16. Oktober 2024

EinBlick Mit Inflationsschüben in den Sozialismus

Nur die wenigsten werden dahinter einen Plan vermuten

von Thorsten Polleit

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Bildquelle: Melnikov Dmitriy / Shutterstock Dollar auf dem Hintergrund des Federal Reserve Building in Washington DC, Vereinigte Staaten, FED

Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Der neue Zinssenkungszyklus ist längst im Gange. Die Zentralbanken in der Schweiz, Dänemark, Schweden, Kanada, England, China und im Euro-Raum haben in den letzten Monaten ihre Leitzinsen bereits gesenkt. Im September folgt die US-Zentralbank. Kaum ist also die jüngste Hochinflationswelle abgeebbt, geht es schon wieder abwärts mit den Zinsen. 

Der Grund: Die Volkswirtschaften halten dauerhaft erhöhte Kreditkosten nicht mehr aus. Die Verschuldung ist schlichtweg zu hoch geworden. Das Institute of International Finance (IIF) schätzt, dass die globale Schuldenlast Anfang 2024 bereits 315 Billionen US-Dollar und damit 333 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung erreicht hatte. Tendenz weiter steigend. Die gestiegenen Zinskosten überfordern zusehends die Schuldner, zwingen die Konjunktur in die Knie, befeuern politische Verteilungskämpfe. Die Zentralbankräte nutzen daher jetzt rigoros die Gunst der Stunde: Die offiziell gemessene Inflation fällt, weil die Zuwachsraten der Geldmengen in den letzten etwa zwei Jahren stark abgenommen haben, zuweilen sogar negativ waren. Das dadurch verknappte Geldmengenangebot übt jetzt – mit einer Zeitverzögerung – einen dämpfenden Effekt auf die Güterpreise aus, es drückt die offiziell gemessenen Inflationszahlen nach unten. Und die Zentralbankräte werden ganz bestimmt damit weitermachen, wo sie vor einigen Jahren aufgehört haben: die Zinsen nach Abzug der Inflation unter die Nulllinie zu befördern, also die Kaufkraft des Geldes und der in ihm ausgewiesenen Forderungen herabzusetzen, eine neuerliche Rezession („Bust“) abzuwehren. Man sollte daher nicht allzu überrascht sein, wenn die Leitzinsen der großen Zentralbanken recht bald wieder auf zwei Prozent oder darunter gesenkt werden.  

Wer gehofft hatte, die Volkswirtschaften würden aus dem Niedrig- oder gar Nullzinsregime entkommen, sich von ihm verabschieden, der hofft vergeblich. Vor allem auch, weil die Befürworter des „Great Reset“ realisiert haben: Ihr Vorhaben, die Weltwirtschaft nach ihren Plänen umzubauen – den Verbrauch fossiler Energie zu reduzieren, Wachstum, Konsum und Menschenzahl zu verringern –, lässt sich in Zeiten großer wirtschaftlicher Bedrängnis kaum umsetzen. Die Kosten, die damit verbunden sind – Beschäftigungs-, Arbeitsplatz- und Einkommensverluste –, treten zu offensichtlich in Erscheinung. Es braucht vielmehr den Erhalt der (be-) trügerischen potemkinschen Wohlstandsfassade. Und kaum etwas eignet sich dazu besser, als die Inflation zu instrumentalisieren. 

Der englische Ökonom John Maynard Keyes (1883–1946) schrieb dazu: „Es gibt kein subtileres und sichereres Mittel, die bestehende Grundlage der Gesellschaft umzuwerfen, als die Währung zu entwerten. Bei diesem Prozess werden alle verborgenen Kräfte der Wirtschaftsgesetze auf der Seite der Zerstörung eingesetzt, und zwar auf eine Weise, die nicht einmal ein Mensch unter einer Million Menschen vorhersagen kann.“ 

Fallen die Zinsen, wird die Verschuldung wieder attraktiv(er), die Geldmengenvermehrung nimmt Fahrt auf. Zudem treiben verringerte Kreditkosten die Vermögenspreise in die Höhe, vor allem die Preise für Aktien und Häuser. Und sollten die Privaten tatsächlich nicht genügend inflationäre Bankkredite und Geschäftsbankengeld nachfragen, stehen die Staaten Gewehr bei Fuß: Sie geben neue Schuldpapiere aus, die von den Zentral- oder Geschäftsbanken gekauft und mit neuem, aus dem Nichts herbeigeschwindeltem Geld bezahlt und nachfragewirksam eingesetzt werden. 

