07. September 2022

Machtarithmetik Die Mathematik des Totalitarismus

Warum zwei und zwei vier bleibt

von Oliver Gorus

Dossierbild

mittwochs um 6 Uhr

„Wenn der Führer es will, dann sind zwei und zwei fünf“, soll Hermann Göring gesagt haben, was George Orwell in seinem prophetischen Werk „1984“ zu seiner berühmten Szene im „Raum 101“ inspiriert haben soll.

O’Brien, das Mitglied der inneren Partei, foltert in diesem Raum des „Miniluv“, des Ministeriums für Liebe, den freiheitsliebenden Protagonisten Winston Smith, indem er ihm genau diese Rechenaufgabe stellt und ihn dazu zwingt, nicht nur zu sagen, was die Partei zur Wahrheit erklärt, sondern auch zu glauben, was die Partei zur Wahrheit erklärt: Zwei plus zwei ist fünf.

Hinter dieser Szene steckt die Überlegung, dass erst dann, wenn der Staat es geschafft hat, die Bürger bis ins Privateste, ja bis in ihr Denken und Fühlen hinein zu kontrollieren, der Totalitarismus wirklich total und vollendet ist.

Zwanghaft

In den letzten zwei Jahren ist mir klar geworden, dass der Staat und seine Akteure ihre Untertanen gar nicht foltern müssen, um sich zu unumschränkten Herrschern aufzuschwingen. Es genügt, eine weitere Rechenaufgabe zu lösen: z plus a ist gleich t.

Wobei t für Totalitarismus steht, z für Zwang und a für Abhängigkeit.

Also: Totalitarismus ist das Ergebnis aus der Addition von Zwang und Abhängigkeit.

Denn sind die Untertanen von den Herrschern nicht materiell abhängig, dann können sie sich dem Zwang entziehen und denken und glauben, was sie wollen. Und werden sie nicht gezwungen, dann sind die Untertanen zwar abhängig, aber denken und glauben trotzdem, was sie wollen. Erst die Kombination von Abhängigkeit und Zwang bringt dem Staat die totale Kontrolle in den Köpfen und macht die Untertanen zu vollendeten Sklaven, die ihre Selbstbestimmung fast ausnahmslos aufgeben werden. Der widerspenstigste kleine Rest kann dann zersetzt, inhaftiert und beseitigt werden, wie es in der DDR praktiziert wurde.

Zwang ohne materielle Abhängigkeit haben wir in der Corona-Maßnahmenkrise ausführlich erlebt. Den Untertanen ging es aber materiell noch so gut, dass ungefähr ein Fünftel aufmüpfig wurde und gegen die sinnlosen Zwangsmaßnahmen wie Maskenzwang, Impfzwang, Hausarrest oder Abstandszwang opponierte, Hunderttausende gar offen protestierten. Sie konnten sich den Widerstand eben noch leisten.

Eine so große Menschenmenge können die Akteure des Staats aus logistischen Gründen nicht in den Raum 101 entführen und foltern. Sie können sie nicht einmal inhaftieren. Und sie schaffen es nicht, die Proteste mit Gewalt niederzuschlagen, wenn diese gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfinden. So viele Polizeikräfte gibt es nicht.

Sie können die Widerständler nur diffamieren und einige Exempel statuieren wie zum Beispiel am zwangsmaßnahmenkritischen Leiter des Gesundheitsamts Aichach, Friedrich Pürner, der sein Amt verlor, oder am zwangsmaßnahmenkritischen Mediziner Paul Brandenburg, der von einem Spezialeinsatzkommando der Berliner Polizei nachts in seiner Wohnung überfallen wurde.

Almosen

Die umfangreichen Zwangsmaßnahmen der Herrscher, das Kurzschließen der Gewaltenteilung und ihre Selbstermächtigung durch den Entzug der Grundrechte mündeten bislang noch nicht in die totale Versklavung der Untertanen, weil fast alle von diesen noch genügend Geld hatten, um ihre Grundbedürfnisse selbst aus eigener Kraft zu befriedigen: Essen, Trinken, Obdach, Wärme.

