05. Oktober 2022
Energiekrise am Kipppunkt: Mit Vollgas im Rückwärtsgang
Wie der Arroganzpegel der Politiker steigt
von Oliver Gorus
Die unter der Arroganzschicht vibrierende Unsicherheit und Nervosität der regierenden Politiker und ihrer Freunde sind förmlich zum Greifen. Man möchte am liebsten diesen überforderten Stümpern die überhebliche Maske aus dem Gesicht ohrfeigen … wenn das irgendwie ginge.
Das grünsozialistische Wirtschaftsministerium des Habeck twitterte Ende September: „Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung: Die deutschen Gasspeicher sind über 90 Prozent gefüllt. Volle Speicher sind wichtig für unsere #Versorgungsicherheit im Winter, ersetzen aber das #Energiesparen nicht. Gemeinsam schaffen wir das Ziel #20Prozent weniger Verbrauch.“
An diesem Propaganda-Tweet stimmt nichts. Dass die Gasspeicher Ende September voll sind, ist keine Leistung, sondern völlig normal. Das basiert einfach auf den Abnahmeverträgen und ist in jedem Jahr so. Zudem gehört ein großer Teil des gespeicherten Gases gar nicht der deutschen Regierung oder ihren korporatistischen Kumpels, sondern wird nur für andere EU-Staaten zwischengelagert.
Aber selbst wenn deutsche Haushalte und Unternehmen sämtliches Gas, das sich momentan in den Speichern befindet, verwenden dürften, würden diese 90 Prozent gerade mal bis etwa Weihnachten reichen. Die deutsche staatliche Gasversorgung basiert nämlich auf den winterlichen Lieferungen durch die Pipelines aus Russland. Jeder kann sich das ganz einfach selber ausrechnen: Die Kapazität der deutschen Speicher ist etwa 250 Terrawattstunden (TWh). 90 Prozent davon sind 225 TWh. Von Oktober 2020 bis März 2021 wurden 632 TWh verbraucht. Es reicht also nur ein paar Wochen.
Die ministerial verbreiteten Graphiken und Sprüche, die suggerieren, der Tank sei voll und die Versorgung deswegen sicher, ist also nur ein Pfeifen im Walde.
Rückwärts immer
Die gratis mitgelieferten paternalistischen Sparappelle beseitigen auch dann nicht den politisch verursachten Mangel, wenn alle versuchen würden, sich daran zu halten. Auch Preisdeckel helfen da nicht. Preisobergrenzen vergrößern generell den Mangel. Regelmäßig. Immer und überall. Auf Preisdeckel folgt in der Interventionsspirale immer Rationierung. Zwangsläufig. Historisch belegt. Und auch Rationierung behebt keinen Mangel. Sie verwaltet den Mangel nur, wie wir das aus sozialistischen Gesellschaftshöllen weltweit seit über hundert Jahren kennen.
Es ist fast schon langweilig, zum x-ten Male zu beobachten, wie Politiker eine florierende Marktwirtschaft mit Wohlstand für alle in kürzester Zeit in einen erbärmlichen Sozialismus mit Armut für alle verwandeln.
Es ist immer das gleiche Muster: Wenn Marktwirtschaftler an hohen Preisen eine Knappheit erkennen, investieren sie und beseitigen den Mangel, dann sinken die Preise. Doch dann kommen die Politiker: Wenn sie an hohen Preisen erkennen, dass ihre Macht bedroht ist, weil sie ja diejenigen sind, die den Mangel durch ihre Markteingriffe produziert haben, machen sie einen Preisdeckel drauf. Preissignal weg, Mangel verschlimmert.
Wenn als Nächstes die Rationierungen von Strom und Gas kommen, werden sie es nicht Rationierung nennen, sondern „Demand Management“ oder „angebotsorientierte Versorgung“ oder so ähnlich. Sie werden versuchen, den zivilisatorischen Rückschritt als Fortschritt zu verkaufen. Aber es ist alles nur altes, schon allzu oft gescheitertes Zeugs aus der planwirtschaftlichen Mottenkiste.
Eine Zivilisation rückwärts zu entwickeln, heißt, sie abzuwickeln. Das ist nun wirklich kein Grund für Arroganz.
Als ein AfD-Bundestagsabgeordneter letzte Woche im Parlament eine zugegebenermaßen blöd gestellte Frage in Bezug auf die offensichtliche Gasmangellage an die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Brantner richtete – er wollte wissen, was sie den Arbeitslosen sagen wolle, die wegen des Gasmangels arbeitslos werden –, antwortete sie: „Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie anerkennen, wie beeindruckend es uns gelungen ist, die Gasspeicherständer auf ein solch hohes Niveau zu bringen.“ Und das war die ganze Antwort.
Kriegszustand
Solche Frechheit, solche Unverschämtheit, solcher Hochmut gegenüber einem Volksvertreter und Kollegen aus dem gegnerischen Lager und damit gegenüber einem Teil des durch ihn repräsentierten Wahlvolkes ist natürlich erstens typisch Politiker, zweitens ein Zeichen grenzenloser Überheblichkeit der Mächtigen, aber drittens eben auch ein Zeichen von Unsicherheit.
Denn selbstverständlich überspielt die zur Schau gestellte Frechheit hier nur die Argumentationsmangellage. Das grünsozialistische Energiesystem basiert letztlich auf Zerstörung der Wirtschaft durch Rationierung. Und Rationierung basiert auf Zwang und Kontrolle. Und Zwang und Kontrolle basieren auf staatlicher Gewalt. Das ganze grüne Wolkenkuckucksheim ist eine orwellsche Hölle von autoritärer Gewalt gegen das eigene Volk.
Die Energiekrise ist darum bei genauerem Hinschauen eine Staatskrise. Und das wissen die Regierungspolitiker ganz genau. Sie wissen, dass sie für die Zerstörung des Wohlstands und damit für Millionen von verlorenen Lebensjahren in der Bevölkerung verantwortlich sind. Sie führen einen Krieg gegen das eigene Volk. Nichts anderes ist das. Und sie wissen das ganz genau. Dass die arroganten Sprüche da mit zittriger Stimme vorgetragen werden, finde ich ganz verständlich. Denn initiierende Gewalt wird unter Menschen gewöhnlich mit Selbstverteidigung beantwortet.
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Kommentare
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