Der Einschuss von neuem Geld sorgt bekanntlich, zumindest anfänglich, für eine wirtschaftliche Belebung, insbesondere wenn sie verbunden ist mit der für viele Schuldner erleichternden Wirkung heruntermanipulierter Zinsen. Der neue Zinssenkungszyklus, der damit eingeleitet wird, hat in der Tat das Zeug, eine Rezession abzuwehren und sogar einen neuen Aufschwung („Boom“) der Weltwirtschaft in Gang zu setzen. Darüber sollte man nicht überrascht sein: Die Täuschungs- und Verzerrungskräfte des inflationären Fiatgeldes, das die Zentral- und Geschäftsbanken den Menschen in die Hände geben, sind nicht zu unterschätzen. 

Die Ausgabe von neuem Fiatgeld hat gute Chancen, belebend auf das Wirtschaften der Menschen zu wirken, denn es gaukelt ihnen vor, es ginge ihnen besser, sie könnten sich mehr leisten, nahezu alle ihre unternehmerischen Projekte gelängen. Eine inflationäre Sonderkonjunktur, ein inflationärer Boom, verringert vor allem auch den Unmut der breiten Bevölkerung, lässt ihren Widerstand gegen für sie schädliche Umsturzpläne –  die „grüne Politik“, die „Neue Weltordnung“, den „Great Reset“ – erlahmen. Die Hoffnung, eine „große Krise“ werde doch bald alles korrigieren, bereinigen, eine intellektuelle Läuterung unausweichlich machen und der Neuauflage des Sozialismus ein jähes Ende setzen, ist mindestens so trügerisch wie der Fiatgeldboom selbst.

Die Regierenden halten das Fiatgeldsystem, sollte der nächste Bust ins Haus stehen, mit allen Mitteln aufrecht: sei es mit hemmungslosen Zinssenkungen, unbegrenzten Kredit- und Geldmengeninjektionen, Nothilfen für Staaten und Banken, Einschränkungen beim Kapital- und Personenverkehr. Die kritische Größe ist dabei die Inflation. 

Die Zentralbankräte werden versuchen, das Geldmengenwachstum nicht völlig außer Kontrolle geraten zu lassen, um den Zusammenbruch des Fiatgeldes zu verhindern. Und die Regierenden werden, wenn nötig, Preiskontrollen erlassen, um den allgemeinen Preisauftrieb der Inflation zu vertuschen. Spätestens aber mit Preiskontrollen ist man dann im Sozialismus angelangt: Sozialismus und Preiskontrollen haben eine ökonomische Identität. Wie der Sozialismus zerstören Preiskontrollen den privaten Besitz der Produktionsmittel: Man beraubt ihre Eigentümer der Möglichkeit, Preise zu bieten und zu fordern, und damit ist das Preis- und Gewinnsystem zerstört.

Ist die Inflation also das Mittel, um den Sozialismus in den westlichen Ländern zu errichten? Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Inflation erfordert keinen revolutionären Umsturz, keine Massenverhaftungen, keine Exekutionen. Die wirtschaftlichen und existenziellen Nöte, die sie unter der breiten Bevölkerung anrichtet, sind genug, den Staat allmächtig werden zu lassen. Die Zentralbankräte dürfen dabei nur nicht zu ungestüm inflationieren, die Inflation nicht zu hoch ansteigen lassen, damit die Menschen nicht ihr Vertrauen in das Geld völlig verlieren. 

Wie das alles gehen kann, hat die Geldpolitik seit 2022 gezeigt: durch Inflationswellen, die sich auftürmen, dann wieder nachgeben, um sich erneut aufzubauen und hochzusteigen. Nur die wenigsten werden dahinter einen Plan vermuten. Die Saat, die Zinssenkungen und inflationäre Geldmengenvermehrung säen, lässt die Volkwirtschaften in den (Neo-) Sozialismus schlittern: Die breite Bevölkerung wird geplündert, der Staat, die von ihm Begünstigten und einige wenige Sonderinteressengruppen werden übermächtig.

Um das schlimme Ende noch abzuwenden, bedarf es eines Widerstandes von Seiten der Opfer, der alles übersteigt, was diese bislang als angemessen und praktikabel erachten. 

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 27. September erschinenen Oktober-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 246.


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