05. Januar 2022

Wir Zeugen des Niedergangs Heute schon den Gesslerhut gegrüßt?

Warum wir die Parteiendemokratie loswerden müssen

von Oliver Gorus

Dossierbild

mittwochs um 6 Uhr

Mit atemberaubender Geschwindigkeit entzaubert sich die Demokratie in diesen Tagen selbst. Ja, wir wissen es ja seit über zweitausend Jahren, theoretisch jedenfalls: Auf die Demokratie folgt die Ochlokratie, auf die Ochlokratie folgt das Chaos.

Jeder, der sehen will, kann sehen: Demokratie ist nichts als eine heilige Kuh, die geschlachtet statt verehrt werden muss. Anders als der Staat es uns in der Schule eingebläut hat, ist die Demokratie eben kein heiliger Gral, sondern einfach nur ein Personalauswahlverfahren – in der gegenwärtigen Form mit ihren unsäglichen Parteilisten sogar ein miserables Verfahren, das die verachtenswürdigsten Charaktereigenschaften in Herrschaftspositionen bugsiert und dadurch den Übergang zur Tyrannei der Mehrheit organisiert.

Tyrannen tun Tyrannisches

Ja, theoretisch ist das schon lange klar, wir haben alle unseren Hoppe gelesen, aber jetzt: diese Bilder! Wir können dank Smartphones und Internet täglich mitbeobachten, wie beispielsweise in Berlin einem für seine Freiheitsrechte demonstrierenden Querschnittsgelähmten die Hände auf den Rücken gedreht werden und er von Polizisten auf würdelose Weise weggetragen wird, während sein Rollstuhl dabei demontiert wird. Oder wie ein „maskenverweigernder“ Jugendlicher in Hamburg von der Polizei durch einen Park gehetzt und dabei mit einem Polizeiauto verfolgt und beinahe überfahren wird. Oder wie Schlägertypen mit Polizeijacke in Amsterdam bei einer Demonstration mit Teleskopstöcken auf einen älteren Herrn eindreschen, während ein anderer Polizist einen scharfen Hund ohne Maulkorb auf einen am Boden liegenden Mann hetzt; der Hund verbeißt sich in den Arm des Mannes und fügt ihm möglicherweise schwere Verletzungen zu. Oder wie eine ältere Dame, die in Kempten mit ihrem Hund Gassi geht, von einem halben Dutzend Polizisten auf offener Straße eingeschüchtert und an eine Hauswand gedrückt wird. Oder wie ein als Weihnachtsmann verkleideter Mann auf einem Weihnachtsmarkt von Polizisten verhaftet und abgeführt wird. Oder wie Bürger, die in München auf friedliche Weise ihr Versammlungsrecht wahrnehmen, mit Hubschraubern verfolgt, von taktischen Polizeieinheiten eingekesselt und durch die Stadt gejagt werden.

Was sind die Vergehen der Bürger, die solch hässliche Gegenwehr aus Sicht der Herrschenden erforderlich machen? – Nichts Besonderes. Im Wesentlichen haben diese Bürger den Gesslerhut nicht gegrüßt. Das heißt, sie haben unsinnige Vorschriften und unrechtmäßige Verbote missachtet. Sie haben einfach versucht, frei zu sein.

Kaum eine Institution unserer Gesellschaft hat in den letzten zwei Jahren so viel Ansehen verloren wie die Polizei. Für viele alte Bundesrepublikaner, die in den 60er und 70er Jahren im Westen aufgewachsen sind, galt die Polizei ja tatsächlich immer als „dein Freund und Helfer“, ja, als die Verteidiger der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, als „Bürger in Uniform“ und als Garant ihrer verbrieften Grund- und Freiheitsrechte.

Jetzt reiben sich viele die Augen und können kaum glauben, wie gemein die Polizisten einfache Bürger gängeln, kontrollieren, kujonieren, schurigeln, wie man das sonst nur aus Schurkenstaaten kennt.

Ich möchte nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren: Unter ihnen gibt es sicherlich eine Minderheit, die sich bisweilen für ihre Zunft schämt und versucht, mäßigend und deeskalierend zu wirken. Dennoch führen sich zu viele Beamten auf wie die Schutzstaffel der Politikerfürsten, um unsinnige, teils schädliche „Maßnahmen“, bei denen eben kein Maß mehr genommen wird, durchzusetzen. Im Zweifelsfall mit Gewalt: mit Schlagstöcken und Pfefferspray, so wie es eine grüne Bundestagsabgeordnete jüngst gefordert hat.

