23. Februar 2023

RezensionHansjörg Müller: Scheindemokratie

Ex-Bundestagsabgeordneter der AfD kritisiert seine Partei konstruktiv

Wie wird man Bundestagsabgeordneter? Und was macht man da? Sogar die Frage, weshalb und wie man eine neue Partei gründet, wird behandelt. Der Verfasser, Diplom-Volkswirt Hansjörg Müller, war von 2017 bis 2019 Parlamentarischer Geschäftsführer und von 2018 bis 2021 Außenwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Das chronologisch gegliederte Buch erfasst die Jahre 2013 bis 2022, also von der Gründung der AfD bis zum Ausscheiden Müllers aus dem Bundestag. Zentrales Thema ist die Wirkungsweise des „ehernen Gesetzes der Oligarchie“ (Robert Michels) bei der parteipolitischen und dann parlamentarischen Tätigkeit und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten beziehungsweise fehlenden Möglichkeiten. Die Oligarchisierung des (partei-) politischen Prozesses erleichtert die Außensteuerung einer Partei, die im Buch eingehend geschildert wird und die der Verfasser dafür verantwortlich macht, dass die AfD ihr Potenzial von circa 30 Prozent der Wählerstimmen nicht hinreichend ausschöpfen kann. Den erkannten Defiziten der realen politischen Verhältnisse wollte der Verfasser mit der Abschaffung des Delegiertensystems bei Parteitagen entgegentreten, was jedoch aufgrund problematischer Vorgänge bei der Mitgliederabstimmung keine Mehrheit fand. Der basisdemokratische Ansatz ist auch Ausgangspunkt der Überlegungen zur Reform der politischen Ordnung insgesamt. Kritisch ist hierbei anzumerken, dass der Verfasser wohl übertriebene Vorstellungen von der Möglichkeit einer „Basisdemokratie“ hat und die Berufung dafür auf das Grundgesetz verfehlt ist, weil man bei diesem eher von einem Plebiszitverbot sprechen muss und die kritisierten Staatsrechtler da schon richtigliegen. Realistisch kann man der Oligarchisierung durch eine neue Partei entgegentreten, also letztlich durch die Verbreiterung des Meinungspluralismus. Diesbezüglich ist der Kampf des Verfassers für eine „aktive Verfassungsschutz-Strategie“ der AfD hervorzuheben, die erstaunlicherweise keine Mehrheit in der Partei fand.


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