Für die libertär-konservative Sezession
von André F. Lichtschlag
Artikel für die Zeitschrift Sezession, Heft 3, Oktober 2003
Wenn sich der Herausgeber eines libertären Magazins in einer eher national-konservativen Zeitschrift als Libertärer zu Wort meldet, dann sollte er erst einmal erklären, wer Libertäre sind und was sie wollen.
Libertär
Libertäre glauben, dass jeder Mensch Eigentümer seiner selbst und der Früchte seiner Arbeit ist. Sie treten daher für einen durch keinerlei staatliche Vorschriften eingeschränkten Laissez-faire-Kapitalismus ein. Im Zusammenleben der Menschen gibt es nur zwei Wege: Gewalt oder Freiwilligkeit, Gewehr oder Vertrag, Zensur oder freies Wort, Sozialismus oder Eigentum, Politik oder Handel. Libertäre treten kompromisslos für Freiwilligkeit, Vertrag, das freie Wort, Eigentum und Handel ein, wo andere der sozialdemokratischen Versuchung meist nicht widerstehen können. Libertäre sind oft ausgewiesene Ökonomen. Sie wissen, dass Planwirtschaft niemals funktioniert und am Ende immer zu Chaos und Verderben führen muss. Sie setzen die Privatwirtschaft dagegen. Die libertäre Bewegung versteht sich seit jeher als Netzwerk, gebildet aus den verschiedensten freiheitlichen Denkschulen und Wissenschaftsdisziplinen. Zu ihr gehören die Chicago-School (z.B. Milton Friedman, David Friedman), die Österreichische Schule (z.B. Ludwig von Mises, Friedrich A. von Hayek), die Public Choice- und Rational Choice-Schule (z.B. Gordon Tullock, Erich Weede) sowie Historiker, Politologen, Philosophen, Wissenschaftstheoretiker und Literaten (z.B. Ralph Raico, Ayn Rand, Gerard Radnitzky, Anthony de Jasay oder Mario Vargas Llosa). Sie alle eint nur der Wille zu einem selbstbestimmteren Leben und der Wunsch nach wesentlich weniger staatlicher Gängelung in allen Lebensbereichen.
Stich ins Wespennest
Kaum jemals zuvor hat ein Artikel in der von mir herausgegebenen Zeitschrift ein solch lebhaftes Echo erfahren, wie mein Plädoyer unter der Überschrift „Rudi Möllemann“ (siehe André F. Lichtschlag: Rudi Möllemann, eigentümlich frei Nr. 36/2003, im Internet kostenlos abzurufen unter www.eifrei.de/Inhalt_36/rudi.pdf). In diesem Aufsatz zeichne ich das Entstehen der Partei „Die Grünen“ nach als eine erfolgreiche Geschichte eines Zusammenschlusses von Ökologisten und Sozialisten. Dieses Gemisch aus Bürokraten, Staatsfans, Umwelthysterikern, Männerhassern und Antifaschos regiert und dominiert bis in den letzten Gedankenwinkel hinein heute unser Land und die meisten Köpfe. Gegenwehr ist nicht in Sicht und die verschiedenen kleinen Freundeskreise, Zirkel und Zeitschriften wirken zersplittert und noch wenig lautstark. Ähnlich, wie die zersplitterten sozialistischen (K-Gruppen, Spontis) und ökologistischen (Grüne Listen, Umweltgruppen) Freundeskreise, Zirkel und Zeitschriften kurz vor deren Zusammenschluss und Durchmarsch seit Beginn der 80er Jahre. Nun ist es Zeit zum Widerstand. Die Richtung wird in „Rudi Möllemann“ als Umkehrung des rotgrünen Spießes gezeichnet; gegen Bürokratie, political correctness und Staatsallmacht, gegen Feminismus, Gesinnungsterror und Ästhetisierung des Banalen und Durchschnittlichen, für Zukunftsfreude, Freiheit, persönliche Verantwortung und Unternehmertum. Das Plädoyer zielt auf eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen Konservativen und Libertären.
Auf diesen Artikel hin erhielt ich viele Anregungen, die ich gerne hier auf- und einarbeiten möchte. Dazu kommen zwei Ereignisse der jüngsten Zeit, die ebenfalls aufgearbeitet werden wollen.
Partei?
