12. Januar 2022

Sind wir nicht alle ein bisschen raus? Der Bunte Bund deutschsprachiger Länder – ein gut gemeintes Angebot

Warum Kleinstaaterei keine schlechte Idee ist

von Oliver Gorus

Dossierbild

mittwochs um 6 Uhr

Vor einigen Tagen bekam der „Focus“-Journalist und Kolumnist Jan Fleischhauer enorme Resonanz auf seine Kolumne, in der er als „vollständig“ geimpfter und geboosterter Allesmitmacher bekundete, die Hysterie der Schreckensszenarien anrollender Corona-Wellen nicht mehr mitzumachen und sein Leben nicht mehr an hypothetischen Modellen von „Experten“ auszurichten, die stets das Schlimmste annehmen. #Ichbinraus, schrieb er und trat damit seinerseits eine Welle los, die durch die Öffentlichkeit schwappte.

Ich surfte ein Stückchen mit und twitterte, dass ich raus war, raus bin und raus sein werde und dass ich von Anfang an der Meinung war, Gesundheit sei Privatsache.

Auch ich bekam Resonanz. Nicht so viel wie Fleischhauer, aber genauso polarisiert: viel Zustimmung einerseits und eine gute Portion Gehässiges andererseits. Letzteres war nach einem bestimmten durchgängigen Muster gestrickt, und das fand ich interessant.

Der Tenor klang etwa so: „Ja, dann bitte raus aus dem Land!“ – „Hoffentlich weit weg und nicht in unserem Sozialstaat!“ – „Prima, hau einfach ab! Und wieder wird dieses Land ein Stück besser.“ – „Und tschüss.“ – „Die Gesellschaft kann auf Typen wie dich verzichten.“ – „Bitte wandere endlich aus!“

Ich würde es mir zu einfach machen, diese Rückmeldungen einfach als Dummheit, Hass, Überheblichkeit und so weiter abzutun. Diese Abstoßungstendenz der anderen Weltsicht, dieses Loswerdenwollen des Andersdenkenden ist doch auch einfach die nackte Realität. Die meinen das wirklich so: Die wollen Leute wie Sie und mich irgendwie wegmachen, irgendwie entfernen, irgendwie aus ihrer Welt schaffen. Die Menschen sind so. Und so sehr sie auf der einen Seite damit komplett im Unrecht sind, so sehr haben sie – und das ist meine These – damit vollkommen recht!

Denn Kollektivisten und Individualisten können unterm Strich einfach nicht zusammenleben.

Der real existierende Sozialismus

Bei diesem Licht betrachtet, hatte die vierzigjährige Teilung Deutschlands in Bundesrepublik und DDR etwas Gutes. Vielleicht war das sogar der heimliche Kern des frühbundesrepublikanischen Erfolgsrezepts: Vielleicht gab es die relativ heile Welt im Westen nur wegen der Existenz der auf andere Weise heilen Welt im Osten.

Ja, selbstverständlich hätte es Freizügigkeit in beide Richtungen geben müssen. Aber abgesehen von der Mauer … wenn ich beobachte, wie viele Politiker, Journalisten, ÖRR-Journaktivisten und viele, viele Hierlebende sich aufführen: Denunziantentum und Spitzelei, Gehässigkeit, der scheinbar selbstverständliche Anspruch, von den übrig gebliebenen Nettosteuerzahlern versorgt zu werden, der ewig dauernde feuchte Traum eines bedingungslosen Grundeinkommens, die Kultur des Lebens auf Kosten anderer, der Neid auf die Reichen, der Hass auf die Unternehmer, der belehrende Staatsrundfunk, der Wunsch nach Verboten und Zwängen, der blanke Etatismus, die Planwirtschaft stets als erste Problemlösungsidee – das alles passt doch heute so gut wie damals zu einem sozialistischen Staat, der die Menschen zu ihrem Glück zwingt. Also zu dem, was die Partei als Glück definiert.

