“Demokratie und Liberalismus sind streng genommen Gegensätze”

Interview mit André F. Lichtschlag

In: Campo de Criptana Nr. 6 (3.-4. Quartal 2004)

Der Herausgeber der wirtschafts- und lebenslibertären Zeitschrift “eigentümlich frei” ist bekannt als konsequenter Propagandist und Aktionist zur Abschaffung der Bevormundung auf den entscheidenden Gebieten der Gesellschaft. Gero Brandes sprach mit ihm.

CAMPO: Herr Lichtschlag, fangen wir an mit der Vergangenheit: Am 05. Juli ist Ronald Reagan im Alter von 93 Jahren gestorben. David Boaz bezeichnet ihn in der letzten eifrei als einen wahren Liberalen, als den Verfechter eines schlanken Staates. Ralf Dahrendorf, der in “Chance der Krise” verbal vor Empörung über den “blauen Radikalismus” – womit er vorallem Thatcher und Reagan meinte – die Hände förmlich über den Kopf schlug, würde ihm wohl heftigst widersprechen: Der Reagan-Staat sei kein “schlanker Staat”, denn dieser Staat blähte sich auf, allerdings eben nicht über den üblichen Staatsapparat, sondern über dessen Lieblingskinder – Militär und Polizei. Wessen Ansicht teilen Sie – und welche Visionen hinterlässt Reagan und seine Politik für einen Libertären? Ist freies Unternehmertum der einzige Garant der Freiheit?

Lichtschlag: Umgekehrt: Nur dort, wo freies Unternehmertum möglich ist, kann man von Freiheit sprechen. Es ist ein Merkmal von Freiheit, nicht ihr Garant. Ronald Reagans Rhetorik war oft radikal libertär. Sätze wie “Der Staat ist nicht die Lösung, der Staat ist das Problem” und seine an Ayn Rand erinnernden heroischen Hymnen auf das freie Unternehmertum sind in Deutschland von Politikern kaum vorstellbar. David Boaz hat in seinem Artikel für ef besonders herausgestellt, dass Reagan eine breite gesellschaftliche Rückbesinnung auf den Wert der Freiheit und auf die Wohlstand schaffende Kraft freier Unternehmer durch seine Reden mit ermöglichte. Reagans Handeln als Präsident stand leider im Widerspruch zu seiner Rhetorik und war oft sehr etatistisch. Das bemerkte auch Boaz. Mehr noch haben dies etwa die Libertären Murray N. Rothbard oder hierzulande Stefan Blankertz herausgearbeitet. Reagan war eben doch nur ein Politiker. Ich habe mir in den letzten Jahren etwas die Hörner abgestoßen und bin pragmatischer geworden. Schließlich gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne. Politik ist nicht gleich Politik. Ich lebe lieber in der BRD mit all ihren Fehlern als in Nordkorea. Deshalb möchte ich am Ende nach seinem Tod Ronald Reagan positiv bewerten. Und so wurde er auch in ef – zum Leidwesen der grundsatztreuen Freunde – am Ende aufgrund seiner wegweisenden Worte, nicht seiner Taten, eher in positivem Licht dargestellt.

CAMPO: Sie bezeichnen in der letzten eifrei die NPD als den “parteipolitischen Arm der Globalisierungsfeinde von ATTAC” – gehen Sie damit nicht ein wenig zu weit? Dass es zwischen einer Bewegung, die einen (starken) Staat als heilsnotwendigen Besserwisser, Öko-und Sozialkorrekteur verlangt und einer Bewegung, die nach einem (starken) Staat als Abbild nationalistischer Hegemonie gegen “Überfremdung” schreit, kleine Parallelen gibt, ist ja fast zwangsläufig.

Lichtschlag: Manchmal muss man Dinge überspitzt ausdrücken, um auf wahre Kerne hinweisen zu können. Und die Gemeinsamkeiten der Globalisierungskritiker von Attac und NPD haben einen wahren Kern, einen gemeinsamen antikapitalistischen, sozialistischen, nationalprotektionistischen Kern. Nationalismus und Sozialismus waren immer zwei Seiten derselben Medaille. Auch wenn mir kleine Unterschiede zwischen ATTAC und NPD bewusst sind, viele Programmpunkte sind fast gleichlautend. Es muss möglich sein, darauf pointiert hinzuweisen.

