23. September 2025
RezensionOlivier Kessler: Befreiungsschlag
Hoffnungsschimmer für eine verloren geglaubte Welt

„Ich erzähle dir jetzt genau, wie es dazu kam. Es ist eine Geschichte voller Wendungen, voller dunkler Machenschaften, voller Verrat – aber auch voller Hoffnung.“ Diese Worte sagt ein zu lebenslanger Haft verurteilter Vater in Olivier Kesslers Romandebüt „Befreiungsschlag“ zu seinem Sohn. Denken Sie an Wirtschafts- und Geldtheorie, wenn Sie sie lesen? Sehr wahrscheinlich nicht – und genau das ist die Stärke des Buchs: Scharf, klar, sauber geschrieben und packend erzählt, beackert Kessler, Leiter des Schweizer „Liberalen Instituts“ und Autor vieler Sachbücher, Themen, vor denen die Mehrheit der Leute normalerweise Reißaus nimmt. Die Story ist mitreißend und fordernd – aber sie ist auch der Brief eines Vaters an seinen Sohn. Nicht nur an Kesslers eigenen Sohn, sondern an all die Söhne und Töchter da draußen, die die Wahl des Modus ihres Lebens noch vor sich haben oder noch Zeit, ihn zu revidieren. Die Wahl zwischen einem Leben als echtem Menschen in echter Freiheit und damit persönlicher Verantwortlichkeit und einem Leben in scheinbarer Sicherheit als bloße Funktion von Politik und Verwaltung – abhängig, verwaltet, unzufrieden, unfrei. Zu dramatisch? Zu schwarz-weiß? Nein – genau richtig. Was einem wie Übertreibung vorkommt, ist bloß die langjährige Gewöhnung an die breiigen Erzählungen des staatlichem Gerechtigkeits-Kitschs. Der Eindruck des Schwarz-Weißen ist der Verinnerlichung von obrigkeitlichen Versprechungen geschuldet, die nie gehalten werden können. Lügen? Hat jemand Lügen gesagt? Oh ja, Kessler nennt die Dinge beim Namen – er darf sie beim Namen nennen, denn kaum einer kennt seinen Stoff so gut wie er. Eine Täuschung nennt er eine Täuschung. Eine Mär eine Mär. Nicht im Schlagwort-Modus, sondern konsequent und oft im Gespräch die Wurzeln freilegend und damit im besten Sinne radikal. Eingebettet in das unwiderstehliche Vorwärts der Ereignisse rund um eine Gruppe zur Freiheit Entschlossener in einer dystopischen Welt im Jahr 2048.
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