Meine Überlegungen waren zunächst noch sehr stark in Richtung parteipolitischer Alternative geprägt. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass dies allenfalls der zweite Schritt sein kann. Denn die Entwicklung der Jürgen W. Möllemann-Freundeskreise nach dessen Tod hat sich inzwischen als ein Paradebeispiel für das parteipolitische Glatteis herausgestellt. Entgegen den ursprünglichen Plänen Möllemanns und seines libertären Beraters Fritz Goergen, eine Partei „von oben“ zu gründen, mit fertigem radikalen Programm und ansprechendem ausgewählten Personaltableau, wollen nun einige Kommunalpolitiker im Fahrwasser Möllemanns eine neue Partei „von unten“ gründen. Ihr vorläufiger Name bis zum Gründungsparteitag ist dabei so attraktiv wie Personal und Programm: „Europäisch liberale Partei Deutschlands (ELPD)“. Die grotesken Diskussionen rund um die Gründung können derzeit noch unter www.elpd.de in einem Internetforum bewundert werden. Da treffen sich eine Handvoll selbst ernannter Parteigründer plötzlich irgendwo und bilden einen Gründungsvorstand. Jeder erhält einen Posten, vom Schriftführer bis zum Jugendwart. In den Wochen danach fechten dieser Vorstand untereinander und die nicht hinzugebetene Basis mit einzelnen Vorständlern unzählige kleine Kämpfe aus – ohne dass es auch nur im entferntesten um zukünftige Inhalte geht. Satzungsfragen, Personalfragen, Wahlfragen und die Tagesordnung auf dem noch ausstehenden Gründungsparteitag werden bis aufs Komma ausdiskutiert. Und der halbe Vorstand tritt nach und nach zurück und bildet teilweise Konkurrenz-Splitterparteien. Vor radikaleren, unkonventionellen konservativen oder libertären Ideen schrecken die Neuparteiler mit Verweis auf die zukünftigen Wähler verängstigt zurück. Nein, man wolle „natürlich eine Partei der Mitte“ gründen. Welch ein Hohn, wenn man Möllemanns programmatisches Buch „Klartext“ gelesen hat, in dem etwa für die Abschaffung aller Steuern bis auf eine einzige, für Gemeinde-Autonomie und für das Wagnis von wesentlich weniger Politik geworben wird. Aus der radikalen Theorie ist in der mini- und vorparteipolitischen Praxis innerhalb weniger Wochen das glatte Gegenteil geworden.
Schill-Partei
Mit Möllemann (vielleicht auch durch ihn) wäre ebenfalls irgendwann ein radikales Programm ins Gegenteil verkehrt worden. Auch den Grünen ging es unter Joschka Fischer etwa bzgl. ihres ursprünglichen Pazifismus so. Nur hätte es unter Möllemann vermutlich etwas länger gedauert als bei einem Haufen von Profilneurotikern, der es gleich von Beginn an allen recht machen will. Ausnahmen wie Christoph Blochers Volkspartei können sogar über Jahrzehnte ihr Profil einigermaßen wahren. Dass es aber selbst bei prominentem und recht originellem Personal und eigentlich einer guten Ausgangsposition parteipolitisch ganz schnell gehen kann, zeigt das zweite Beispiel, nämlich der Skandal um die Schill-Partei in Hamburg. Dort machte der Parteigründer auf Vetternwirtschaft beim Regierungspartner aufmerksam. Sollte durch Schills Kritik die Koalition platzen, gäbe es Neuwahlen. Und viele seiner Parteifreunde müssten plötzlich um ihr Mandat mit all den Geldern und Vergünstigungen fürchten. Also tun die Schill-Parteiler, was der Koalitionspartner CDU von ihnen verlangt: Sie distanzieren sich von ihrem Parteigründer, um ihren eigenen Sessel in der Bürgerschaft für einige Jahre und viele Tausend Euro zu retten. So ist das System. Das ist Parteipolitik. Das ist Demokratie.
