21. Dezember 2017
Alternative Presseschau: Kurz. Metoo. Tatort.
„Nullnummer“ der Presseschau als kleines Weihnachtspräsent an die ef-Leser

In der Vorweihnachtszeit berichteten die Medien abseits des Mainstreams über die Sexismusdebatte „Metoo“ und die neue österreichische freiheitlich-konservative Regierung. Im Feuilleton sorgte der aktuelle „Tatort“ für Schlagzeilen.
Kurz: ÖVP am langen Hebel
Auf „PI-News“ äußert sich der bekannte Islamkritiker Michael Stürzenberger anerkennend über die neue österreichische Regierung und sprach von einem „hervorragenden Regierungsprogramm, in dem der Kampf gegen den Islam ein wichtiger Punkt ist“. Stürzenberger lobt die umfassenden Kontrollen der gelehrten Korantexte in den Moscheen und die intensivierte Prävention vor Radikalisierung bei Asylberechtigten und subsidiär Schutzsuchenden.
Von liberaler Seite gab sich Andreas Tögel in eigentümlich frei skeptisch gegenüber den „Schwarz-Blauen“. In Sachen der Flüchtlings- und Immigrationspolitik bewege sich die Regierung zwar „in die richtige Richtung“, auch die Regierungsbildung sei „mit großer Professionalität“ erfolgt. Für die Freiheit scheinen sich die Freiheitlich-Konservativen allerdings nicht mehr einzusetzen: Die geplanten Vorstöße zur Abschaffung von ständischen Zwangsmitgliedschaften und die geplante Stärkung der direkten Demokratie sowie eine angedachte Steuerreform wurden „entweder begraben oder auf die lange Bank geschoben“.
In ganz Europa beglückwünschen rechte Parteien die Regierungsbildung in Österreich, wie das Nachrichtenmagazin „Zuerst!“ aus Kiel betont. Endlich setze sich eine Koalition für ein „Europa der Nationen“ ein. Die kurzfristige Reise des designierten Regierungschefs Kurz nach Brüssel stehe jedoch im Widerspruch zu den frisch geweckten Hoffnungen. Lobenswert wäre allerdings die Möglichkeit, die der deutschen Minderheit in Südtirol gegeben werde. Diese solle in Zukunft die Option haben, zusätzlich zur italienischen die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Die linke Tageszeitschrift „Junge Welt“ sorgt sich vor allem um die internationalen Beziehungen zu Israel: „Die Interaktion mit den Ministerien unter Führung der ultrarechten FPÖ sollte nur noch auf Beamtenebene erfolgen“, wie die israelische Regierung bekanntgab. Für Kritik sorgten ebenfalls die Schlüsselpositionen, die Minister der FPÖ einnehmen werden, wie Simon Loidl in der „Jungen Welt“ betont. Im Gegensatz zu „Zuerst!“ und ef sieht die genossenschaftliche Zeitung aus Berlin allerdings alle Forderungen der Rechtsregierung als erfüllt an. Gerade die liberalen Lockerungen auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen seien „erwartungsgemäß hart“.
„Metoo“: Verträge gegen die Leidenschaft
Nach der wochenlang andauernden „Twitterdebatte“ Metoo, bei der Frauen öffentlich bekanntgaben, Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein, nehmen immer mehr alternative Medien Stellung. In der „Blauen Narzisse“ erläutert und kritisiert Christian Schumacher die Debatte an sich und verweist auf das gesamtgesellschaftliche Problem des sittlichen und moralischen Verfalls.
kath.net äußerte sich ebenfalls skeptisch gegenüber „den (angeblichen) sexuellen Übergriffen, die in Schweden bizarre Züge annehmen“. Dort sollen Geschlechtspartner zukünftig eine schriftliche Einverständniserklärung des Partners einholen. „Kritik am schwedischen Metoo-Irrsinn ist nicht erwünscht“, so das christliche Portal aus Linz.