Aber genau diese Grundbedürfnisse sind nun im Visier des Staates. Jetzt geht es um a gleich Abhängigkeit.

Auf der Podiumsdiskussion „Forum 2000“ in Prag, direkt nach dem informellen Treffen der EU-Außenminister am 31. August 2022 trat auch Baerbock auf. Sie sagte: „If I give the promise to people in Ukraine, we stand with you as long as you need us, then I want to deliver, no matter what my German voters think, but I want to deliver to the people of Ukraine.“

Sie sprach damit dem Volk der Ukraine zeitlich uneingeschränkte Hilfe zu, egal, was ihre deutschen Wähler darüber denken. Im Anschluss an diese Ungeheuerlichkeit versprach sie ihren deutschen Untertanen Entlastungspakete: „social measures“ …

Das Muster ist also: zuerst dem eigenen Volk Geld wegnehmen und für die Interessen Dritter verwenden, zum Beispiel um mit diesem Geld andere Völker zu unterstützen, und dann einen kleinen Teil davon wieder dem eigenen Volk zurückgeben und dies als Wohltaten verkaufen. Zuerst be-lasten, dann zu einem geringeren Teil wieder ent-lasten.

Wenn die Be-lastung nur groß genug ist, entsteht dadurch Abhängigkeit, denn dann sind die Untertanen auf die Ent-lastung angewiesen.

Die Freiheit ist größer

Der Finanzminister Lindner knüpfte dasselbe Muster. Er twitterte am 4. September 2022: „Das neue #Entlastungspaket verknüpft Solidarität, Leistungsgerechtigkeit & Solidität. Der #Koalitionsbeschluss ist so eine starke Antwort auf Sorgen in unserem Land. Ohne Zweifel bleiben Herausforderungen bestehen. Nicht alles kann der Staat leisten. Aber wir tun unser Bestes. CL“

Ich will doch aber gar keine staatliche Ent-lastung. Ich will, dass der Staat aufhört, mich ständig zu be-lasten! Mit schädlichen Eingriffen in die Märkte, der Verknappung von Energie, dem Aufblähen der Währung, der Verschuldung, Überregulierung, Bürokratie, den Zwangsmaßnahmen, zu hohen Steuern und Abgaben.

Sobald die Belastungen so groß sind, dass die kleinen und mittleren Unternehmen aufgeben müssen und Millionen ihr Einkommen verlieren, sobald die Energie durch die Politiker so weit verknappt wurde, dass sie unbezahlbar wird oder das Stromnetz zusammenbricht, sobald die Lebensmittel knapp werden und unter den Untertanen die nackte Not ausbricht, haben die Politiker die materielle Abhängigkeit erzeugt, die ihnen unumschränkte Macht verleiht: Dann müssen die Untertanen sich vom Staat versorgen lassen oder erfrieren und verhungern, wie schon Hunderte von Millionen von Opfern des Sozialismus vor ihnen.

Dann können die Untertanen zu allem gezwungen werden, was die Politiker wollen. Dann ist t gleich z plus a. Dann ist zwei und zwei wieder fünf.

Nur leben wir eben nicht in einem Roman, und der Versuch eines neuen Totalitarismus wird genauso scheitern wie die Versuche zuvor. Auch diesmal wird zwar die Wirtschaft zerstört werden, was die Gesellschaft über die Klippe mitreißt, aber im Absturz der Gesellschaft werden auch die staatlichen Akteure ihre Macht verlieren, wie bei jedem Ende einer Gesellschaftsordnung in der Geschichte. Der Parasit stirbt mit, wenn er seinen Wirt erledigt hat.

Denn es gilt: f ist größer t, und f steht für Freiheit …


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