Natürlich orientieren sie die Schill-Partei-Politiker nicht an einem schwer greifbaren „Allgemeinwohl“. Mein Wohl ist schließlich nicht gleich dein Wohl. Die eigenen Vorteile werden nun einmal im demokratischen Eintopfspiel auf Kosten anderer erzielt. „Der Staat ist die große Fiktion, nach der jedermann versucht auf Kosten des anderen zu leben“ – so hat es der große Libertäre Frédéric Bastiat formuliert. Der große Konservative Lord Acton formulierte es so: „Macht korrumpiert! Immer!“
Noch ist jeder Libertäre oder Konservative von Parteien enttäuscht worden. Denn den weitaus meisten Menschen liegen die eigene Machtfülle, der eigene Wohlstand oder der Wohstand der eigenen Famile näher als das Wohlergehen von vollkommen Unbekannten. Mit den Worten der Ökonomen: Menschen sind „Nutzenmaximierer“. Das einzige System, welches das eingeschränkte Interesse der Menschen an Fremden stets zum Nutzen aller verwandelt, ist der freie Markt. Hier birgt jeder Tausch, jeder Handel, immer einen Gewinn für beide Seiten – sonst würde er nicht stattfinden. Politik bedeutet Diebstahl, Raub und Vernichtung, der Markt bietet Partnerschaft und Reichtum. Weil der Mensch ein Mensch ist.
Skeptisches Menschenbild
Haben sich nicht gerade die Konservativen immer wieder in ihrem skeptischen bzw. realistischen Menschenbild von der Geschichte bestätigt gesehen? Es wird Zeit, dass sie daraus Konsequenzen in ihrer Bewertung von Markt und Staat ziehen: Es waren schließlich die Bürokratie und die weitverbreitete Obrigkeitsgläubigkeit, die staatliche Verbrechen früher und heute erst möglich gemacht haben. Handel und Eigenverantwortung sind daher die realistische Alternative zum konstruktivistischen Kollektivismus des Staates. Viele amerikanische Konservative haben dies bereits längst erkannt.
Die Politik ist der große Zerstörer. Nicht zuletzt zerstört sie Werte und Traditionen, also all das, worauf sich Konservative berufen. Dies gilt insbesondere für die Familie. Erbschaftssteuern, Schulpflicht, Inflation, Erziehungs- und Versorgungszwang sowie die staatliche Anordnung von Arbeitslosenversicherung, Mindestlöhnen, Rentenversicherung, Ganztagsschulen und Ganztagskinderstätten oder die Form des staatlichen Ehescheidungsrechts – all dies zerstört die Familien, wie Jörg Guido Hülsmann gezeigt hat. (Siehe Jörg Guido Hülsmann: Wie der Staat die Familien zerstört, eigentümlich frei Nr. 37/2003, im Internet kostenlos abzurufen unter www.eifrei.de/Familie.pdf).
Traditionen und Staat
Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben stellen sich Libertäre keineswegs gegen Traditionen und hergebrachte Werte. Im Gegenteil, hat uns doch der Libertäre Friedrich August von Hayek den Wert der Tradition als Wissensspeicher erst verständlich gemacht. Überdies rechtfertigen in unserem Kulturkreis die Traditionen das Privateigentum, in welchem sie umgekehrt gedeihen konnten. Traditionen können dem Menschen nur von Nutzen sein, wenn sie sich im Wettbewerb bilden oder bestehen. Familienbande oder Achtung vor Autoritäten etwa sind nicht Selbstzweck, sondern von staatlichen Eingriffen bedrohte (Zwischen-) Ergebnisse eines sozialen Entdeckungsverfahren und Ausdruck der Achtung vor Eigentum. Hier unterscheiden sich Libertäre vom eher konstruktivistischen Ansatz vieler Konservativer. Doch gerade wer die Tradition besonders schätzt, sollte sich mit der Basiswissenschaft Ökonomie beschäftigen und etwa dem kulturkonservativen Libertären Ludwig von Mises folgen, der erklärt, warum Staatsinterventionismus immer zu noch mehr Interventionismus führen muss. Folglich führt jeder Staat über kurz oder lang zum totalen Staat, der spätestens dann in seiner allumfassenden Totalität alle Traditionen zerstört. Man vergleiche etwa die Achtung vor (nichtstaatlicher) Autorität, Werten, Familie und Eigentum etwa im Deutschen Kaiserreich, in der frühen BRD, in der heutigen BRD und in der DDR.