Ein großer Teil der Deutschsprachigen, vermutlich die satte Mehrheit, pfeift auf Selbstverantwortung, Selbstbestimmung, Freiheitsrechte und das ganze liberale „egoistische“ Brimborium. Sie wollen lieber versorgt und beschützt werden, sie wollen Zwang solidarisch nennen, sie wollen beherrscht und regiert werden, sie sind das Gegenstück zum Paternalismus (der heute die Gestalt eines ätzendem, in kreideauftafelquietschendem Ton moralisierenden Maternalismus angenommen hat), ja, sie sind das ergebene, willige Gegenstück zum Totalitarismus.

Wer beherrscht und bemuttert werden will, findet seine Unterdrücker jederzeit, an denen herrschte in der Geschichte noch nie Mangel, wenn man sie brauchte.

Nur: Was geht das mich an?

Jeder möge nach seiner Fasson selig werden

Oder anders gesagt und umgekehrt betrachtet: Warum sollten wir dieser Schneeflocken-Generation, diesen woken, gendernden, überall Nazis sehenden, vollversorgten, hysterischen, ewig adoleszenten Anspruchstellern zumuten, in Freiheit und Selbstverantwortung leben zu müssen? Das wäre doch unfair!

Warum sollten wir den Kollektivisten abverlangen, nicht von Transfers zu leben? Nicht abgesichert zu sein, für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit selbst sorgen zu müssen? Ohne Ansprüche, ohne Schutz vor herausfordernden Lebenssituationen, ungepuffert, selber denkend, selber Entscheidungen treffend, ganz ohne öffentlich-rechtliche Meinungsbetreuung? – Ich finde, das geht nicht. Ernsthaft! Das wäre eine glatte Überforderung und würde diesen führungsbedürftigen Seelen nicht gerecht. Und es möge doch jeder nach seiner Fasson selig werden!

Der größte Teil der Gesellschaft will beherrscht werden. Ja, warum sollen sie das nicht dürfen? Erkennen wir dieses Bedürfnis doch einfach mal an. Und die sind dann eben auch vor uns gefährlichen Freiheitlichen zu beschützen, denn wir machen diesen Leuten offensichtlich Angst. Und diese Angst macht sie nur fies und gemein und gehässig. Und das muss doch nicht sein.

Das wäre mein Vorschlag

Darum plädiere ich, um der Kollektivisten genauso wie um der Freiheitlichen Seelenheil willen, dringend für artgerechten Lebensraum für alle. Bereinigen wir die Welt der Sozialisten von den Freiheitlichen. Kehren wir den Schmutz auf einen Haufen. Räumen wir auf. Die Kollektivisten mögen uns einfach fünf bis zehn Prozent des Territoriums überlassen, mehr brauchen wir ja gar nicht. Im Gegenzug werden sie uns los. Und wir sie. – Deal!

Auf dem Rest des bislang noch von deutschsprachigen Menschen besiedelten Gebiets können sie ihre monopolistischen Staatswesen weiterzüchten, ihre sozialistische Umverteilungsdemokratur mitsamt inbrünstiger Tyrannei der Mehrheit. Ich stelle mir das ganz schön bunt vor: In manchen Innenstädten könnte dann endlich vom Muezzin das Kalifat ausgerufen werden. In manchen östlichen Landstrichen dürfte sich dann eine traditionalistische, landjugendhafte, rechtsmarxistische Volksgesellschaft mit Mistgabeln und fahnenschwingenden Fackelzügen abspalten. In ganz besonders woken und urbanen Lastenfahrradgebieten darf im Schlagschatten der Windräder die ökosozialistische Diktatur ausgerufen werden, mit Sozialpunkten auf dem Green Pass, Verbrennerverbot, Totalüberwachung, Dunkelflauten-Strompause und allem Drum und Dran. Und die Transferempfänger könnten sich dann endlich gegenseitig ein Grundeinkommen bezahlen …

Ja, warum nicht zum Flickenteppich des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurückkehren? Nur eben in modern: Als Bunter Bund deutschsprachiger Länder. Mit offenen Grenzen und freiwilliger Zugehörigkeit.

Mein Punkt ist: Ich will die Wahlfreiheit! Leben und leben lassen. Aber bitte nicht mehr im selben Land!


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