Auch das Berliner Politmagazin „Novo Argumente“ stellt sich gegen die „Kriminalisierung der Leidenschaft“. Autorin Josie Appleton greift die aktuelle Entwicklung scharf an. Sexuelle Beziehungen werden „steril, durchdacht, vertraglich abgesichert; gleich der Beziehung zwischen Prostituierter und Freier“.
Ganz anders wird die Debatte seitens des linken Indiemagazins „Jungle World“ geführt. Bei der Sexismus-Debatte komme es vor allem darauf an, dass „die entscheidende Frage auf die eklatante Verwobenheit von männlicher Sexualität mit Aggressionen und Gewalt zielt“. Das Erschreckendste an der Debatte: „Das scheinbare männliche Unwissen über das, was der bürgerlich-kapitalistische Alltag für Frauen bedeutet.“
„Tatort“: Schwacher Plot mit starkem Echo
Am Sonntagabend sorgte der neue „Tatort“ für ein geteiltes Echo. Die Produktion der Öffentlich-Rechtlichen zeigte eine Ermittlung im rechtspopulistischen Milieu. Die Analogie zur AfD war mehr als deutlich. Auf dem Blog „Philosophia perennis“ findet Simon Lange harte Worte und spricht davon, dass sich die „Macher des ‚Tatorts‘ dem politischen Diktat gebeugt haben“ und offene Propaganda betrieben.
Die „taz“ aus Berlin spricht von einem „durchschnittlichen“ „Tatort“ und kritisiert die „fehlenden Argumente gegen rechts“. Man dürfe sich aber freuen, dass die „neuen Patrioten“ noch immer die „alten Idioten“ seien, die sich selbst zerlegen. Autor Ambros Waibel lobte zugleich die deutsche Jugend, bei der die AfD weniger Zuspruch findet als bei den alten Wählern.
Auf dem Jenaer Blog „Jouwatch“ zeigt Volker Kleinophorst alle Analogien des „Tatorts“ bis ins kleinste Detail auf und kritisiert die „holzschnittartige Methode“ des öffentlich-rechtlichen Abendfüllers. Abseits der Propaganda und der „genretypisch bescheuerten Handlungen“ habe man sich allerdings „viel Mühe gegeben“.
Auch Vera Lengsfeld schreibt auf ihrem Blog von einer „Propaganda à la Sowjetunion“. Der Plot sei vollkommen der stumpfen Indoktrination untergeordnet, und man müsse den „Tatort“ eigentlich als „üble Nachrede und Verleumdung“ ansehen.
Das letzte Wort
Auf viel Unverständnis stieß der „Tatort“ in fast allen Kommentarspalten – sogar bei den linken Medien. Der Kommentator „Riesenbärenklau“ konstatierte auf „Jouwatch“ trocken, dass er trotzdem nicht ganz auf Mord und Totschlag verzichtet: „Wer sieht sich so einen Scheiß eigentlich noch an? Bei mir bleibt die Glotze bis auf Eastwood-Filme inzwischen sowieso aus.“
„PI-News“: „Regierungsprogramm Österreich: Politischen Islam bekämpfen“
eigentümlich frei: „Der Berg kreißte – und gebar
eine Maus“
„Zuerst!“: „Neue
ÖVP-FPÖ-Regierung in Wien: Diesmal bleibt die internationale Empörung aus“
„Junge Welt“: „Kurz und braun“
„Junge Welt“: „Israel schränkt Kontakte zu Österreich
ein“
„Blaue Narzisse“: „Mit mir auch nicht“
kath.net: „‚Vertragsschluss‘ vor dem Sex –
Schweden dreht durch“
„Novo Argumente“: „Die Kriminalisierung der
Leidenschaft“
„Jungle World“: „Aufklärung muss wehtun“
„taz“: „Neue Patrioten, alte Idioten“
„jouwatch“: „Tatort: Nazi killt Nazi“
Vera Lengsfeld: „Der ‚Tatort‘ als Gehirnwäsche“
Zusammenstellung: Florian Müller
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Kommentare
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