13. Mai 2021

#allesdichtmachen als Politikum Wir leben in der besten DDR aller Zeiten

Haben sich die Inquisitoren diesmal überhoben?

von Milosz Matuschek

Dossierbild
Bildquelle: shutterstock

Es gibt so Sätze, bei denen kam man zuerst ins Grübeln, bis man sie irgendwann nicht mehr hören konnte. Einer dieser Sätze lautet: „Wir leben in einem freien Land, in dem man sagen kann, was man will.“ Diesen Satz lieben Mainstream-Journalisten, Rundfunk-Apparatschiks und sonstige Gatekeeper innigst, denn es ist ihr Freifahrtschein, bei jeder Gelegenheit Debatten zu verhindern und das freie Wort in den Würgegriff zu nehmen.

Gerade passierte es wieder. Über 50 deutsche Schauspieler, durchaus die Crème de la Crème des Fernsehens wie Jan Josef Liefers, Ulrich Tukur, Volker Bruch und andere, haben in hintergründigen Video-Statements unter dem Hashtag #allesdichtmachen die Corona-Politik der Bundesregierung und die dysfunktionale Debatte darüber aufs Korn genommen. Die Aktion trifft ins Schwarze und leuchtet grell aus, was gerade aus dem Ruder läuft: das Informationsvakuum, die Expertokratie, die Kollateralschadenverharmlosung, die Bevormundung. Der Aufschrei war groß, erwartbar und wie immer lehrreich. Doch wäre es nicht mal an der Zeit, die Konsequenzen daraus zu ziehen?

Im Kern geht es um Folgendes, und es ist ja immer das Gleiche: Jemand sagt etwas Medien- und Regierungskritisches oder etwas, was der allgemeinen herrschenden Meinung widerspricht. Und der Eiertanz beginnt. Die Betroffenen werden verlässlich durch das Stahlgewitter der Zersetzungspropaganda gejagt, dass man die Uhr danach stellen kann:

Erstens: Kontaktschuld zu rechts! Guckt mal, wer euch applaudiert. Zweitens: Eine Prise Neid: Euch geht‘s doch noch sehr gut! Drittens: Hm, vielleicht könnte man den Aufstand in Moralsoße ertränken? Na los: Das ist eine Verhöhnung der Opfer, der Pflegekräfte! Viertens: Noch etwas DDR-Sprech: Seid ihr wirklich so naiv?

So schlägt man auf die Form (Satire), um nicht über den Inhalt sprechen zu müssen. Man diskutiert Deplatforming und Berufsverbot. Man droht hinter den Kulissen und zählt die Abweichler und Umfaller, die glauben, sich so noch retten zu können. Die kleine Schauspielerrevolte muss dringend eingedämmt werden!

Worum es wirklich geht, hat Mitinitiator und Tatort-Regisseur Dietrich Brüggemann auf den Punkt gebracht: „Ja klar habe ich Respekt vor allen Ärzten und Pflegern. Ich habe auch Respekt vor all denen im Lande, die im Eimer sind und nicht mehr weiterwissen. Und jetzt möge mir mal einer erklären, warum das eine zwingend das andere erfordert. Und warum unsere ganze Gesellschaft in einer Art Kriegszustand sein muss, in der die gesamte Zivilgesellschaft strammzustehen hat und nichts anderes mehr wichtig ist als der Kampf gegen den einen maximalen Feind. Und wer fragt, ob dieser Feind wirklich so maximal ist und ob man den vielleicht auch mit anderen, zivilen Mitteln bekämpfen könnte, der ist ein Leugner und Volksfeind und muss an die Laterne gehängt werden. Ihr merkt gar nicht, was für Reflexen ihr hier nachgebt, aber das ist Teil des Problems.“

Für diejenigen, für die das möglicherweise ein Novum ist, sei gesagt: So läuft es seit Monaten und Jahren in der besten DDR, die es in Deutschland je gab, und zwar egal bei welchem Thema, ob Migration, Klima oder jetzt eben Corona. Wer sich organisiert, sei es in Wissenschaftsaufrufen, als Basispartei, in einer Abstimmungsinitiative als kritische Aktivisten, als kritische Staatsanwälte und Richter oder in Form von Unterschriftenlisten gegen Cancel Culture, wie es der Philosoph Gunnar Kaiser und ich mit einigen Mitstreitern im Spätsommer letzten Jahres taten, bekommt den Gegenwind von denen zu spüren, die tatsächlich meinen, man könne Debatten durch Diffamierung der Protagonisten gewinnen. Es sind die bekannten Reflexe in der Rundfunkräterepublik, wo nannyhafte Apparatschiks über gute und schlechte Kunst beziehungsweise gehorsame und ungehorsame Künstler glauben entscheiden zu können.

