausordnung übernehmen sollten. Ein Verstoß dagegen müsste dann Konsequenzen haben, also die betreffenden Mädchen und Jungen nach Hause zu schicken und zu verlangen, dass sie sich ordentlich anziehen. Denn meist gehe es dabei um „unangemessene, lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung“. Das ist leicht gesagt, doch schwer getan, zumal eine generelle Kleiderordnung an Schulen, worauf Frau Gotte selbst hinweist, im föderalen System Deutschlands kaum durchsetzbar ist.

Was ist freizügig, unangemessen oder lotterig?

Man kann sich einiges ausmalen. Wenn eine Schülerin darauf aus ist, nach Hause geschickt zu werden, muss sie sich nur freizügig genug (einst hieß das unzüchtig) auszustaffieren, und schon kann sie ein, zwei oder mehr Schulstunden legal schwänzen, falls sie überhaupt zurückkommt. Vielleicht droht bei Mehrfachanwendung noch ein Eintrag ins Klassenbuch. Oder ist diese Disziplinierung auch schon abgeschafft? Doch was ist freizügig, unangemessen oder lotterig? Was das Freizügige angeht, betrifft das wohl vorwiegend Mädchen im Pubertätsalter, wenn sie beginnende feminine Reize entfalten und zur Geltung bringen (wollen). Wie freizügig also dürfen sie das tun, um Mitschüler und Lehrer nicht nachteilig für den Unterricht abzulenken? Also bedarf es wohl etlicher Festlegungen im Detail. Für Lottrigkeit und Unangemessenheit werden sie ebenfalls nötig sein. Abstrakte Formulierungen sind interpretationsfähig und fordern zu einem ermüdenden Diskussions-Hin-und-Her heraus. Und sich in Einzelanweisungen zu verlieren, geht zu weit.

Kleiderordnungen an Schulen sollte es geben – ein Beispiel aus Tutzing

So mancher Debattierer lehnt Kleiderordnungen für Schulen völlig ab. Gleichwohl sollte es sie, notfalls wenigstens Kleiderempfehlungen, an Schulen geben. Zuversichtlich stimmt, wie die kirchliche Benedictus-Realschule in Tutzing vorging, um für sich eine Kleiderordnung zu suchen. Alle 500 Schüler waren beim „Thema Dresscode“ zum Mitmachen eingeladen. Erst wurden klassenintern Vorschläge gesammelt, dann wurden diese bei einer Schulversammlung mit den Vertrauenslehrern diskutiert. Die Schulversammlung hat dann nach zwei Stunden Diskussion zu einem Konsens gefunden, zum Beispiel: „Eine Handbreit bauchfrei ab Hosenbund ist erlaubt. Top-Träger sollen breiter als der BH-Träger sein. Hot-Pants sollen verboten sein, aber normale kurze Hosen erlaubt. Keine gammeligen oder zerrissenen Jogging-Hosen. Und Hosen sollten nicht unter der Hüfte sein, also: Die Unterhose bleibt bedeckt (siehe untenstehenden Link). Dass sich auch das Lehrpersonal angemessen kleidet, versteht sich. Die Kleiderordnung an der Tutzinger Schule soll auch für Lehrer gelten.

Bauchfrei in der Schule – Was ist erlaubt und was nicht? (BR24)

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors.


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