CAMPO: Was glauben Sie, wenn ein linker Globalisierungsgegner von Attac sich zwischen einer autoritären faschistischen Gesellschaft mit planwirtschaftlich-sozialistischer Wirtschaftspolitik und einer offenen, liberalen Gesellschaft mit einem freien offenen Markt, welche aber auch "Multi-Kulti", Datenschutz, Legalisierung von Drogen etc zulässt (als "Konzession" an die Linke), zu welcher Gesellschaftsordnung würde der Linke wohl tendieren?

Lichtschlag: Sie müssen natürlich als Etikett “Sozialismus” und nicht “Faschismus” drüberheften. Die meisten ATTAC-Linken würden sich dann gewiss für die nationalsozialistische Variante entscheiden. Das ist ja genau das Problem mit diesen Leuten.

CAMPO: Dass es zufällig Parallelen gibt in den Programmen von Attac und NPD heißt doch nicht, dass diese identisch sind. Muss nicht selbst dann, wenn gleiche oder annähernd gleiche Forderungen (wie eine protektionistische Zollpolitik) gestellt werden, nicht auch die (möglicherweise unterschiedliche) Motivation beider Seiten für die annähernd gleiche Forderung berücksichtigt werden?

Lichtschlag: Über Motivationen kann man immer nur spekulieren. Es ist ein schlimmer, fatalen Fehler, wenn man nicht oder wenig auf die Taten oder Worte, dafür aber stark auf vermeintliche Motivationen schaut. So kann man sich dann sogar Stalin “gut” lügen, obwohl dessen Taten mindestens so grausam waren wie die von Hitler. Naja, dessen Motivation lügen sich dann andere schön. Sie haben es ja nur gut gemeint mit ihren Massenmorden... Wenn man die Motivation hinter Worten wichtiger nimmt als die Aussagen selbst, dann ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

CAMPO: Sehen Sie sich durch die Europawahl gestärkt? Einerseits haben ja in Europa viele rechtskonservative und wirtschaftsliberale Parteien zugelegt. Andererseits haben in Deutschland Politikverdrossenheit und der Widerstand gegen allemal halbherzige Reformen u.a. PDS und NPD wieder auf's Schild gehoben – doch schlechte Zeiten für Libertäre?

Lichtschlag: Eine extrem niedrige Wahlbeteiligung und zunehmende Politikverdrossenheit sind gute Zeichen. Das frühere Urvertrauen vieler in die Politik hat den heutigen schon fast totalitären Wohlfahrtsstaat erst möglich gemacht. Der Sieg der UKIP in Großbritannien etwa – einer Partei, die offen gegen die EU streitet und für radikalen Freihandel eintritt – war auch eine positive Sache. Auf einen solchen politischen Hoffnungsträger müssen wir hierzulande leider noch warten. Andererseits sollte man sich von der Politik auch nicht zuviel erhoffen. Siehe Reagan.

CAMPO: Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Plebiszits. Manche Regierungschefs wollen ihr Volk über neue EU-Verfassung abstimmen lassen, doch in Deutschland zeichnet sich dafür keine Mehrheit ab. Warum nicht – und was sagen Sie dazu?

Lichtschlag: Wissen Sie, wenn Sie morgen das Volk darüber abstimmen lassen, ob die reichsten 5 Prozent sofort enteignet werden sollen, so würde das Volk wahrscheinlich zustimmen. Alle demokratischen Entscheidungen, die direkten und indirekten, sind insofern immer Bedrohungen der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit der Individuen. Demokratische Entscheidungen sind kollektivistische Entscheidungen. Demokratie und Liberalismus sind streng genommen Gegensätze. Dennoch: Wir leben nunmal in einem demokratischen Staat, einer demokratischen Umwelt. Und viele andere reale Umwelten sind schlechter. Insofern ganz pragmatisch: Bei der alles in allem grundüblen EU-Verfassung könnte es nicht schaden, das Volk auch mal direkt abstimmen zu lassen.

CAMPO: Sollte Ihrer Meinung nach ein “Recht auf Sezession” in die EU-Verfassung?

Lichtschlag: Unbedingt!

CAMPO: Vor kurzem hat sich in der FDP die “Libertäre Plattform” gegründet. Sehen Sie darin eine Chance, IHREN parteipolitischen Arm zu bilden und zu vollenden? Sehen Sie eine realistische Chance, in der FDP zumindest so etwas wie einen starken libertären Flügel zu etablieren – schließlich gab es in der FDP schon allerhand “Neu-Interpretierungs-” und “Unterwanderungsversuche” von links und rechts, die allesamt aber nicht “fruchteten”.