Das rundumbetreute Staatskindchen der Ökosozialisten wird letztlich anfällig für Destruktivität und Gewalt, anstatt ein selbstbestimmter und selbstbewusster Eigentümer seiner selbst zu sein. Selbsthass und linkische politische Neigungen treten an die Stelle von Aufrichtigkeit. Paragraphen und Rechtsbeugung ersetzen den Handschlag. In Deutschland kommt noch der kollektive Selbsthass als neue Form des Nationalbewusstseins hinzu. So wurden und werden auch noch die schrecklichsten Kriegsverbrechen der Alliierten gegen zumeist persönlich völlig unschuldige Deutsche, wie der Bombenkrieg gegen Frauen und Kinder oder die millionenfache Vertreibung, mit einer zutiefst nationalistischen Kollektivschuld gerechtfertigt. So entstand ein Schuldkult, mit dem sich die Deutschen, geführt an dem von Armin Mohler beschriebenen „Nasenring“, auch noch Millionenprogramme zur eigenen Indoktrination aufzwingen und abknöpfen lassen. Denken wir etwa an die massive Subentionierung von hauptberuflichen Antifaschisten oder Berufsfeministen, von an der Nachfrage vorbei ausgebildeten Geisteswissenschaftlern, die ansonsten nur Taxifahrer wären. Diese Unterwürfigkeit und Selbstverleumdung hat, wie es auch der gemäßigt Libertäre Hans-Olaf Henkel darlegt, den totalen Wohlfahrtsstaat in Deutschland erst in diesem Umfang möglich gemacht.
Was ist zu tun?
Fassen wir kurz zusammen: Erstens werden wir von Bürokraten, Staatsfans, Umwelthysterikern, Männerhassern und Antifaschos gnadenlos und immer allumfassender regiert. Die Folge sind zweitens wirtschaftliche Zerwürfnisse, Massenarbeitslosigkeit, baldiger Staatsbankrott und Kulturzerstörung auf breiter Front. Drittens ist eine neue Partei zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht das adäquate Gegenmittel. Was ist also zu tun?
War der Verweis auf den Zusammenschluss von Ökologisten und Sozialisten innerhalb der Grünen Partei völlig abwegig? Es war vielleicht nur ein kleiner Denkfehler, der uns auf die fasche Fährte gelockt hat. Natürlich waren nämlich die Ökologisten und Sozialisten (und mit ihnen auch die Feministen und Antifaschos) im Zusammenschluss sehr erfolgreich. Aber die Grüne Partei wurde vielleicht gar nicht deshalb so bedeutend, weil sich Emmas, Ökos und Sozen in ihr vereint haben, sondern weil der Zeitgeist sozialistisch, ökologistisch und feministisch war und ist. Und vor allem, weil er dies nicht nebeneinander war und ist, sondern gleichzeitig! Die meisten Grünen waren und sind bei näherer Betrachtung Staatsfansozen, Ökofeministen und Antifaschos in einer einzigen gutmenschelnden Person.
Es gilt also, den Zeitgeist zu ändern. Im Vorfeld. Nicht in der Politik. Dazu müssen wir gar nicht zum tausendsten Mal Antonio Gramsci aus der Kiste bemühen. Es reicht die Tat! Und die Pöstchenjäger werden sich am Ende ohnehin von selbst des neuen Zeitgeistes annehmen, wenn er sich denn gewandelt hat. So wie heute auch die meisten Politiker der CDU oder der FDP mehr oder weniger Emmas, Ökos, Sozen und vor allem Staatsfans sind, so werden sie sich wandeln, wenn wir den Zeitgeist verändert haben. Vielleicht werden wir sogar den Zeitgeist soweit verändert haben, dass das politische Mittel für die Pöstchenjäger gar nicht mehr (oder nicht mehr in dem Maße) zur Verfügung steht.
Doch wer ist „wir“?
Die eigentliche Frage ist nicht der taktische Zusammenschluss von Konservativen und Libertären. Manche Konservative, die mir geschrieben haben, können mit persönlicher Freiheit und mit freien Märkten nichts anfangen. Sie sind eigentlich ordinäre Sozialdemokraten. Und manche Libertäre – auch einige Autoren in „eigentümlich frei“ – vertreten ganz andere Werte als Konservative oder geben sich wertfrei.
