Alimentierung des Nichts

Gelähmte Unterschicht

(von André F. Lichtschlag)

„Die Welt“ vom 30.10.2006

Was von zuviel finanzieller Zuwendung verwöhnte Millionärssöhne so machen, wenn sie dem reichen Papi keine Gegenleistung schuldig sind, das kann der interessierte Hobbysoziologe in Christian Krachts berüchtigtem Debütroman „Faserland“ nachlesen: Es wird geraucht, gerammelt, gesoffen und gekotzt. Tagein Tagaus: Sex, Drugs and Rock’n’Roll.

Die jüngst wiederentdeckte Unterschicht, vulgo der Sozialhilfeempfänger in zweiter Generation, ist also gar nicht so außergewöhnlich in ihrem Lebenswandel. Sehen wir einmal davon ab, dass der Faktor Fernsehen das Kokain hier meist ersetzt.

Gemeinsam ist beiden auch, ob von Beruf Sohn oder Kind des Sozialstaats, dass sie nicht wirklich arbeiten. Und daran gewöhnen sie sich sehr schnell – und verlernen, eigenverantwortlich zu leben. Wozu auch an die Arbeit oder gar an morgen denken? Übermorgen sind die freigiebigen Ernährer ja immer noch da.

In den USA wurde in den 90ern das sorglos infantile Leben auf den Tickets von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Lifestyle von Millionen. Bis es der Regierung Clinton zu bunt wurde und sie 1996 den Bezug von staatlicher Unterstützung auf zwei Jahre in Folge und insgesamt fünf Jahre pro Person begrenzte. Und siehe da, Millionen zuvor noch nicht Erwerbstätiger fanden plötzlich einen Job oder gar zwei.

Stellen wir uns einmal vor, Sie werden arbeitslos und erhalten keinerlei Unterstützung. Und dann komme ich, und biete Ihnen an, meine Schuhe zu putzen oder meinen Einkauf in Plastiktüten zu packen. Gegen ein geringes Entgelt. Könnten Sie zu diesem Angebot noch nein sagen?

Arbeit gibt es nämlich immer. Es müssen nicht nur meine Schuhe geputzt werden. Alles ist nur eine Frage des Preises. Und diese Frage nach dem Preis ist auch jene, die gestellt werden muss, wenn wir nach den Gründen für die Massenarbeitslosigkeit fragen. Wenn Millionen fürs Nichtstun genausoviel oder gar mehr Geld bekommen als sie mit Arbeit verdienen könnten, darf man sich über Arbeitslosigkeit nicht wundern.

Wer kann es den Kindern von Rockefeller oder Leviathan verdenken, wenn sie mein Arbeitsangebot dankend ablehnen? Die Betroffenen können schließlich nichts dafür, dass sie auch so versorgt werden.

Die politische Rhetorik von steigenden Sozialausgaben als Folge der Massenarbeitslosigkeit führt in die Irre. Umgekehrt wird mein geputzter Schuh daraus: Die Massenarbeitslosigkeit ist eine Folge von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld – also der Prämien fürs Nichtstun. Alle anderen Schikanen der Politik wie Überbürokratisierung, Subventionierung, Monopolbildung und vieles mehr senken den Lebensstandard und verhindern bestimmte Arbeitsplätze. Nach Bastiat’s Gesetz sind das dann oft „die Dinge, die man nicht sieht“. Wir sehen die politisch erhaltenen, subventionierten Steinzeitjobs und erkennen nicht die vielen wirklich rentablen Arbeitsplätze, die aufgrund der für die Staatshilfe fälligen Abgabenlast vernichtet wurden oder gar nicht erst entstehen konnten. Und dennoch: Arbeit gibt es letztlich immer.

Die anderen Polittücken, etwa steigende Abgaben, sorgen dafür, dass der Arbeitsverzicht netto für immer mehr Menschen attraktiv wird. Aber würde es gar keine Lohnersatzleistungen geben, würden diese Leute arbeiten. Im schlimmsten Fall für einen Euro die Stunde oder weniger. Sie würden (es) schaffen. Und damit selbstbewusst leben.

All dies erklärt, warum gut geführte, wohlständige Familienunternehmen in der zweiten oder dritten Generation plötzlich verschwinden, weil die Kinder oder Enkel die Produktion gegen den Konsum eintauschen und das Kapital einfach verfrühstücken. Im „Unternehmen Deutschland“ ist dieses verhängnisvolle Frühstück zeitgemäß zum Brunch ausgeweitet worden. Ehrgeiz? Aufstiegswillen? Ist es ein Wunder, dass dieser verloren geht, wenn fürs Fernsehgucken oder Koksen auch die Kohle fließt?

Die Alimentierung des Nichts erklärt nicht nur das Phänomen Massenarbeitslosigkeit. Die charakterliche und mentale Degenerierung von Millionen ist die vielleicht noch schlimmere Folgeerscheinung von unpersönlicher und damit falscher „Solidarität“. Übrigens auf beiden Seiten, denn wo gegeben wird, muss auch genommen werden. Wo Gammeln belohnt wird, muss Leistung bestraft werden. Auch dies führt moralisch und wirtschaftlich in den Abgrund.

Es ist eben kein Zufall, dass solche – eigentlich recht simplen – Sachverhalte durchblickende Ökonomen von Adam Smith über Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek bis Hans-Hermann Hoppe oder Roland Baader immer auch Moralphilosophen waren.  

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