Lichtschlag: Ja, ich sehe darin eine realistische Chance. Ich glaube, dass wir von dem Projekt “Libertäre Plattform” noch viel hören werden. Natürlich sind die Libertären in Deutschland noch keine Massenbewegung. Und sie werden es vermutlich nie werden. Aber es werden Zeiten kommen, in denen man die konsequent liberalen Positionen auch in den Massenmedien wahrnehmen wird. Da bin ich sicher.

CAMPO: Manches liest sich in ihrer Publikation recht gut, wenn man es aber einmal weiterdenkt, kann es für Gänsehaut sorgen. Verständlich ist Ihre Wut gegen Subventionen; aber wenn ich mir für meine Region (Ruhrgebiet) vorstelle, dass auf einen Schlag die gesamten Bergbausubventionen gestrichen worden wären – so wäre dies wohl ein Schlag gewesen, von dem sich meine Region nur schwerlich erholt hätte. Wären Sie im Zweifel kompromissbereit?

Lichtschlag: Das Ruhrgebiet wurde doch zu Tode subventioniert, ein schleichender Tod. Die Bevölkerung dort ist die älteste in Deutschland. Man hat die Dinosaurier konserviert und dadurch Neues nicht wachsen lassen. Hätten Politiker nicht subventioniert, dann stünde das Ruhrgebiet heute wesentlich besser, moderner, jünger da. Das war ein Punkt, den ich an Jürgen Möllemann bewundert habe: Er hat sich vor die Kumpels gestellt, wurde mit Eiern und Tomaten beworfen – und sagte ihnen ins Gesicht: “So geht es nicht, wir müssen die Subventionen möglichst schnell streichen.” Leider sind die meisten Politiker verlogene Feiglinge. Sie subventionieren lieber weiter einen veralteten Bergbau-Arbeitsplatz oder einen Raps-Bauern in Bayern auf Kosten der Zukunftsindustrien. Der große Ökonom Frederic Bastiat hat es es auf den Punkt gebracht: Beachtet die Dinge, die man nicht sieht. Wir sehen die künstlich erhaltenen, subventionierten Steinzeitarbeitsplätze. Aber Politiker können nicht zaubern, nur verdecken und verdunkeln. Was man dadurch nicht sieht, sind die vielen wirklich rentablen Arbeitsplätze, die aufgrund der dafür fälligen Abgabenlast vernichtet wurden oder gar nicht erst entstehen konnten. Jede Subvention ist eine Vernichtung von besseren, weil marktgängigen Investitionen und eine Verschwendung, bei der auch noch in der subentionsverwaltenden und –verteilenden Bürokratie mehr als die Hälfte hängen bleibt.

CAMPO: Eigentümlich Freie beäugen mit besonderer Skepsis den DGB und dessen Kampf für “Arbeitnehmerrechte”, die gerade auch jetzt in einer von Friedrich Merz inszenierten Debatte über den Kündigungsschutz zur Disposition stehen. Sicherlich ist es richtig, dass es jedem lieber sein muss, befristet beschäftigt zu sein als unbefristet arbeitslos. Aber was - wenn mit der Abschaffung des Kündigungsschutzes eine Büchse der Pandora geöffnet wird, und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zu stark dem Abbau alter Arbeitsplätze hinterherhinkt, weil - salopp gesagt - der Mensch aus der Produktion verschwindet wie das Pferd aus der Landwirtschaft?

Lichtschlag: Das erinnert mich an die zwei Arbeiter, die an einer früheren gemeinsamen Baustelle vorbeikommen, an der jetzt ein Bagger ihre Arbeit verrichtet. Der eine meint: “Sieh mal, das haben damals zehn von uns mit Schüppen gemacht”. Da sagt der andere: “Ja, oder hundert von uns mit Teelöffeln.” Nun, es wird immer Bereiche geben, in denen der Mensch aus der Produktion verdrängt wird. Aber den Bagger muss auch jemand herstellen, warten und weiterentwickeln. Warum sollte der Mensch aus der Produktion verschwinden? Das wird uns jetzt seit 150 Jahren alle Jahre wieder bei jeder technischen Neuerung erzählt, dass technischer Fortschritt Arbeitsplätze vernichte. Was für ein Unsinn. Warum herrscht dann gerade dort Vollbeschäftigung, wo auf moderne Technik gesetzt wird? Und was Kündigungsschutzgesetze betrifft: Die sind der beste Schutz vor Neueinstellungen. Oder würden Sie in einer schwierigen Situation jemanden einstellen, den Sie bei Auftragsrückgang nicht mehr los werden? Das ist wie mit allen Schutzgesetzen: Mieterschutz sorgt für weniger Wohnraum, Mutterschutz sorgt für weniger Frauen in qualifizierten Jobs. Weil Politiker wie gesagt nicht zaubern können, sondern nur verdunkeln und verdecken.

