05. April 2016
RezensionGreg Woolf: Rom
Die Biographie eines Weltreichs

Der Brite Greg Woolf, einer der renommiertesten Rom-Experten, verfügt über eine für Historiker außergewöhnliche Gabe: Er kann glänzend erzählen, ohne sich in Faktenhuberei zu ergehen. Er zeigt gleich zu Beginn in einer fulminanten Kurzversion der Geschichte Roms auf 16 Seiten, dass er die wesentlichen Entwicklungen mit klaren Strichen zeichnen kann, die er auf den folgenden rund 450 Seiten dann konturiert. Nach Überlegungen zum „Weltreich als Vision“ verwebt Woolf geschickt verschiedene Aspekte dieses sich entwickelnden und dann zerfallenden Imperiums mit der Chronologie. Jedes der 18 Kapitel wird mit einer Zeittafel und einem klug gewählten Zitat antiker Autoren eingeleitet. Dabei gelingt es Woolf, neue Antworten auf alte Fragen zu finden und neue Fragen zu stellen – zur Rolle der Umwelt („Ökologie eines Weltreichs“) oder der Bedeutung der Sklaverei für die Reichsherrschaft, zu moralischen Aspekten, der Frage einer römischen Identität oder der Rolle der Religionen, um nur einige zu nennen. Dabei wird das Bild von Rom nicht revolutioniert, aber hier und da werden besondere Akzente auf der Basis aktueller Forschung gesetzt. Woolf geht nicht zuletzt der Frage nach, wie Weltreiche enden. Er stellt die These auf, „dass eher Fortbestand und Überleben erklärungsbedürftig sind als Niedergang und Fall“. Die Fähigkeit Roms habe lange in einer äußerst glücklichen Krisenbewältigung bestanden. Als es vom 5. bis 7. Jahrhundert zu Ende ging, kulminierten laut Woolf drei Faktoren: Invasionen, innerer Zerfall und dramatische Verkleinerung des Reiches. Dass es sich um eine „Biographie“ Roms handelt, wird darin deutlich, dass es der Autor in seinen Lebensphasen und Erscheinungsformen porträtiert – und dabei sein „Subjekt“ nicht schönt oder verzerrt, sondern mit all seinen Furchen und Widersprüchen, aber auch seinem Selbstbewusstsein und Stolz angesichts einer rund 1.500-jährigen Geschichte zeigt.
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