DDR-Propaganda, Netzfund

Bisher traf es Einzelne: Hach, der Wendler, naja, Schlagersänger und Trash-TV, den kriegt man leicht in die Idiotenschublade. In der Schweiz traf der Bannstrahl die Kabarettisten Marco Rima und Andreas Thiel. Dann hieß es: Nena auf Abwegen! Nun aber sind es über 50 bedeutende Schauspieler, und die kriegt man nicht so schnell weg. 

Gut, manche davon waren leider PCR-positiv, sind also durchgefallen beim „Political-Correctness-Responsitivity-Test“, als der Shitstorm kam, was eben zeigt: Manche sind vielleicht doch eher Darsteller als Künstler. Vielleicht bekommen diejenigen, die sich sofort von sich selbst distanziert haben, noch den ein oder anderen staatlich alimentierten Job, Ersatzdienst an der Volks-Impffront zum Beispiel.

Nur eines bekommen wir alle nicht, weil es nicht sein darf, und jeder mit Augen, Ohren und ein bisschen Restverstand kann es sehen: nämlich eine Debatte, die diesen Namen verdient. Überall nur die immer gleichen Talkshows, dieselbe kuratierte Meinungssoße. Die Diversität von heute ist so bunt wie der Ostblock früher grau war. In Rundfunk- und anderen Medien sind Hetz-Seilschaften am Werk, die die gesellschaftliche Spaltung aktiv vorantreiben, damit eine realitätsferne Politikerkaste in ihren Irrtumsbunkern besser dasteht. Es ist eine eigene Priesterkaste der Public Relations, es sind Politinfluencer, innerlich korrumpiert, eitel, machtgeil. Sie arbeiten nicht für den Leser, nicht für die Wahrheit, sondern für eine Ideologie des Korrekten, Guten und Unkritisierbaren. Bitte, danke, macht acht Milliarden Euro Rundfunkgebühr pro Jahr. Auf eines ist aber immer Verlass: Der Framing-Rundfunk hämmert sich bei jeder Debattenverhinderungs-Debatte einen weiteren Sargnagel in die Truhe.

Diese Aktion ist deshalb mehr als nur eine Protestnote von Schauspielern gegenüber einem immer übergriffigeren Pandemie-Regime. Sie hat das Potenzial, zum Sprengsatz für ein sklerotisches Medien- und Rundfunksystem zu werden. Es ist die Neuauflage des alten Kampfes von Kunstfreiheit gegen Kulturbürokratie. Es ist Zeit, den Spieß umzudrehen, liebe Schauspielerinnen und Schauspieler! Oder wer von euch hat ernsthaft Lust, gerade in einem System Karriere zu machen, in dem bei Regierungskritik offen mit beruflichen Konsequenzen gedroht wird?

Ihr habt das Publikum. Also habt ihr Macht. Für Rundfunkbürokraten ist „Don Carlos“ eine Rum-Marke. Für manche von euch ja vielleicht mehr. Oder um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“

Milosz Matuschek, Jahrgang 1980, ist Jurist, Journalist und Autor. Er war lange Kolumnist der „Neuen Zürcher Zeitung“ und bis Ende 2020 stellvertretender Chefredakteur des Magazins „Schweizer Monat“. Im September 2020 initiierte er gemeinsam mit dem Publizisten Gunnar Kaiser den „Appell für freie Debattenräume“, der sich gegen Cancel Culture wendet. 

Der vorstehende Artikel erschien zuerst im Satiremagazin „Nebelspalter“.

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv publizierten Beiträgen in der am 14. Mai erscheinenden Juni.-Ausgabe eigentümlich frei Nr. 213.


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