CAMPO: Sie fordern eine konsequente Privatisierung aller Bereiche, so zum Beispiel auch der Bildung. Ich stimme mit Ihnen auf jeden Fall darüber überein, dass das deutsche Hochschulsystem der Zukunft nicht ohne Studiengebühren auskommen wird. Aber wie würde sich eine Privatisierung der “unteren Ebenen” auf das Bildungssystem auswirken. Wiedereinführung des Schulgeldes? Schulen, die nicht vom Staat, sondern entweder von Kirchen und Unternehmen geführt würden? Mit einer Abschaffung des staatlichen Schulsystemes würde ja auch die Schulpflicht abgeschafft werden - ein bedenkenloser Wandel in einer Zeit, in der die Zahl der funktionalen Analphabeten steigt? Würde ein solcher Wandel überhaupt eine Verbesserung des Bildungssystemes herbeiführen - und wieso? Finnland, das beim PISA-Vergleich am besten abschnitt, gibt verglichen am Gesamthaushalt doppelt so viel wie Deutschland aus; nach der Logik hätte ja eher ein Lafontaine recht: Steuern erhöhen und die Bildung wird besser.

Lichtschlag: Tests wie Pisa sind rein willkürlich. Stellen Sie andere Fragen und Sie werden ganz andere Ergebnisse erhalten. Dennoch ist die Bildung hierzulande in einem schlechten Zustand. Wie die Landwirtschaft. Wie das Gesundheitswesen. Wie alle Planwirtschaften. Kinder, die etwa zuhause von den Eltern unterrichtet wurden, machen in den USA durchschnittlich die besseren Karrieren als Kinder aus dort ebenfalls sehr maroden staatlichen Schulen. Bildung und Ausbildung wird im übrigen als solche weit überschätzt. Vieles, was man später macht, läuft per Lerning by Doing. Und es ist ja auch nicht so, dass ärmere Familien keine Steuern in das teure und ineffiziente staatliche Bildungswesen zahlen müssen. Also: Wenn der Markt für Brot und Brötchen besser sorgt als der Staat, warum soll er nicht auch für Bildung und Ausbildung besser sorgen?

CAMPO: Der Wirtschaftswissenschaftler Hoppe kritisiert die Demokratie, weil die Demokratie dazu geführt habe, dass alles verstaatlicht werde, und das habe zur Folge gehabt, dass die Regierenden das Land wie eine öffentliche Toilette benutzt hätten; während der Monarch sein Land - das er als Privateigentum ansah, dementsprechend - pfleglich behandelte. Ist diese Ansicht nicht etatistisch? Oder: Müssen auch Libertäre zu etatistischen Methoden greifen, um libertäre Ziele verfolgen zu können.

Lichtschlag: Ich teile Hoppes Analyse der Demokratie. Eine Analyse, die jedem Demokratieenthusiasten die Augen öffnet. Über Hoppes Thesen zur Monarchie, die ich ein Stück weit für kalkulierte Provokation halte, kann man streiten. Der liberale Soziologe Erich Weede hat mir beigebracht, dass in Demokratien die Spanne zwischen absoluter Freiheit und Unfreiheit kleiner ist und in Diktaturen oder Monarchien tendenziell größer. Dort also etwa vom Terror- und Armutsregime Nordkorea bis zur wirtschaftlich extrem freiheitlichen Wohlstandsinsel Singapur. Unter Demokratien ist die Spanne kleiner, sie liegen inmitten der äußeren Diktaturpole. Historisch spricht aber dennoch viel für Hoppes Thesen, denn er bezieht sich auf die alten Monarchien, etwa die Habsburger. Und in Österreich-Ungarn herrschte damals ganz unbestritten mehr persönliche und wirtschaftliche Freiheit als heute in der EU.

CAMPO: In einer der letzten Magazine der Jungen Liberalen wurde der Zeitung eifrei eine gewisse geistige Nähe zur radikalen Rechten vorgeworfen, einerseits, weil es ideologische Berührungspunkte gäbe (das Ächzen über die “Political correctness” oder die Forderung nach freiem Waffenhandel), oder auch, weil Sie in der Jungen Freiheit für ein Bündnis von Libertären und Konservativen warben.