Für die anderen aber geht es um weit mehr, als nur um Taktik. Erst das Verschmelzen zur großen Staatsökosozifemiantifaschodoktrin hat schließlich die allumfassende heutige Dominanz des rotgrünen Zeitgeistes erst möglich gemacht. Es passte einfach zusammen. Und meine These ist, dass auch heute eine Gegenbewegung kommen muss und entstehen wird, die ebenfalls zusammenpasst.
Ohnehin ist die Geschichte der Libertären eine Geschichte von Zusammenschlüssen und vor allem von neugieriger Toleranz. In Opposition gegen den Vietnam-Krieg formierten sich Ende der 60er Jahre an amerikanischen Universitäten eine Liaison zwischen Libertären und Sozialisten. Der heute weltweit einflussreichste und bekannteste Anarcho-Sozialist Noam Chomsky etwa bedankte sich einmal dafür, dass er jahrelang seine Thesen ausschließlich in den zahlreichen amerikanischen libertären Zeitschriften publizieren durfte. Einige ehemalige Sozialisten sind heute Libertäre. Die meisten Bündnisse wurden und werden aber mit Konservativen geführt, die in den USA ohnhin traditionell wesentlich staatskritischer sind als viele „konservative“ Sozialisten in Deutschland.
Ähnlich wie Chomsky als „Linker“ jahrelang bei libertären Medien Asyl fand, weil es keine dezidiert anarcho-sozialistischen oder auch nur auf seine Thesen neugierigen anderen Medien gab, so durften und dürfen etwa Jörg-Guido Hülsmann, Gerard Radnitzky und vor allem Roland Baader seit vielen Jahren in konservativen deutschen Zeitschriften publizieren, schon zu Zeiten, als es noch keine dezidiert libertäre Zeitschrift gab. Der vermutlich über viele Jahre einzige sehr wohlwollende Bericht über „Mr. Libertarian“ Murray Rothbard ist denn auch in Caspar von Schrenck-Notzings altem „Criticòn“ zu finden. Umgekehrt schreiben heute etwa konservative Theoretiker wie Hans-Helmuth Knütter oder Josef Schüßlburner ganz selbstverständlich auch in „eigentümlich frei“.
Neugierde
Auf beiden Seiten ist also Offenheit und Neugierde vorhanden. Eine geistige Offenheit, die der staatstragenden „Linken“ zumindest in Deutschland heute völlig fehlt. Denker wie Chomsky gibt es hierzulande gar nicht, sozialistisch und freiheitlich zusammen wird nirgends mehr gedacht (obwohl es vor dem Zusammenschluss zur staatsökosozialistischen Doktrin kein Widerspruch war, man siehe etwa die Kibbuzin-Bewegung oder Proudhons Mutualismus). Die heutigen Theoriezeitschriften der „Linken“ bestechen durch geistige Ödnis, satte Unbeweglichkeit und durch Zensur jedes unabhängigen neuen Gedankens mit den Keulen des Antifaschismus, des Verfassungsschutzes, der politischen und neuerdings der gender Korrektheit.
Streitbare ausgewiesen-konservative Größen wie Robert Michels, Ortega Y Gasset oder Ernst Jünger äußerten in ihrer Menschen- und Massenskepsis und in ihrem stolzen Individualismus immer auch libertäre Ideen. Umgekehrt stellt der libertäre zeitgenössische Denker Hans-Hermann Hoppe in seinem jüngsten Buch „Democracy. The God that failed“ fest, dass fast alle großen libertären Denker auch Konservative waren.
Auch wenn mancher Satz in Hoppes Buch nicht nur Beifall finden mag, so ist ihm doch eine fulminant konservativ-libertäre Streitschrift gegen die entartete Demokratie gelungen, welche in Amerika für großes Aufsehen und heftige Debatten gesorgt hat. Dieses Buch wird im Herbst in deutscher Übersetzung erscheinen. Dann werden sich „Rudi Möllemann“ und dieser Artikel nur als kleines Vorspiel erweisen für ein näheres Kennenlernen von (strukturfreiheitlichen) Konservativen und (kulturkonservativen) Libertären. Ein Kennenlernen, welches sich lohnt. Neues könnte wachsen und die oben beschriebene Dominanz beseitigen.
Hoppes libertär-konservative Rezeptur, und das ist das abschließend interessante Schlagwort, welches ich zur Weckung der Neugierde aufeinander und auf die kommende Diskussion in den Raum werfen möchte, heißt – Sezession!