15. November 2024
EinBlick: Zentralbankräte als Überzeugungstäter?
Von jenen, die Inflation und Krisen scheinbar ohne Ahnung erzeugen
von Thorsten Polleit
Es ist eine vielleicht für viele unangenehme, aber offenkundige Einsicht: Die Zentralbankräte „bekämpfen“ nicht die Inflation, sie erzeugen sie. Manchmal produzieren sie mehr, manchmal weniger Inflation. Aber niemals „bekämpfen“ sie sie. Die Zentralbankräte sind keine „Währungshüter“, sondern Herabsetzer des Währungswertes, manchmal sogar Währungszerstörer. Und als wenn das noch nicht genug wäre: Mit ihrer Geldpolitik „glätten“ die Zentralbankräte auch nicht den Konjunkturverlauf, nein, sie sorgen für künstliche Aufschwünge („Booms“), die nachfolgend in sich zusammenbrechen und in einem Abschwung („Bust“) enden.
Das liegt am Fiatgeld, das die Zentralbanken – in überaus enger Kooperation mit den Geschäftsbanken – ausgeben. Die dadurch ausgelösten Zins- und Preisverzerrungen verursachen Fehlentwicklungen auf breiter Front und enden in Finanz- und Wirtschaftskrisen. Doch mittlerweile kann man sich des Verdachts nicht mehr erwehren, die Abfolge von Krisen sei Folge geldpolitischer Fehler, die die Zentralbankräte begingen. Dem steht entgegen, dass die grundsätzlichen Probleme mit dem Fiatgeld weithin bekannt sind, und man muss davon ausgehen, dass auch die Zentralbankräte sie kennen.
Auch das Problem der „Zeitverzögerung“ ist ihnen sicherlich nicht unbekannt: dass es also Zeit braucht, bis eine Zinssenkung oder Geldmengenerhöhung ihre Wirkung auf das volkswirtschaftliche Geschehen entfaltet. Die Zentralbankräte wissen bestimmt auch, dass das Auf und Ab der Geldmenge ganz entscheidend ist: Eine Erhöhung oder Senkung der Geldmenge heute wirkt mit einer zeitlichen Verzögerung (von derzeit schätzungsweise etwa zwei Jahren) auf Mengen und Güterpreise. Und je stärker das Auf und Ab der Geldmenge, desto größer auch die Wirtschaftsausschläge, vor allem die Absturzgefahren der Volkswirtschaften.
Doch man höre und staune: Die Zentralbankräte orientieren sich nicht mehr an der Geldmenge. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Leitzins, und sie setzen ihn in Abhängigkeit von der laufenden Inflation. Und wenn sich gar eine Krise abzeichnet, schmeißen sie die elektronische Notenpresse bedingungslos an, um strauchelnden Staaten und Banken jede gewünschte Kredit- und Geldmenge bereitzustellen.
All das trägt nicht nur dazu bei, immer schwerere Störungen im Wirtschaftsablauf und Inflationsschübe zu verursachen und die Gesamtverschuldung der Volkswirtschaften in die Höhe zu treiben. Die geldpolitisch erzeugten Krisen ebnen auch den Weg zum immer mächtigeren Staat (wie wir ihn heute kennen).
Denn für den Staat sind Krisen ein gefundenes Fressen, ein Wachstumselixier. In Krisenzeiten können die Regierenden ihre Macht besonders gut ausweiten, Eingriffe in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben vornehmen, die sie in „normalen Zeiten“ so nicht wagen würden. Mit immer neuen Regeln, Vorschriften und Gesetzen, aber vor allem auch mit immer mehr schuldenfinanzierten Ausgaben arbeitet sich der Staat (wie wir ihn heute kennen) gerade in Krisenzeiten zum dominanten Spieler in der Volkswirtschaft herauf. Kein Aspekt des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens entkommt seinen Eingriffen. Früher oder später bestimmt der Staat, was wann, wie, wo und in welcher Menge produziert wird und wer was, wann in welcher Menge konsumiert.
Das Ergebnis ist eine Lenkungs- und Kommandowirtschaft, die nicht nur die materielle Güterversorgung der Menschen verschlechtert, sondern auch die verbliebenen Freiheiten der Menschen zerstört.
Und so ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass die zusehends sozialistischere beziehungsweise faschistischere Politikgesinnung auf nationaler und internationaler Bühne – die unter dem Banner „Great Reset“, „Agenda 2030“ oder „Neue Weltordnung“ vorangetrieben wird – durch die Geldpolitik der Zentralbankräte maßgeblich befeuert wird. Wer meint, die Zentralbankräte würden fortan für niedrige Inflation sorgen, der irrt vermutlich – wie einleitend bereits angemerkt. Und ebenso irrt vermutlich auch der, der meint, die Geldpolitik der Zentralbankräte würde Krisen „bekämpfen“.
Wer sagt uns, dass sie nicht gezielt Krisen erzeugen? Die kommenden Jahre werden zeigen, ob der Verdacht sich bewahrheitet. Wer den Zentralbankräten nicht über den Weg traut, der sollte Folgendes erwarten: Die offiziell gemessene Inflation wird sehr wahrscheinlich in vielen Währungsräumen zunächst noch stark fallen. Aber der Zinssenkungszyklus, den die Zentralbankräte bereits eingeleitet haben, und die anschwellenden Staatsschulden, die sie monetisieren werden, sprechen für eine Wiederkehr der Hochinflation, vermutlich bereits gegen Ende 2025 oder Anfang 2026.
Zudem legen die Zentralbankräte mit ihren Zinssenkungen bereits die Saat für die nächsten Verwerfungen – deren extreme Ausmaße sie mit neuer Kredit- und Geldmengenvermehrung abzumildern trachten. Und doch werden sie immer noch heftig genug sein, um staatliche Machtausweitung zu ermöglichen. Solange das Zentralbanksystem also nicht abgeschafft wird, gehen die Volkswirtschaften einem allmächtigen Staat entgegen – vermutlich ganz so, wie ihn sich die Apologeten des „Great Reset“ ausmalen.
Information
Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 18. Oktober erschienenen November-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 247.
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