09. November 2022

Freiheitsfunken Gebt Feuer!

Warum Andreas Hofer eigentlich doch gewonnen hatte

von Oliver Gorus

Dossierbild

mittwochs um 6 Uhr

Andreas Hofer hatte verloren, den Krieg und sein Leben. Aber eigentlich hatte er gewonnen.

Er war vor über 200 Jahren der Wirt des Gasthauses „Am Sand“ bei Sankt Leonhard im Passeiertal nördlich von Meran. Beim Tiroler Landsturm wurde er von den aufständischen Bauern zu ihrem Anführer gewählt. Der einfache friedliche Bauer und Wirt wurde durch die äußeren Umstände zum Kriegsherrn gemacht und nach seinem Tod zum Tiroler Nationalheld.

In aller Kürze war Folgendes passiert: Die beiden Fürsten Kaiser Franz I. von Österreich und Kaiser Napoleon I. von Frankreich hatten mal wieder ihre Soldaten aufeinandergehetzt, wie das Fürsten eben so belieben zu tun. Napoleon hatte bei Austerlitz eine bedeutende Schlacht gewonnen und konnte nun im Jahr 1805 den für ihn vorteilhaften Frieden von Pressburg aushandeln. Der beinhaltete, dass die Grafschaft Tirol unter die Herrschaft des neu geschaffenen Königreichs Bayern fallen sollte.

Eigentlich sind die Tiroler ein bajuwarischer Volksstamm, und daher sind die Bayern und die Tiroler Brüdervölker, aber wo immer Politiker sind, da gibt es Herrscher und Beherrschte. Und wenn die hohen Herren beschließen, dass Tirol von bayrischen Fürsten beherrscht werden soll, dann ist das erst mal „alternativlos“.

Es war eben schon immer so wie heute auch: Die Herrscher beschließen irgendetwas und die Bevölkerung muss die Konsequenzen tragen.

Hier waren die Konsequenzen, dass die neuen Herren den freiheitsliebenden Tirolern eine ganz entscheidende Freiheit wegnehmen wollten, nämlich die Wehrfreiheit, also die Freiwilligkeit in Bezug auf den Wehrdienst, die sie noch unter dem österreichischen Kaiser ausgehandelt und unter dem neuen Machthaber fest zugesagt bekommen hatten. Der neue Herrscher, der König von Bayern, wollte diese ganz konkrete Autonomie der Tiroler trotzdem nicht anerkennen, und für Politiker sind Versprechen bekanntlich nicht bindend, sondern lediglich eine Machtoption.

Der Konflikt war vorprogrammiert: Es ging um nichts weniger als um die Freiheit. Und zwar um die individuelle Freiheit, die ganz persönlichen Konsequenzen für die Familie, wenn ein Heer ausgehoben wird und der Sohn in den Krieg gezwungen wird. Soll keiner sagen, dass es sich für diese Freiheit nicht lohnen würde zu kämpfen!

Der Tiroler Sommer

Die verhassten bayrischen Herrscher führten sich auf wie skrupellose Ausbeuter – also genau wie das, was sie ja auch tatsächlich waren. Sie erhöhten erst mal drastisch die Steuern für die Tiroler, mischten sich in Kirchenangelegenheiten und Tiroler Bräuche und Traditionen ein und versuchten, ihre Armee mit Zwangsrekrutierungen in Tirol zu verstärken. Sie wollten also den Tirolern ihr Geld, ihre Kultur und ihre Söhne wegnehmen … – jetzt ging es ums Ganze!

In Innsbruck, der größten Tiroler Stadt, flammten im April 1809 die ersten Aufstände auf. Die bayrischen Beamten wurden von aufgebrachten Bauern abgesetzt, bayrische Soldaten verprügelt. Am Bergisel bei Innsbruck gewannen die Tiroler eine Schlacht und vertrieben die Bayern aus Tirol.

Napoleon schickte aber sofort 10.000 brandschatzende Bayern nach Tirol, um die Aufstände niederzuschlagen. Andreas Hofer und sein Bauernhaufen zogen, unterstützt von österreichischen Truppen, erneut über den Brenner nach Innsbruck und warfen die Bayern bei der zweiten Schlacht am Bergisel im Mai ein weiteres Mal aus Tirol hinaus.

Nun schickte Napoleon 20.000 Mann, um Andreas Hofer zu finden und festzunehmen. Aber die Tiroler Landbevölkerung wehrte sich, wo auch immer ein bayrischer Soldat auftauchte. Am Bergisel kam es im August zu einer dritten Schlacht, und wieder gewannen die Tiroler in Unterzahl.

Andreas Hofer hatte sich im Kampf Ruhm erworben, war unter den einfachen Leuten sehr beliebt und übernahm nun in Innsbruck die Verwaltung des Landes, gab sogar eigenes Geld heraus, indem er den „Hofer-Kreuzer“ beziehungsweise „Sandwirt-Zwanziger“ prägen ließ, auf dem der Tiroler Adler prangte. Finanziert wurde das von den reichen Familienbetrieben des Landes und den Kirchen, die ihr Silber spendeten. Die Münze war also ein echtes Volksgeld, geschaffen zur Deckung der Kosten des Aufstands gegen die Herrscher.