Lichtschlag: Wir sind ja lustige “Rechte”, die etwa für Drogenfreigabe und freie Einwanderung auf eigene Kosten eintreten... Aber ernsthaft, ich möchte die Frage mal für einige politisch vielleicht unkorrekte, aber nötige Klarstellungen zur Jungen Freiheit nutzen. Diese Zeitung, die kaum einer gelesen hat, der sie voreilig in irgend eine Ecke stellt, habe ich – auch wenn mir manche Artikel nicht gefallen – als eine oft interessante und lesenswerte, sehr pluralistische Zeitung kennengelernt. Ihr Herausgeber Dieter Stein und seine Mannschaft haben gegen die perfidesten Widerstände bis hin zu – von dem Mainstreammedien verschwiegenen – Brandanschlägen durch Linksautonome Außerordentliches zustande gebracht. Auch wenn Dieter Stein als Nationalkonservativer politisch ganz anders tickt als ich als Radikalliberaler, so habe ich ihn als äußerst integren und hilfsbereiten Menschen kennengelernt, mit dem es sich lohnt, zu diskutieren. Im Gegensatz zu mir und meinen von Hoppe wie dargelegt genährten Zweifeln ist Dieter Stein auch noch ein absolut überzeugter Demokrat. Ich schäme mich nicht, die insgesamt positive Bewertung der JF etwa mit Peter Scholl-Latour oder Helmut Markwort zu teilen. Vielmehr sollte sich der betreffende Autor der Juli-Postille schämen, das eklige Verleumdungsspiel der Antifa – die im übrigen wie fast jedem anderen den Julis auch “Rechtslastigkeit” vorwirft – ohne Veranlassung mitgespielt zu haben. Die Redaktion des Juli-Magazins sollte lieber anfangen, selbst zu denken und aus liberaler Perspektive zu bewerten. Viele Mitglieder der Julis tun das. Das ef-magazin kann sich über mangelnde Leser und Autoren der Julis nicht beklagen.

CAMPO: Was ist davon zu erwarten, wenn radikalliberale Politiker an die Macht kommen? Ziel einer radikalliberalen Politik wäre es doch - Schritt für Schritt - Staatsapparat, Verwaltung, politische Behörden zu privatisieren, bestenfalls abzuschaffen. Aber welcher Politiker würde sich so die eigene Existenzgrundlage entziehen? Ist nicht hier der Widerspruch, der eine solche Politik verunmöglicht, und durch Erich Fried auf die Formel gebracht wurde:”Wer sagt, hier herrsche Freiheit, der irrt, denn Freiheit herrscht nicht”, vorprogrammiert?

Lichtschlag: Viele Libertäre halten tatsächlich Politik als Mittel und libertäre Ziele für nicht vereinbar. Viel spricht dafür. Weil Macht natürlich – spätestens auf Dauer – korrumpiert. Auch ich bin deshalb skeptisch, was Politik betrifft. Aber warum sollte man es nicht dennoch einmal versuchen?

CAMPO: Was wäre Ihre erste Tat als deutscher Bundeskanzler?

Lichtschlag: Libertär korrekt müsste ich jetzt sagen: Das individuelle Sezessionsrecht für jeden einführen. Aber solange die meisten Menschen in staatlichen Strukturen denken, würden zu radikale Schritte nur zu einem Bürgerkrieg führen. Die mutigeren Freiheitsfreunde würden aus der BRD austreten und die, die übrig bleiben, würden es den Sezessionisten übel nehmen, dass sie die angebliche “Solidargemeinschaft” verlassen. Ich glaube, man täte den Austretenden keinen Gefallen, wenn man sie ungeschützt diesem verbleibenden Mob aussetzt. Deshalb würde ich vielleicht mal zuerst die Mehrwertsteuer streichen – als ein allererster Schritt. Sofort wären die Waren und Dienstleistungen um ca. 16 Prozent günstiger, die Menschen hätten alle knapp 16 Prozent mehr Geld. Und gegenfinanziert wird das Ganze zu einem großen Teil, indem wir den zuständigen Steuerapparat auflösen und die Steuerbeamten der freien Wirtschaft als Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Die Menschen werden den folgenden Wirtschaftsboom, der den Rest gegenfinanziert, und das Mehr an persönlichem Eigentum schätzen lernen. Und dann schaffen wir jede Woche eine Steuer und auf der anderen Seite Staatsaufgaben und die zuständigen Beamten und Vorschriften ab.

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