19. Dezember 2022

RezensionGünter Scholdt: Schlaglichter auf die „Innere Emigration“

Nichtnationalsozialistische Belletristik in Deutschland 1933–1945 (Reihe „Erinnern und Überliefern“)

In Diktaturen ist für freies Denken kein Platz. Wie aber konnten Literaten, wie konnten Autoren dieser gewaltsamen Vernichtung ihres geistigen Erbes, das sie befürchten mussten, entgehen? Durch geheimen Protest, durch literarische Andeutungen. Eine solche, höchst interessante deutsche Literatur widerständigen, diktaturfeindlichen Inhalts gab es, und sie stellt den am meisten unterschätzten Sektor der hiesigen Literaturgeschichte dar. Das sagt kein Geringerer als der bedeutende Germanist und Historiker Günter Scholdt. Die Namen von Werner Bergengruen, Ernst Wiechert, Ricarda Huch, Stefan Andres und Georg Britting sind fast nur noch den Spezialisten geläufig. Dabei wäre es wichtig, die Werke genau solcher Autoren zu kennen, ihr Œuvre studiert zu haben. Denn sie alle und viele mehr gehören in die Literaturgattung „Innere Emigration“, die einen stillen Widerstand von Literaten in den Jahren 1933 bis 1945 beschreibt. Auf knapp 500 Seiten präsentiert Scholdt Meisterwerke, lebendig und vielfältig – entstanden trotz Unterdrückung, gegen die Gleichschaltung. Er vermittelt seinen Gegenstand dabei so, dass Spezialisten Neues erfahren, ein breiteres Publikum zugleich aber bestens verständlich informiert wird. Weil ihm dieser Spagat gelingt, kann er auch auf einen wissenschaftlichen Apparat mit Fußnoten und detailliertem Quellenverzeichnis verzichten, ohne dass die Qualität der Ergebnisse leidet. In seiner nun vorliegenden Studie zur den in der NS-Zeit verfolgten und verfemten Autoren würdigt Scholdt gleichermaßen bedeutende ästhetische Leistungen und einen heute weithin verkannten, widerständigen Mut. Es geht ihm dabei zugleich um die steigende Bedeutung, die das widerständige Schreiben der NS-Zeit hinsichtlich der Verwerfungen heutzutage gewinnt. Die von der NS-Diktatur verfolgten und verfemten Autoren gerieten zu Unrecht in Vergessenheit – dies maßgeblich befördert durch die „68er“-Bewegung, deren geistige Abwicklung noch lange dauern wird, obschon sie höchst dringlich ist.


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