16. Oktober 2024
RezensionAndreas von Westphalen, Georg von Westphalen: Hilfe, ich bin ein Mensch!
Verblüffende Antworten auf existenzielle Fragen. Durchgängig farbig illustriert
Der Mensch ist besser als sein Ruf. Diese Antwort auf die anthropologische Grundfrage nach der überzeitlichen Natur des Menschen versuchen zwei Brüder in Form eines intelligent gestalteten Comics zu beantworten. Das ist durchaus mutig, denn bis vor Kurzem war diese Frage bei den Anhängern der „Woke“-Ideologie tabu. Hier gilt die Devise, dass sich jeder nach eigenem Gutdünken beliebig selbst gestalten kann, indem er zum Beispiel jedes Jahr sein eingetragenes Geschlecht wechselt. Ausgehend von einer Vielzahl von anthropologischen, historischen, soziologischen, psychologischen und neurobiologischen Forschungsergebnissen, mit denen sich die Leser über QR-Codes intensiver beschäftigen können, gehen die Autoren der Vermutung nach, dass Menschenbilder wie selbsterfüllende Prophezeiungen wirken: Wer den Menschen wie beispielsweise Thomas Hobbes für grundsätzlich egoistisch hält, sieht keine Alternative zur absoluten Monarchie beziehungsweise zu einer Diktatur. Wer hingegen den Menschen wie Jean-Jacques Rousseau für grundsätzlich gut hält, kommt zu freiheitlicheren Schlüssen. In der Praxis wurden allerdings die schlimmsten totalitären Tyranneien mit Rousseau und nicht mit Hobbes begründet. Das ist ein schwerwiegender Einwand gegen die Grundthese dieses Buches. Es stimmt aber, dass eine Vielzahl wissenschaftlicher Experimente zeigt, dass die große Mehrheit der Menschen Altruisten sind, die nicht dem von der neoklassischen Ökonomie geprägten Bild des Homo oeconomicus entsprechen. Leider wird diese Tatsache von Diktatoren und sozialdemokratischen Umverteilern missbraucht. Im Namen des „Wir“, das heißt der rousseauistischen „Volonté générale“, zögern politische Parteien nicht, einem Drittel der Wähler das Menschsein abzusprechen. Fazit: In diesem bunten Buch steht viel Richtiges über die grundsätzlich freundliche menschliche Art. In Verbindung mit den Links zu weiterführender Literatur könnte man es sogar als Nachschlagewerk verwenden. Was zu kurz kommt, sind Erklärungen für die Existenz des Bösen.
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