Tod und Legende

Die Freiheit der Tiroler währte aber nur einen Sommer. Der österreichische Kaiser Franz I. hatte sich währenddessen weiter mit Kaiser Napoleon von Frankreich in Europa herumgeschlagen, hatte erneut verloren und im Oktober 1809 unterzeichnete er einen weiteren Vertrag mit Napoleon, in dem er als eine der ihm aufgezwungenen Bedingungen den Schutz des aufständischen Tirols preisgab, also sozusagen die Tiroler verschacherte. Dabei hatte er noch kurz davor geschworen, Tirol niemals aufzugeben. So sind sie eben, die Politiker.

In der vierten Schlacht am Bergisel bei Innsbruck verloren die von Österreich allein gelassenen Tiroler schließlich gegen die nun drückende Übermacht der napoleonisch-bayrischen Truppen. Tirol wurde vollständig besetzt, der Aufstand war niedergeschlagen.

Die Besatzer herrschten nun wie die Wildsäue und exekutierten vor allem in Südtirol Aufständische. Andreas Hofer fanden sie im Januar 1810 in seinem Versteck auf der Pfandleralm, nachdem er verraten worden war. Napoleon persönlich ordnete die Exekution Andreas Hofers an, die in Mantua am 19. Februar 1810 vollstreckt wurde.

Die legendären Umstände seiner Hinrichtung sind bestimmt verklärt und überhöht, aber sie zeigen dennoch, wie Andreas Hofer dann am Ende zwar sein Leben verloren, aber auf eine bestimmte Weise doch für die Tiroler gewonnen hatte.

Dem Kommandanten des Exekutionskommandos schenkte er seine letzte Münze, einen Sandwirt-Zwanziger, und sagte dabei, die Münze erinnere ihn an sein geliebtes Land Tirol. Dann nahm er, der berühmte Schütze und Anführer, dem Kommandanten den Schießbefehl aus der Hand und gab ihn selbst: „Gebt Feuer!“

Als er nach der ersten Salve getroffen war, aber sich immer noch aufrecht auf den Knien hielt, soll er spöttisch gesagt haben: „Was schießt ihr schlecht!“

Die zweite Salve traf ihn im Gesicht, er fiel zu Boden, lebte aber noch immer.

Da ging der Kommandant zu ihm hin und gab ihm den Gnadenschuss.

Napoleon und seine Offiziere waren nun vielleicht am Ende seine Herren, aber sie waren nicht seine Meister. Sie hatten die formale Macht, aber er hatte die Autorität. Sie konnten ihn erschießen, aber sie konnten ihm nicht seine Ehre und seine Würde nehmen. Sie hatten den Krieg gewonnen, aber sie hatten die Herzen der Tiroler verloren.

So konnten die Tiroler zwar damals besiegt und in der Folge bis heute in drei Teile aufgeteilt und teilweise in Fremdherrschaft unterdrückt werden, aber ihr Stolz wurde nie gebrochen, sie wurden nie gezähmt.

Natürlich hinterlassen 200 Jahre Unterdrückung ihre Spuren, aber wer sich in Südtirol längere Zeit aufhält, mit den Einheimischen spricht, die souveräne Ruhe beobachtet, mit der sie ihre Traditionen pflegen und ihre Flagge hissen, wer ihre Widerstandskraft spürt, sowohl gegen die Urkräfte der Natur in den Bergen als auch gegen die drückende Italienisierung, der weiß, dass da dieser Funken immer noch glüht. Dieser Freiheitsfunken, der nur darauf wartet, dass einmal genügend Brennstoff da ist und ein frischer Wind das alte Feuer wieder entfacht.

Freiheitsfunken

Wir Freiheitlichen heute haben auch verloren. Die Sozialisten, Etatisten und Paternalisten in den politischen Parteien, und das sind ja die Fürsten von heute, haben haushoch gewonnen, sie haben sich die deutschsprachigen Länder in den letzten Jahrzehnten zur Beute gemacht und die Minderheit der wertschöpfenden Bürger versklavt. In 2.000 Jahren Geschichte wurden der Bevölkerung noch nie so hohe Steuern und Abgaben abgepresst wie heute. Widerstandsbewegungen, Kriege und Aufstände wurden wegen weitaus geringerer Repressalien ausgelöst als die der Corona-Maßnahmen.

Aber ich finde, die Chancen stehen nicht schlecht, dass die neuen Fürsten eigentlich doch verloren haben. Jedenfalls haben die Parteipolitiker und ihre Kumpane in den Medien, in den Schulen und Universitäten, in den Gerichten und Behörden zwar die formale Macht übernommen und die opportunistische Mehrheit sediert, aber sie haben die Herzen der Freiheitlichen verloren. Die Einigkeit ist dahin, die Gesellschaft ist zerrissen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis unsere Freiheitsfunken durch einen frischen Wind angefacht werden. Das alte Feuer von Arminius, Wilhelm von Ockham, Wilhelm Tell, Jan Hus, Martin Luther, Thomas Müntzer, Götz von Berlichingen, Andreas Hofer, Friedrich Hecker, Hans Scholl, Helmuth James Graf von Moltke ist nicht gelöscht. Wird nie gelöscht sein.


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