Sogar der Sonderberichterstatter über Folter der Vereinten Nationen, Nils Melzer, sieht sich gerade genötigt, in Deutschland zu ermitteln, und ruft die Bürger auf Twitter dazu auf, ihm Beweismittel zu den Gewaltexzessen der Polizei zu senden. Wie blamabel für die Fürsten!

In der Sackgasse

Auffallend ist bei dieser Entwicklung, dass der Zwang und die Gewalt gegen die eigenen Bürger sich antiproportional zur Autorität des Staats und seiner Organe verhält: Je schwächer der Staat, desto fieser tritt er auf.

Ein Staat im Niedergang dokumentiert so seine Ohnmacht wie der Klassenrowdy in der Schule, der auf dem Pausenhof immer die Schwächsten piesackt, vor den starken Jungs aus der Oberstufe aber kuscht.

Ich habe es selbst erlebt: Wenn Sie mal wirklich polizeiliche Hilfe brauchen, weil Ihre vermietete Eigentumswohnung in der Kleinstadt von messerbewehrten afghanischen Jugendlichen okkupiert wurde, entschuldigt sich die Polizei dezent telefonisch, keine Kapazitäten zu haben. Sie müssen sich dann eben selber helfen. Gut, wenn Sie dann kampferprobte Leute aus Südosteuropa kennen, die keine Angst vor Messern haben. Dann können Sie Ihr Problem privat lösen.

Aber nicht nur die Polizei demonstriert eindrucksvoll ihre Schwäche: Wir haben einen „liberalen“ Justizminister, bei dem Taten und Worte auseinanderklaffen wie eine tiefe Fleischwunde. Einen tricksenden, rückgrat- und prinzipienlosen Finanzminister, dem Sie im wahren Leben nicht mal die Vereinskasse anvertrauen würden. Einen verhaltensauffälligen, mutmaßlich psychisch kranken Gesundheitsminister, der amtswidrig Panik verbreitet, obwohl chronische Angst Menschen nachweislich krank macht. Einen aalglatten Kanzler, dessen Machenschaften als Bürgermeister von Hamburg dringend gründlich staatsanwaltlich untersucht werden müssten und der allen Ernstes keine roten Linien, also keine Schranken der Verfassung mehr kennen will. – Und alle diese Gestalten sind gewählt. Demokratisch!

Wir erinnern uns: Auch die Wahlen in der DDR waren demokratisch, auch die Wahlen vom November 1932, März 1933 und November 1933 waren demokratische Wahlen. Auch die kommunistische Partei Chinas führt demokratische Wahlen zur Bestimmung des ZK durch, und in der Selbstwahrnehmung der meisten Chinesen ist China eine Demokratie im Sinne einer Schutzherrschaft – ein Demokratieverständnis, wie das auch die gegenwärtigen deutschen und österreichischen Regierungen für sich in Anspruch nehmen.

Jedem bei klarem Verstand, der nicht der Massenpsychose anheimgefallen ist, steht klar vor Augen: Das kann es nicht sein! Demokratie als Prinzip garantiert eben keine freiheitliche Grundordnung. Demokratie garantiert eben nicht die Grundrechte, egal, was in der Verfassung steht. Demokratie garantiert eben nicht Gewaltenteilung, garantiert eben nicht unabhängige Gerichte oder unabhängige Presse, garantiert eben nicht Minderheitenschutz, garantiert eben nicht Rechtsstaatlichkeit. Demokratie kann gar nichts.

Deshalb muss sie auch nicht verteidigt werden. Eine Tyrannei muss auch dann bekämpft und abgeschafft werden, wenn es eine Tyrannei der Mehrheit ist.

Viel wichtiger als das demokratische Prinzip wäre ein gesellschaftliches System, das die Freiheit des Individuums und die Menschenwürde achtet und schützt und das zu diesem Zwecke die Macht zu herrschen einschränkt. Es ist doch letztlich völlig egal, mit welchem Verfahren Herrscher ausgewählt werden, es bleiben Herrscher. Und wo geherrscht wird, wird früher oder später die Freiheit gestohlen und die Würde des Menschen unter dem Stiefelabsatz zertreten.

Die Parteiendemokratie jedenfalls ist eine Sackgasse der Geschichte, aus der wir schleunigst wieder rausmüssen.

Wie? Und was stattdessen? – Wer weiß das schon. Das kommende Chaos kann niemand vermessen. Aber die Geschichte lehrt, dass das Chaos auch neue Chancen eröffnen wird. Vielleicht springt ja dabei ein kleines Territorium für eine Privatrechtsgesellschaft heraus …


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