11. Mai 2015
Flucht aus Afrika: Eine Lanze für die Schlepper
Europa saugt die Menschen ins Unglück
von David Dürr

Grauenhaft, was die Staaten diesseits und jenseits des Mittelmeers anrichten! Gemeinsam heizen sie den Flüchtlingsstrom an und lassen hunderte, ja Tausende verzweifelter Menschen in den Fluten ertrinken.
Gemeinsam anheizen will heißen: Die Staaten jenseits des Mittelmeers richten ihre Länder mit brutaler Rücksichtslosigkeit zugrunde. Despotische Gewaltregime, grausame Militärdienstpflichten, immer wieder auch Waffengewalt gegen das eigene Volk und nicht zuletzt endemisch korrupte Staatsstrukturen vergiften den Nährboden für das, was man Zivilgesellschaft nennt. Das heißt für eine Gesellschaft, deren Mitglieder ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, Häuser bauen, Familien gründen, Geschäfte tätigen, miteinander streiten und füreinander sorgen, Wohlstand schaffen und Lebenssinn finden. All dies wird dort zerstört. Jeder Antrieb, das eigene Glück zu schmieden, wird zunichte gemacht. Wer Beine hat zu gehen, macht sich auf den Weg hinaus aus dieser Hölle.
Und auch die Staaten diesseits des Mittelmeers, unterstützt durch ihre emsige EU, richten ihre Länder mit Konsequenz zugrunde. Bornierte Obrigkeiten, zunehmende Steuerpflichten, lähmende Bürokratien auf der einen Seite und aufgedrängte Wohltätigkeiten eines wuchernden Sozialstaats auf der anderen Seite vergiften auch hier den Nährboden für das, was man Zivilgesellschaft nennt. Das heißt für eine Gesellschaft, die den Lohn der Arbeit dem gibt, der sie leistet, und ihn genau dadurch zur Wohlstandsmehrung aller motiviert. All dies wird hier zerstört. Das Erarbeitete wird wegbesteuert und zu jenen umverteilt, die nicht arbeiten. Unbesehen davon, ob diese nicht arbeiten können, nicht arbeiten wollen oder ihnen die Gewerkschaften zu arbeiten verbieten. Wer Beine hat zu gehen, macht sich auf den Weg hinein in dieses trügerische Schlaraffenland.
Die Staaten jenseits des Mittelmeers stoßen die Menschen ins Unglück, die Staaten diesseits saugen sie ins Unglück. Dass es dazwischen große Mengen Wassers hat, verdrängen sie geflissentlich. Sonst müssten sie sich ja dem Einwand stellen, ihre Höllen- und Schlaraffenland-Aktivitäten endlich zu beenden. Sie schauen lieber weg und überlassen die von ihnen immer stärker angeheizten Flüchtlingsströme ihrem Schicksal.
Nun liegen aber an den Ufern kleine Schiffe, Fischerboote, Küstenfähren und dergleichen. Auf diese stürzen sich die Menschen in der Not. Was bleibt den Bootsleuten anderes übrig, als dem Drängen nachzugeben. Das Unterfangen ist zwar riskant, die Boote, die nicht für diese große Überfahrt gebaut sind, könnten kentern. Wenigstens springt noch etwas raus dabei, was bei der jämmerlichen Wirtschaftslage für diese Schlepper und ihre Familien nicht ganz ungelegen kommt. Und sind auch diese chaotischen Fahrten alles andere als die Lösung des Problems, wohl eher schon ein Teil desselben, so sind sie jedenfalls weit davon entfernt, dessen Ursache zu sein.
Doch eben dies behaupten nun die Staaten. Ihnen kommt es sehr gelegen, die Ursachen bei den üblen Schleppern festzumachen. Auf diese stürzen sie sich jetzt mit demonstrativer, neuerdings sogar militärischer Aggressivität. Und von höchster EU-Warte aus nennt man sie, gerne auch vor laufender Kamera, ganz offiziell schlicht „Massenmörder“.
Jedoch, sind Massenmörder nicht viel eher diese Staaten? Die Schlepper bringen es bloß an den Tag.
Dieser Artikel erschien zuerst in der „Basler
Zeitung“.
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