18. August 2023
RezensionStefan Blankertz: Nur ein altmodisches Liebeslied?
Glanz und Elend des klassischen Anarchismus
Mit dem vorliegenden Buch hat Stefan Blankertz eine Geschichte des Anarchismus vorgelegt. Der Autor, im Selbstverständnis Anarchokapitalist, orientiert sich dabei an den Protagonisten, beginnend mit Proudhon (1809–1865) und endend mit Bookchin (1921–2006). Dabei ist es einerlei, ob die beleuchteten Vertreter von sich selbst oder von anderen als „links oder „rechts“ eingestuft wurden. Der Autor hält das Links-rechts-Schema zur Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse für ungeeignet. So sieht Blankertz sowohl bei Goldmann (sah sich selbst als Kommunistin, gleichwohl sie sich auf Nietzsche und Ibsen bezog) freiheitliche Tendenzen als auch bei Thoreau (der sich auf Jefferson bezog). Entscheidend sind die Beiträge der jeweiligen Personen zur Sache der Freiheit oder auch jene, wo sie irrten. Blankertz erwähnt die dunklen Seiten, so den Antisemitismus (bei Proudhon und Bakunin), die Frauenfeindlichkeit (Proudhon), Ablehnung des Eigentums (Kropotkin, Tucker, Warren), Armut sei durch Umverteilung lösbar (Bookchin) oder die Feindschaft zu Industrie und Handel (Landauer und Tolstoi). Lob dagegen für Tolstoi und de Cleyre (Blick auf Freiwilligkeit in Erziehung und Pädagogik, wider die allgemeine Schulplicht), de Molinari und Tucker (Sicherheit ist privat organisierbar), die psychologische Analyse der Unterdrückten (Goodman), Rothbard (korrigiert die Theorie des Anarchismus um den sinnwidrigen Antikapitalismus) oder Konkin III (Agorismus als strategisches Element der Freiheit). Wichtig bleibt die Erkenntnis, dass nach wie vor Strategien fehlen, die „die in sozioökonomischer ebenso wie in soziokultureller Hinsicht divergierenden Opfer der Staatsgewalt zu einer Bewegung zusammenzuführen“. Denn „die Stärke der Freiheit liegt darin, dass die Kreativität der Menschen, dezentral und spontan, bei der Lösung der anliegenden Probleme zum Zuge kommen kann“.
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